Drama um Statik der Stadthalle Bauen & Wohnen | 10.02.2023 | Lars Bargmann

Stadthalle Seit Wochen komplett gesperrt: Die Stadthalle am Alten Messplatz ist 69 Jahre nach dem Bau rechnerisch nicht mehr standsicher.

Es war alles andere als ein Weihnachtsgeschenk, als das Freiburger Rathaus am 22. Dezember um 15.35 Uhr erklärte, dass die Stadthalle unverzüglich abgesperrt werden muss, weil sie einsturzgefährdet sei. Ein Freiburger Statikbüro hatte die von der Verwaltung gestellte Frage nach der Standsicherheit nicht mit „ja“ beantworten können. Nach chilli-Informationen könne es zu einem „schlagartigen Versagen“ der Stahlkonstruktion kommen.

Es ist ein regelrechter Staffellauf um die Statik der 1954 in nur 132 Arbeitstagen gebaute Halle. Vor sechs Jahren hatte ein anderer Statiker, auch dieser aus Freiburg, im Vorfeld der geplanten Flüchtlingsunterbringung das Tragwerk untersucht – offenbar mit dem Ergebnis, dass die Halle für diesen Zweck geeignet sei. Warum damals Menschen dort leben oder zuvor studieren (die Unibibliothek war von 2008 bis 2015 dort untergebracht) konnten und heute nicht einmal mehr Musikinstrumente herausgeholt werden dürfen, mag den Laien erstaunen.

Und den Volksmund zu der Formulierung führen, dass „die Stadt“ die Halle offenbar lieber abreißen will, um wertvolles Bauland zu schaffen. Doch schon 1967 hatte auch ein Karlsruher Büro standfeste Bedenken angemeldet. Nach chilli-Informationen sind es nicht einzelne Bauteile, die statisch nicht wirkungsvoll sind und ausgewechselt oder ertüchtigt werden könnten, sondern es liegt ein Systemfehler vor: Es fehlen an entscheidenden Stellen schlicht Fundamente fürs Tragsystem.

Stadthalle von innen

Zu gefährlich? In der Stadthalle eingelagerte Dinge dürfen aktuell nicht rausgeholt werden.

Nach der Totalsperrung der Halle reichte auch im Rathaus Finanzbürgermeister Stefan Breiter (zuständig fürs Liegenschaftsamt) den Staffelstab an Baubürgermeister Martin Haag (Gebäudemanagement) weiter. Und es wurde sodann der nächste Statiker hinzugezogen, der nun gemeinsam mit dem die Weihnachtspost verursachenden Büro an einem Tisch sitzt. Und Lösungen sucht. Statik sei eine „komplizierte Kunst“, so Haag. Erst das vom Statikbüro zu Weihnachten erstellte digitale Modell des Tragwerks habe eine Berechnung nach neuesten Methoden überhaupt ermöglicht.

Nun geht es kurzfristig darum, was wer machen kann, um die eingelagerten Dinge (Instrumente der Musikschule oder des Ensemble Recherche, Möbel, Betten) sicher zu bergen. Das Rathaus rechnet mit einer Aktion, die zwei bis drei Tage dauern wird. Im Rathaus ist man so optimistisch, dass das in der zweiten Februarhälfte möglich sein wird.

Langfristig geht es aber um die bloße Existenz der Stadthalle. Sicher wäre es möglich, der labilen Statik eine zur Seite zu stellen, die tragfähig ist, etwa dadurch, dass eine exogene Konstruktion gebaut wird, an die die Stadthalle so angehängt werden kann, dass die bestehende Konstruktion so gut wie nichts mehr gegen Zug, Druck, Wind, Schneelasten, Erdbeben leisten muss.

Das aber wird schnell eine Millionen-Investition auslösen, ohne dass die Halle energetisch und technisch modernisiert und für neue Nutzungen attraktiv wäre. Nebenbei verlöre sie dann wohl auch ihren Denkmalschutz, den sie seit 2009 genießt, weil sie „dokumentarischen und exemplarischen Wert für die Architektur von Mehrzweckhallen in den frühen 50er-Jahren“ hat, wie damals das Freiburger Regierungspräsidium begründete. Die Frage, ob der altehrwürdigen Stadthalle auch ein Abriss droht, will im Rathaus aktuell niemand beantworten.

Nach chilli-Informationen waren übrigens schon 1954 Träger auf der Baustelle abgeladen worden, die nicht kerzengerade waren. „Die verbogenen Träger waren wohl die Zwischenpfetten zwischen den Hauptträgern. Es gibt Vermutungen, dass diese Verformungen bereits beim Transport auf die Baustelle entstanden sind“, bestätigt das Rathaus auf Anfrage.

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