Karambolage am Crash: Initiative Flurstück 277 hofft auf Durchbruch – Rathaus bremst Bauen & Wohnen | 16.02.2020 | Stella Schewe

Crash Areal in Freiburg

Das Crash erhalten, bezahlbare Wohnungen bauen und Räume für Kleingewerbe und Künstler schaffen – das sind die Pläne von Flurstück 277, einer Initiative aus Anwohnern, interessierten Bürgern und den Betreibern des Clubs an der Freiburger Schnewlinstraße. Lange lagen ihre Ideen auf Halde.

Doch nachdem jetzt feststeht, dass die benachbarte Industrie- und Handelskammer (IHK) das Areal nicht für ihre Erweiterung braucht, kommt Bewegung in die Sache. Im Rathaus gibt man sich indes zurückhaltend.

Der Briefkopf ist beeindruckend: Sieben der insgesamt neun Fraktionen und Gruppierungen des Gemeinderats haben sich Ende Januar an Oberbürgermeister Martin Horn gewandt, ihre Logos prangen oben auf der gemeinsamen Anfrage. Darin begrüßen sie das Konzept von Flurstück 277, „das sowohl die Clubräume des Crash erhalten (…) als auch dringend benötigten Wohnraum schaffen kann“. Es folgen die Fragen, wann die Vermarktung des Grundstücks Thema im Gemeinderat wird und nach welchen Kriterien sie erfolgen soll.

Unterschrieben haben, in seltener Übereinstimmung, Grüne, Eine Stadt für alle, SPD/Kulturliste, CDU, JUPI, FDP/Bürger für Freiburg und die Freien Wähler. Nicht mit von der Partie sind Freiburg Lebenswert und die AfD. Das dürfte Bewegung in eine Diskussion bringen, die bislang von städtischer Seite aus noch gar nicht angedacht war. Das Thema stehe in „absehbarer Zeit“ weder in Ausschüssen noch im Gemeinderat auf der Tagesordnung, so Stadtsprecher Toni Klein.

IHK Areal

Anstelle der alten Bestandsgebäudes sollen zwei neue einen Innenhof einfassen.

Genau darauf hoffen aber die zwölf Mitstreiter von Flurstück 277, die sich seit viereinhalb Jahren alle zwei Wochen treffen, darunter Matthias Möller: „Wir interpretieren das so, dass der Knoten für uns jetzt geplatzt ist, die Signale auf Grün springen und wir loslegen können.“ Gemeinsam mit dem Architekturbüro ABMP haben sie für das Crash-Areal ein Konzept ausgearbeitet. Bislang rein ehrenamtlich, aber das könne auf Dauer laut Möller natürlich nicht so bleiben: Das Architektenteam um Rolf Amann und Hubert Burdenski würde gerne richtig in die Planungen einsteigen.

Aktiv wurde die Initiative, als 2015 bekannt wurde, dass die IHK das knapp 1700 Quadratmeter große Grundstück mit der Flurnummer 277 für ihren Erweiterungsbau kaufen wollte. Bürogebäude anstelle des beliebten Musikkellers – das ging nicht nur den Crash-Betreibern, sondern auch etlichen Anwohnern und anderen Bürgern gegen den Strich. „Wir wollen das Crash erhalten und sind überhaupt nicht damit einverstanden, dass sich die Bürobebauung der Heinrich-von-Stephan-Straße bis hier ins Viertel frisst“, sagt Möller. Stattdessen plant die Initiative, den Musikkeller gut zu dämmen und mit fünf Stockwerken zu überbauen. Zwei ebenerdige Durchgänge – einer für Fußgänger, einer für Fahrzeuge wie etwa Bandbusse – sollen von der Schnewlinstraße aus in den Hinterhof führen.

In beiden Häusern ist in den unteren Etagen Platz für Ateliers und Werkstätten, in den oberen für bis zu 18 Wohnungen. Davon sollen mindestens 50, gerne 70 Prozent sozialgebunden sein, die anderen frei finanziert, erzählt Helma Haselberger vom Mietshäusersyndikat, die sich ebenfalls bei Flurstück 277 engagiert. Die Gesamtinvestitionssumme liege bei rund acht Millionen Euro. Wobei das Grundstück da noch nicht eingepreist ist.

Musikkeller: Ob die Initiative das Grundstück kriegt, ist noch offen.

Die erforderlichen 20 bis 30 Prozent Eigenkapital wollen die Initiatoren über Direktkredite aufbringen: Will heißen, sympathisierende Privatpersonen oder Gruppen leihen ihnen Geld und bekommen dafür Zinsen. „In Gutleutmatten haben wir auf diese Weise 4,5 Millionen Euro zusammenbekommen“, berichtet Haselberger. „Es gibt immer mehr Menschen, die uns unterstützen wollen“, sagt auch Möller. „Für Kleinsparer, die auf der Bank nichts mehr für ihr Geld bekommen oder gar Negativzinsen zahlen sollen, ist das eine echte Alternative.“

So weit die Pläne. Jetzt ist die Verwaltung am Zug, die auf die gemeinsame Anfrage allerdings noch keine Antwort hat. Horn stehe der Initiative positiv gegenüber und freue sich, „dass für die Erweiterung des IHK-Grundstücks sowie für die Entwicklung des Flurstücks 277 gute Lösungen auf dem Weg sind“, so Pressereferentin Petra Zinthäfner. Allerdings werde sich die Initiative bei einer Ausschreibung „wie alle sonstigen Interessenten auch bewerben müssen“.

Wann der Gemeinderat informiert wird, sei noch offen, heißt es. Die Detailfragen der Fraktionen würden aktuell in der Verwaltung bearbeitet und geklärt. Die Fraktionen selbst sind derweil optimistisch. Der grüne Stadtrat Timothy Simms wünscht sich, dass die Initiative „eine faire Chance“ bekommt, Irene Vogel von „Eine Stadt für alle“, dass sie „jetzt zum Zug kommt“, und Julia Söhne, Vorsitzende der Fraktion SPD/Kulturliste hofft, „dass der Weg frei ist“. Darüber hinaus freut sich Söhne, dass jetzt, wo die IHK auf ihrem eigenen Grundstück bauen kann, „die  Faulerpalette aller Voraussicht nach frei bleibt“.

Fotos: © ABMP-Architekten, Google-Luftbild/GeoBasis/BKG