Energieberater zeigen, wo zu Hause gespart werden kann Bauen & Wohnen | 30.08.2022 | Philip Thomas

Deutschland hat die Energiewende verbockt und zahlt nun den Preis: Bis zu 50 Cent überweisen Neukunden aktuell für eine Kilowattstunde Strom an ihre Versorger. Der durchschnittliche Kurs im Januar lag laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei 36,2 Cent.

 Fürs Gas bezahlten Einfamilienhäuser bereits vor Kriegsbeginn im Mittel fast doppelt so viel (13,7) Cent wie im Jahr davor. Um den Verbrauch zu senken, bieten Kommunen oder Verbraucherzentralen Energieberatungen an. chilli-Redakteur Philip Thomas hat den Check in den eigenen vier Wänden gemacht – und kein gutes Zeugnis bekommen.

„Einen schönen Balkon haben Sie hier, Südseite“, sagt Ursula-Elisabeth Müller und betritt das Wohnzimmer. Die Architektin berät Freiburger Haushalte für die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg über Energie-Einsparmöglichkeiten. Die Nachfrage ist hoch: 100 Beratungen in zwei Monaten hat die 58-Jährige hinter sich. Aktuell kann die Projektgruppe Energie keine Termine vergeben. Die Kosten von 30 Euro übernimmt das Freiburger Rathaus.

„Viele wissen gar nicht, was sie verbrauchen. Meistens gucken die Leute bei der Beratung das erste Mal auf ihre Strom- und Heizkostenabrechnung“, sagt Müller. In vielen Haushalten fehle zudem der Energieausweis. Seit 2009 ist der für alle neu vermieteten oder verkauften Wohngebäude verpflichtend. Auch für den Bewohner dieser Wohnung im Freiburger Stadtteil Haslach ist es der erste genaue Blick in seine Unterlagen.

100 Energieberatungen in zwei Monaten: Architektin Ursula-Elisabeth Müller

Schnell wird klar: Besonders sparsam hat er nicht gelebt: Knapp 2350 Kilowattstunden liefen vergangenes Jahr durch den Stromzähler seiner Zwei-Personen-Wohngemeinschaft. „Das ist ganz schön viel“, kommentiert Müller. Im deutschen Stromspiegel lag die WG damit im orangefarbenen Bereich. „Grün“ gewesen wären bis zu 1500 Kilowattstunden. Schnell sind die Schuldigen gefunden: Konsole, großer Fernseher, Kühlschrank mit Gefrierkombi sowie Spül- und Waschmaschine.

Müllers erster Verdachtsfall ist ein Computer. Das Netzteil schafft satte 600 Watt. Im Office-Betrieb bringt es die Kiste auf 50 Watt. Unter Last zeigt Müllers Messgerät 250 Watt. Der angeschlossene Monitor schluckt noch mal 30 Watt. Bei täglich zweistündiger Benutzung kommen jährlich 78 Euro zusammen. Zum Vergleich: Ein Tablet verbraucht rund sechs Kilowattstunden und kostet jährlich zwei Euro. Der 50-Zoll- Fernseher daneben schluckt 95 Watt und kostet damit bei gleicher Benutzung rund 28 Euro im Jahr.

Informationstechnik ist für fast ein Drittel (28 Prozent) des Stromverbrauchs in deutschen Haushalten verantwortlich, schätzt der BDEW. Danach folgen Wasch- und Trockengeräte (14) und Kühlgeräte (11 Prozent). Gerade alte Geräte seien echte Stromfresser: „Bei Technik, die älter ist als 15 Jahre, empfiehlt sich aus energetischer Sicht eine Neuanschaffung.“ Kühlschränke, die zur Jahrtausendwende aufgestellt wurden, verbrauchten in der Regel mehr als 300 Kilowattstunden Strom pro Jahr – dreimal mehr als moderne Aggregate. „Die Geräte laufen rund um die Uhr. Nach drei, vier Jahren können die Mehrkosten – je nach Kühlgerät – wieder drin sein“, kommentiert Müller. Eingestellt werden sollten die Geräte auf sieben Grad: „Das ist das Optimum.“

30 Euro versendet ein Router pro Jahr

Auch der Internet-Router zieht rund um die Uhr Energie. Ein übliches Gerät benötigt zehn Watt. Bei einem Strompreis von 40 Cent je Kilowattstunde versendet die kleine Box jährlich 35 Euro. Laut Schätzungen des Vergleichsportals Check24 summieren sich Stromkosten für Stand-by-Geräte in Deutschland jährlich auf 4,4 Milliarden Euro – rund 10,5 Milliarden Kilowattstunden. So viel wie ein mittleres Atomkraftwerk erzeugt.

Dem südseitigen Balkon würden Solarzellen gut stehen, findet Müller. Ein etwa 1,6 Quadratmetergroßes Panel bringe im Jahr 300 Kilowattstunden, kostet samt Installation allerdings auch zwischen 300 und 500 Euro. Die Anschaffung ist trotzdem attraktiv: Das Freiburger Rathaus zahlt im Rahmen des Förder- programms „Klimafreundlich Wohnen“ eine Pauschale von 200 Euro für Balkonmodule – vorausgesetzt, die Vermieterin ist d’accord und der Atem lang. „Die Anmeldung bei Badenova bedeutet ziemlich viel Bürokratie“, so Müller. Immerhin wird der Balkon bereits jetzt zum Stromsparen benutzt: Der Wäscheständer darauf kommt ohne Stecker aus. Ein alter Trockner verschleudert bis zu drei Kilowattstunden, neuere Modelle immerhin noch eine.

Wie beim Duschen bares Geld gespart werden kann, verrät Martin Bretz, Energieberater für die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Zeit stoppe er nicht – der 37-Jährige hat eine Duschwasser-Wärmerückgewinnung installieren lassen. Dabei wird nachströmendes Kaltwasser durch warmes Abwasser vorgewärmt: „Die Ersparnis beträgt bis zu 60 Prozent.“ Dazu kommt ein 150 Euro teurer Sparduschkopf, der den durch- schnittlichen Verbrauch von bis zu 15 Litern pro Minute auf bis zu fünf Liter verringert. Günstigere Modelle gibt es ab 30 Euro. „Unsere Familie benötigt jetzt nur noch eine Kilowattstunde Strom pro Tag für Warmwasser. Das ist schon ziemlich konkurrenzfähig“, so der Bauingenieur.

Spart jeden Morgen beim Duschen: Energieberater Martin Bretz

Gemessen am Gesamtenergieverbrauch macht elektrischer Strom in Haushalten nur ein knappes Drittel aus: Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) werden 70 Prozent Energie verheizt. Im Falle der Vormieterin der Ein- Zimmer-Wohnung mit Gas-Heizung aus dem Jahr 1998 waren das laut Energieausweis 138 Kilowattstunden für jeden der 36 Quadratmeter pro Jahr für Heizung und Warmwasser. „Das liegt im Mittelbereich für ein Haus aus den 1970er-Jahren“, so Müller.

Die 2021 abgerechnete Summe von 676 Euro wäre dieses Jahr wohl vierstellig. Sparen ist vergleichsweise einfach: Wer die Raumtemperatur von 24 auf 20 Grad senkt, spart laut Verbraucherzentrale rund 20 Prozent Heizkosten. Das Problem: Im ungedämmten Haslacher Haus aus dem Jahr 1974 geht nach Daten der Verbraucherzentrale ein Drittel Heizwärme durch die Außenwände verloren. Eine 16 Zentimeter dicke Dämmung könnte den Verlust um 90 Prozent reduzieren.

Auch den Gründerzeit- und Jugendstilhäusern in der Freiburger Wiehre oder Herdern attestiert Bretz noch „erhebliches Einsparpotenzial“. Von der Freiburger Stadtbau (FSB) zeigt sich der Experte derweil enttäuscht. Diese lässt aktuell noch Neubauten im Effizienzhaus 55-Standard bauen. „Aus meiner Sicht kein Aushängeschild für eine Green City“, so Bretz. Woanders geht es grüner: In Frankfurt wird etwa seit 20 Jahren auf den Passivhaus-Standard für öffentliche Gebäude und städtische Wohngebäude gesetzt. Bretz: „Sicherlich nicht nur aus Prestigegründen, sondern auchaus wirtschaftlicher Vernunft.“

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