Ausbildungsmarkt: Ohne Migration läuft nichts Arbeitsmarkt | 01.12.2024 | David Pister
Migration ist nicht die Mutter aller Probleme. Ganz im Gegenteil: Betrachtet man die Ausbildungsbilanz ist sie ein großer Teil der Lösung. Trotz eines hohen Anteils an ausländischen Auszubildenden bleiben in Südbaden viele Stellen unbesetzt.
„Ohne Zuwanderung sähe es richtig düster aus“, sagt Simon Kaiser, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein (IHK). Die IHK registriert zwar im Vergleich zum Vorjahr einen leichten Anstieg (+ 0,4 Prozent) bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen, trotzdem konnte jeder vierte Ausbildungsplatz nicht besetzt werden. Würden die ausländischen Auszubildenden fehlen, würde die Lücke deutlich größer ausfallen: Aktuell haben 17,5 Prozent der Auszubildenden eine ausländische Staatsbürgerschaft – bei den neu abgeschlossenen Verträgen sind es sogar 20 Prozent.
Bei den Herkunftsländern kommt es zu einer Verlagerung: Weg von den Ländern, aus denen Menschen fliehen, wie Syrien oder Afghanistan, hin zu Ländern, in denen Unternehmen gezielt rekrutieren. Marokko, Vietnam, Türkei, Rumänien und Indonesien führen die Top 10 der Herkunftsländer an – dann folgt die Ukraine.
Auch im Handwerk spielen Azubis ohne deutschen Pass eine immer größere Rolle
Insgesamt gibt es deutliche Zuwächse im Feld der Elektrotechnik und im Bereich Bau, Steine, Erden. Rückläufig sind die Zahlen dafür bei Industriekaufleuten und in der Metalltechnik. Im Gegensatz zur IHK, die noch nicht ganz die Zahlen des Vor-Corona-Niveaus erreicht hat, hat die Handwerkskammer Freiburg (HWK) den Einbruch durch die Pandemie komplett kompensiert. „Die Zahlen bewegen sich wieder auf dem Niveau der 2010er-Jahre“, so HWK-Präsident Christof Burger. 2463 neue Ausbildungsverträge konnten abgeschlossen werden – ein Plus von 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Auch im Handwerk spielen Azubis ohne deutschen Pass eine immer größere Rolle. „Die demografische Entwicklung zwingt uns, den zunehmenden Fachkräftemangel mit gezielter Einwanderung zu bekämpfen“, sagt Burger. Das Vorhaben der Bundesregierung, die Mittel für Integrations- und Sprachkurse zu kürzen, hält der Kammerpräsident für keine gute Idee: „Das widerspricht allem, was uns die Zahlen sagen.“
Be einstürzenden Brücken und maroder Infrastruktur
Während die Berufe Kraftfahrzeugmechatroniker und Elektroniker beliebt sind und weiter Aufschwung erfahren, sinkt die Zahl derer, die Beton- und Stahlbetonbauer werden wollen. Und das bei einstürzenden Brücken und maroder Infrastruktur. „Wer soll die Brücken sanieren“, fragt Wolfram Seitz-Schüle, der bei der HWK den Geschäftsbereich Berufliche Bildung leitet.
Die Zahl der Frauen im Handwerk sinkt: Nur rund 17 Prozent aller Auszubildenden sind Frauen. Dabei gebe es wenige Berufe mit einem Anteil von 90 Prozent – auf der anderen Seite aber Wachstumsberufe in der Metall- und Elektronikbranche mit nur 2 Prozent Frauenanteil. „Auf 50 Prozent der Bevölkerung zu verzichten, wird sich keine Branche leisten können“, sagt Seitz-Schüle.
Auf 100 Ausbildungsstellen kommen 85 Bewerbende
„Die Bewerberlücke bleibt groß“, bilanziert auch Anna Melchior, stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Freiburg. Auf 100 Ausbildungsstellen kommen 85 Bewerbende. Der Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren konnte allerdings gestoppt werden und geht nun leicht ins Plus (+ 0,8 Prozent). Berufe mit großem Bewerbermangel gibt es im Verkauf von Lebensmitteln oder im Handel. An Ausbildungsplätzen fehlt es bei den Medien oder der Immobilienwirtschaft.
Nur jeder zweite Bewerbende beginnt auch die Ausbildung. „Sie entscheiden sich nicht gegen die Berufsausbildung, sondern haben strukturell schlicht alle Möglichkeiten“, sagt Melchior. Es sei ein Bewerbermarkt. Die Bewerbenden hätten keinen Druck.
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