Endlich Rheinwärts: Ausflugsziel – Landesgartenschau in Neuenburg Freizeit in der Regio | 29.04.2022 | Erika Weisser

Bunte Blumenwiese: Landesgartenschau in Neuenburg

Nach langer Bauzeit wurde Ende April die 29. Baden-Württembergische Landesgartenschau eröffnet: in Neuenburg, der kleinsten Stadt, die jemals eine solche Präsentation von Grünflächen-, Garten- und Landschaftsgestaltung ausrichtete. Viel Prominenz aus „the Länd“, dem Elsass und der Schweiz war dabei, als die Tore sich öffneten – für 164 Tage. Danach wird das Land zwischen Stadt und Fluss zum Naherholungsgebiet für alle.

Wer zu Fuß von dem westlich von Neuenburg gelegenen Stadtpark am Wuhrloch weiter in Richtung Westen zu den Rheinwiesen geht, muss zwei verkehrsreiche Straßen unterqueren – die Autobahn A5 und die Westtangente. Doch hier unten ist davon nicht viel zu spüren: Die aus der Schweiz stammende Sulzburger Künstlerin Léonie von Roten hat die beiden lange vernachlässigten und bis vor Kurzem ziemlich düsteren und ausgesprochen unwirtlichen Unterführungsröhren in eine farbenfrohe, gut beleuchtete Freskengalerie verwandelt. Seither hat man das Gefühl, durch ein artenreiches Biotop zu spazieren, in eine geheimnisvolle Unterwasserwelt einzutauchen. Urtierchen und andere Wasserbewohner bevölkern die blaugrundigen Wände des ersten Tunnels, Schmetterlinge, Eidechsen und eine beeindruckende Gottesanbeterin beleben das bunt bemalte Beton-Mauerwerk des zweiten.

Gestaltete Unterquerung der A5 der Landesgartenschau in Neuenburg

Durch die neu gestaltete Unterquerung der A5 gelangt man von der Stadt zum naturnah gestalteten Rhein (u.), der symbolisch auch in den blühenden Beeten (o.) der Landesgartenschau in Neuenburg präsent ist.

Stadt. Land. Fluss.

Auch der Weg zwischen den beiden insgesamt 23 Hektar großen Parkteilen der Landesgartenschau wurde neu gestaltet. Hier grünt und blüht es, kleinere Trockenmauern und Bruchsteinportale an den Durchgängen schaffen neue Lebensräume für Insekten und diverse kleine Bodenbewohner. Die ersten Vorboten des künftigen Gewimmels machen sich schon bemerkbar: Hummeln summen in der duftenden Luft, emsige Ameisen kreuzen den Weg, hie und da deutet sich ein Maulwurfshügel an, wärmen sich Eidechsen in der Sonne.

Naturnah gestalteter Rhein bei der Landesgartenschau in Neuenburg

Dieser Weg ist nur ein Teil der barrierefreien Verbindung, die die Stadt Neuenburg am Rhein nach vielen Jahrzehnten der Trennung wieder mit dem namensgebenden Fluss zusammenbringt. Vom viel höher gelegenen Stadtzentrum und dem Platz des 1525 von einem verheerenden Hochwasser zerstörten Münsters aus gelangt man auf die neue Zähringerbrücke, die über die B 378 führt. Sie mündet in den Bertholdturm, von dessen 36 Meter hoher Aussichtsplattform man per Aufzug hinunter in den Stadtpark am Wuhrloch fahren kann. Dieses „Loch“, ein kleiner See, ein Überbleibsel des vor seiner Begradigung bis an die Stadt heranreichenden Altrheins, ist eine wahre Oase, die Besucher zum Verweilen einlädt: Die Ufer und der einmündende Klemmbach wurden renaturiert, schöner alter Baumbestand sorgt für angenehmen Schatten, eine neue Sitzstufenanlage an der Wasserkante für kühle Füße, und Kinderspielplätze sowie eine Skater- und Funanlage für Jugendliche für eine lebendige, das muntere Vogelgezwitscher ergänzende Geräuschkulisse. Und von hier gelangt man dann bequem und sicher durch die bereits erwähnten Durchgänge zum ganz neu erschlossenen, direkt am Rhein gelegenen und etwa 19 Hektar großen Hauptareal der Landesgartenschau. 

Der Stadtpark am Wuhrloch: Landesgartenschau in Neuenburg

Der Stadtpark am Wuhrloch wurde mit neu angelegten Seeufern, einer Skateranlage und Kinderspielplätzen zu einer erholsamen und dennoch belebten Freizeitoase. Sie kontrastiert mit den schön gestalteten Kiesgärten an den Rheinterrassen (u.).

Bürgermeister Joachim Schuster freut sich über diese lange überfällige direkte Verbindung zwischen Rhein und Stadtmitte, die „letztlich auch den Bewohnern des künftigen Pflegeheims an den Rheingärten zugutekommt“. Und nicht nur ihnen: Mit den hier entstandenen Grünflächen und nachhaltigen Naherholungsgebieten „erhöhen wir nicht nur die Lebensqualität aller 12.500 heutigen Neuenburger Bürger, sondern wir schaffen auch für mehrere künftige Generationen neue Lebensräume“, sagt er sichtlich stolz. Bereits 1992, zu Beginn seiner ersten Amtszeit, hatte Schuster beim Land einen ersten Vorstoß unternommen, der aber erst einmal im Sande verlief. 2001, nach der Zustimmung zu den naturnahen Hochwasservorsorgeprojekten des Integrierten Rheinprogramms (IRP) des Landes und mit dem im Gemeinderat einstimmig beschlossenen Masterplan „Neuenburg geht zum Rhein 2025“, wagte man einen zweiten Anlauf. Und der hatte Erfolg: Im Dezember 2010 traf im Rathaus die Mitteilung ein, dass die Stadt Neuenburg für 2022 den Zuschlag für die Landesgartenschau erhalten habe.

Die Kiesgärten an den Rheinterrassen: Landesgartenschau in Neuenburg

Langwieriger Aufbau

Die Freude, erinnert sich der inzwischen 66-Jährige, sei „damals natürlich groß gewesen“. Zumal es „auch der richtige Zeitpunkt für den Start des Vorhabens Landesgartenschau mit all seinen begleitenden Stadtentwicklungsmaßnahmen gewesen“ sei, wie er heute findet. Bis sehr lange nach dem Zweiten Weltkrieg habe man hier „nämlich andere Sorgen gehabt als Parkanlagen“: Die 1940 und 1944 bombardierte und in weiten Teilen zerstörte Stadt habe in langwierigen Prozessen erst einmal ihre Infrastruktur wieder aufbauen und entwickeln, sich wieder der Ansiedlung von Menschen und Gewerbe öffnen müssen. Und dann musste man zunächst innerhalb der wiedererstandenen Stadt für Erholungsgebiete sorgen.

Bunte blühende Blumen bei der Landesgartenschau in Neuenburg

Nach dem Ende der Landesgartenschau wird das ganze Areal zu einem dauerhaften und barrierefreien Naherholungsgebiet für alle.

Mit der Erschließung der seit fast 80 Jahren brachliegenden und unzugänglichen Rheinwiesen für die Landesgartenschau, sagt der langjährige Bürgermeister zufrieden, sei „ein endgültiger Schlussstrich unter die Kriegsfolgelasten gezogen“. Sechs Tonnen Munition, Bomben Granaten und andere Kampfmittel wurden dort geborgen; die sehr aufwändige Kampfmittelbeseitigung habe 1,75 Millionen Euro verschlungen – mehr als 10 Prozent der Gesamtinvestition von 15,4 Millionen Euro.

An die hier lange lauernden Gefahren denkt man nicht mehr, wenn man jetzt durch die Wiesen, Gärten und Auen zu den Terrassen geht, die zum Rhein hinunterführen, der schon im Rahmen des IRP aus seinem Kanalkorsett befreit wurde und sich nun in seinem Bett ausbreiten kann. Schön und vielversprechend ist sie geworden – die Rückkehr der Stadt an ihren Fluss. Und sie soll dauerhaft sein – als grüner Garten vor der Haustür.

INFO:
Öffnungszeiten, Eintrittspreise, Events:
www.neuenburg2022.de

Fotos: © Erika Weisser, Landesgartenschau Neuenburg