Klöster in der REGIO: Elsass Freizeit in der Regio | 06.08.2022 | Nicole Kemper, Pascal Lienhard

Das Kapuzinerkloster Notre-Dame de Dusenbach bei Ribeauvillé

Meditative Stille oder trubelige Pilgerstätte in wunderschöner Lage – viel mehr als das halten die Klöster im Elsass bereit. Wir porträtieren mittelalterliche Zentren von gelebter Frömmigkeit, eine Wallfahrtsstätte in mystischer Umgebung und ein sehr modernes Kulturzentrum.

Notre-Dame de Dusenbach – Auferstanden aus Ruinen

Eine Zeitreise in das Dusenbachtal des 19. Jahrhunderts: Auf einem Felsen im Wald erheben sich die Reste von hohen Steinmauern. Obwohl die einst hier befindlichen Kapellen im Zuge der französischen Revolution zerstört wurden, erklimmen Einheimische und Pilger unermüdlich den steilen Pfad, um sich für Besinnung und Gebet bei der ehemaligen Wallfahrt einzufinden.

Die Geschichte des Kapuzinerklosters Notre-Dame de Dusenbach reicht in den Beginn des 13. Jahrhunderts zurück, als Egenolph II. von Rappoltstein zum Dank für seine Heimkehr vom Kreuzzug eine erste Kapelle bauen ließ. Seine Nachfahren errichteten 1260 und 1297 zwei weitere Kapellen auf dem Felsen. Immer wieder wurde das Ensemble Opfer von Plünderungen und Zerstörungen und lag ab 1794 nur noch in Ruinen. Doch der heilige Ort trotzte mit ungebrochener Anziehungskraft und wurde schließlich zu neuem Leben erweckt: Mit Unterstützung der umliegenden Gemeinden und privaten Spendern wurden die Gebäude hundert Jahre später nach historischem Vorbild auf der Basis von Grafiken mit Ansichten der Kapellen wiederaufgebaut. Im Juni 1894 weihte der Bischof von Straßburg die Wallfahrt in einer feierlichen Messe „Unserer Lieben Frau“.

Kunstwerk von Jesus im Kapuzinerkloster Notre-Dame de Dusenbach

Seit 2007 steht die Pilgerstätte als „Monument historique“ unter Denkmalschutz. Ihr Besuch ist mit einer kleinen Fußwallfahrt verbunden: Vom Parkplatz an der D416, zwei Kilometer außerhalb des malerischen Dörfchens Ribeauvillé, gelangt man über den steilen Stationenweg zur abgeschiedenen Klosteranlage. Alternativ dazu bietet der Wanderweg „Maria Raydt“ einen gemächlichen Anstieg mit einigen großartigen Aussichten. Der schmale Pfad beginnt am Ortsausgang und führt gemächlich zunächst durch Weinberge und Obstplantagen, dann durch schattenspendenden Mischwald. Nach zirka 1,5 Kilometern gibt eine Aussichtsplattform mit Bänkchen den ersten Blick auf die Anlage frei: Zwischen den Baumwipfeln ragen die auf dem Felsen aneinandergereihten gotisch geprägten Kapellen und das spitze Dach des Kirchturms hervor. Nach einem kurzen Abstieg trifft der Wanderweg mit der elften Station des Kreuzwegs zusammen, eine Treppe führt zum Kirchplatz und zur alles überragenden Kreuzigungsszene. Die Kirche mit der Pietà aus dem 15. Jahrhundert steht auch wochentags zur Besichtigung und Andacht offen, die Pilgereinrichtungen sind bis zum 1. November sonntags oder nach Reservierung für Gruppen geöffnet.

INFO:
Notre-Dame de Dusenbach
Rte de Sainte-Marie aux Mines
68150 Ribeauvillé

 

Heidenmauer am Odilienberg – Keltisches Mysterium

Dreihunderttausend Steinblöcke, von Menschenhand bearbeitet, auf elf Kilometern Länge zu einem mehrere Meter hohen Ringwall gestapelt – das sind die Zeugen einer noch viel älteren Geschichte des Klosterbergs Mont Sainte Odile. Die sogenannte Heidenmauer ist ein ebenso bedeutendes wie rätselhaftes frühgeschichtliches Denkmal. Weder ihr genaues Alter noch ihre Funktion ist wissenschaftlich geklärt. Vom Klosterparkplatz aus lässt sich die Jahrtausende alte Heidenmauer auf zwei Wanderwegen erkunden, die durchgängig mit einem gelben „X“ beschildert sind. Die „mur paîen nord“ und auch das südliche Pendant verlaufen als langgestreckte Rundwege auf dem Hochplateau. Wer beide Wege in einer großen Acht laufen will, hat zirka elf Kilometer vor sich. Zur reinen Gehzeit sollte aber noch großzügig Schau- und Fotozeit zugerechnet werden, denn die Pfade sind äußerst reich an Postkartenmotiven mit Felsformationen, Ausblicken, Mauerresten und vielen anderen spektakulären Wegpunkten.

Heidenmauer

Die elf Kilometer lange Heidenmauer am Odilienberg beeindruckt nach wie vor und gibt bis heute Rätsel zu ihrer Entstehung auf.

 

Kloster Ste-Odile – Legendenreich

Um die Heilige Odilia, die Schutzpatronin des Elsass’, ranken sich viele Legenden. Der gemeinsame Kern ist, dass die Herzogstochter im 7. Jahrhundert blind zur Welt kam und am Tag ihrer Taufe sehend wurde. Um das Jahr 680 ließ Odilias Vater auf dem Berggipfel in der Nähe von Obernai ein Kloster errichten, das sich im Laufe der Jahrhunderte zur weltbekannten Wallfahrtsstätte entwickelte.

Klosteranlage Odilienberg

Schöne Ausblicke in die Rheinebene eröffnen sich von der unteren Terrasse der Klosteranlage.

Heute ist der Odilienberg eines der beliebtesten Ziele in den Vogesen. Dabei mischen sich hinter dem gewölbten Eingangstor Gläubige mit Touristen, Tagungsteilnehmern und Hotelgästen. Ein Teil der weitläufigen Klosteranlage wird als Hotel mit Seminarbetrieb genutzt. Daran anschließend befindet sich am Ende des Klosterhofes der Pilgersaal mit Selbstbedienungstheke – der hungrige Besucher kann also je nach Gelüsten oder Geldbeutel zwischen Gratin oder Pommes entscheiden. Wer Besinnung und Andacht sucht, lenkt seine Schritte zur Klosterkirche aus dem 17. Jahrhundert. Das Allerheiligste ist zu jeder Stunde des Jahres besetzt: Seit 1931 wird hier die „Ewige Anbetung“ praktiziert; Tag und Nacht lösen sich Gläubige im Gebet ab. In der Odilienkapelle befindet sich der Sarkophag mit den Gebeinen der Namensgeberin. Auf der großen Terrasse im hinteren Teil der Anlage können auch die Ungläubigsten Ehrfurcht empfinden, angesichts des unvergleichlichen Ausblicks über die gesamte Rheinebene: Unzählige Dörfer und Städte sind dies- und jenseits des Rheins über die grüne Fläche versprenkelt, der Blick schweift über die weite Ebene bis zu den Schwarzwaldbergen. Spätestens zum Abschluss der Besichtigung unverzichtbar ist der Abstieg zur Odilienquelle, deren Wasser Augenleiden kurieren soll.

INFO:
www.mont-sainte-odile.com

 

Kloster Guebwiller – Dominikaner digital

Wechselvoll. Anders kann man die Geschichte des Klosters in Guebwiller im südlichen Elsass nicht in Worte fassen. Einst von Dominikanermönchen bewohnt, hat hier ein Kulturzentrum mit modernster Technik Einzug gehalten. Mittelalter meets Digitalkunst – das hätten die Mönche von einst bestimmt nicht für möglich gehalten.

Als sich der zu Beginn des 13. Jahrhunderts gegründete Dominikanerorden vor über 700 Jahren auf Veranlassung des nahe gelegenen Klosters Murbach in Guebwiller ansiedelte, war die Welt noch eine andere. Die Klostergebäude waren für die Mönche Lebensmittelpunkt, Arbeitsstätte und Ort für die Meditation. Die Kirche aus dem 14. Jahrhundert lag im Zentrum von Guebwiller neben dem Marktplatz und war nicht nur den Ordensbrüdern vorbehalten. Das Kirchenschiff ist mit Wandmalereien aus der Zeit vom 14. bis zum 18. Jahrhundert geschmückt.

Ziegenstatue im Kloster Guebwiller

Ob drinnen oder draußen: Beim Kloster in Guebwiller herrscht eine ganz besondere, die Zeiten überspannende Atmosphäre.

Im Bauernkrieg und im Dreißigjährigen Krieg wurde das Kloster mehrmals verwüstet. Die Französische Revolution beendete schließlich das Ordensleben in Guebwiller. Das Kircheneigentum wurde Nationalgut und verkauft. In den folgenden Jahren hatten die Gebäude verschiedene Funktionen. 1814 wird die Kirche etwa als Pferdestall genutzt, seit Ende des 19. Jahrhunderts dienten die klösterlichen Gebäude als städtisches Krankenhaus.

Bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts beginnt hier auch Musik eine Rolle zu spielen. Der Chorraum der Kirche wird in zwei Bereiche unterteilt, im oberen Abschnitt finden Konzerte statt, im unteren Proben. Unter anderem tritt die Musikerin Clara Schumann auf. 1990 erwirbt der „Département du Haut-Rhin“ die Klostergebäude zu einem symbolischen Preis und wandelt sie in ein musikalisches Kulturzentrum um.

Seit den 2000ern dient das Kloster nun als Konzertveranstaltungsort, empfängt Residenzkünstler und beherbergt zudem ein Audiovisuelles Zentrum. In diesem werden auch neue Technologien wie das Video-Mapping verwendet. Wären die Dominikaner mit dieser neuen, teils futuristischen Verwendung „ihres“ Klosters zufrieden? Unklar. Doch eines steht fest: Konsequenter kann die Vergangenheit kaum auf die Gegenwart treffen.

INFO:
www.les-dominicains.com

 

Kloster Murbach – Zeitreise mit Ausblick

Der Weg führt durch den Wald und stetig weiter nach oben. Einige Autos kommen auf der engen Straße entgegen. Dennoch bleibt mit jedem weiteren Kilometer der geschäftige Alltag ein Stück weit zurück. Schließlich weitet sich der Blick und die Überreste der Anlage des Klosters Murbach sind zu sehen – vor Jahrhunderten ein geistliches Zentrum mit enormer Machtfülle.

Wer den farbenfrohen und einladenden Klostergarten passiert, erreicht das Klostertor und betritt einen Ort mit ganz eigener Magie. In einem Tal am Fuße des Grand Ballons, des großen Belchen, gründete Pirminius im 8. Jahrhundert die Benediktinerabtei. Den Auftrag hierzu hatte der bis heute als Heiliger verehrte Missionar von Eberhard von Elsass, einem fränkischen Adligen vom Herzogsgeschlecht der Etichonen. Als steinernes Standbild blickt Pirminius in Murbach bis heute auf „seine“ Gäste herab.

Abtei Murbach Klostergarten

Wie in einer anderen Welt: Der Klostergarten und die Klosterkirche in Murbach entführen in die Vergangenheit.

Man muss kein Mittelalterforscher sein, um diesen Ort zu genießen. Einiges ist ohnehin dem Lauf der Zeit – etwa im französischen Schicksalsjahr 1789 – zum Opfer gefallen. Wer durch das Klostertor schreitet, erreicht nach einem kurzen Anstieg die Reste der romanischen Klosterkirche St. Leodegar, die auch besichtigt werden kann.

Besonders eindrucksvoll und malerisch erscheint die Kirche von einer kleinen Anhöhe aus, die sich über einen im Zickzack verlaufenden Kreuzweg in etwa fünf Minuten erklimmen lässt. Es ist nicht nur die Aussicht, die den Aufstieg entlohnt. Hier oben thront die Chapelle de Notre-Dame de Lorette. Die Ende des 17. Jahrhunderts errichtete Kapelle ist eine von vielen Nachbildungen der Santa Casa im italienischen Loreto. Besonders die 1714 geschaffene verzierte Sonnenuhr an der Außenseite des Gebäudes zieht die Blicke auf sich.

Das Kloster Murbach ist eine Station auf der Romanischen Straße. Diese führt an vielen Baudenkmälern romanischer Kunst im Elsass vorbei. Die Route verläuft von Altenstadt (Wissembourg) im Norden bis nach Feldbach im Süden. Die nächste Etappe gen Süden von Murbach aus ist die Kirche Saint-Léger im nahe gelegenen Guebwiller. Wer seine Zeitreise also fortsetzen will, dem bieten sich noch viele Möglichkeiten.

Fotos: © Nicole Kemper, Pascal Lienhard, Ralph Hammann – Wikimedia Commons – Own work