Mit Hebel entlang der Wiese Erkunden & erleben | 03.08.2023 | Erika Weisser

Wiesental

Etwa 60 Kilometer weit schlängelt sich die Wiese durch das malerische Schwarzwaldtal, das ihren Namen trägt. Vom stillen Südhang des Feldbergs eilt sie der lauten Stadt Basel und ihrer Mündung in den Rhein zu. Hier ist Ausgangspunkt einer mehrteiligen Tour – gegen den Strom.

Vor lauter Brücken ist das Wasser kaum zu sehen: Über den unteren Teil der Wiese in der Nähe des Basler Hafens spannen sich unzählige Verkehrswege und sorgen für urbane Flussromantik. Bereits stillgelegte und noch betriebene Industrie- und Hafengeleise, schmale Fuß- und Radwege sowie belebte ÖPNV- und Autostraßen queren im Zickzack-Kurs das Bett, in dem der vom Feldberg her kommende Fluss einfach und von allem unbeeindruckt seinen Weg zum größeren Gewässer fortsetzt – wie seit Jahrhunderten.

Boot auf Wasser, Häuser im Hintergrund.

Vor dem Start ins Wiesental empfiehlt sich ein Abstecher zu Johann Peter Hebels Geburtshaus in Basel (blaues Gebäude) und die anschließende Fahrt mit der Klingentalfähre über den Rhein.

Unbeeindruckt, doch nicht unbelastet: An dieser Stelle hat die Wiese, die nach Johann Peter Hebel „am waldige Feldberg (…) mit liebligem Gsicht uus tief verborgene Chlüfte (…) check go Todtnau aben ins Tal springt“, ein nicht mehr ganz so liebliches Gesicht wie an ihrer Quelle. Auf der Oberfläche sind die Spuren des langen Wegs zu sehen, den sie hinter sich hat. Da treiben außer wasserpflanzlichen Schwebeteilchenteppichen auch ölfilmartige Reststoffe der angrenzenden Nutzung in den Fluten.

Der schönste Weg vom Badischen Bahnhof zur Wiesemündung am Rheinknie führt mit der Tramlinie 6 zunächst zur Haltestelle Schifflände und von dort  in wenigen Minuten über den Blumenrain zu Johann Peter Hebels Geburtshaus am Totentanz 2. Von dort geht eine Treppe direkt zum St. Johanns-Rheinweg hinab – zur Anlegestelle der Klingentalfähre, die zum Unteren Rheinweg hinübersetzt.

Dort führt ein ruhiges, teils sogar schattiges und sehr abwechslungsreiches Sträßchen flussabwärts direkt zum Klybeck-Quai, an dessen Ende sich „des Feldbergs liebligi Tochter“ mit „s’Gotthards große Bueb“ vermählt. Der kleine Ausflug zu Hebels erster Lebensstation bietet sich geradezu an: Der Weg entlang der Wiese, der er eines seiner schönsten alemannischen
Erzählgedichte gewidmet hat, ist auch eine Wanderung auf seinen Spuren. Außerdem ist diese Variante eine schöne Einstimmung auf den Zusammenfluss dieser beiden einstigen Bergbäche. Und Zeit für Abstecher sollte ohnehin eingeplant werden.

Nun geht es also gegen den Strom: von der aufgeheizten Stadt in das lauschige Gebirge. Das gelingt am besten in drei oder besser vier Etappen, die in kurzen oder in größeren Abständen zurückgelegt werden können.

An den Brücken ist man schnell vorbei. Dabei hält man sich rechts der Wiese, wo bald ein Fuß- und auch ein Radweg beginnt, der bis nach Lörrach führt. Und während man auf diesem Weg die hoch oben verlaufende Stadtautobahn und die Schienen-Viadukte zum Badischen Bahnhof unterquert, sind allenthalben die Bemühungen zu erkennen, diesen im 19. Jahrhundert begradigten und in ein enges Bett gezwängten Fluss so gut es geht zu renaturieren.

Fachwerkhaus

Im Hebelhaus in Hausen lebte der Dichter als Kind. Hier sind viele ­Spuren von ihm zu finden.

Bald wird das Gelände waldiger, die Luft frischer: Mit dem rechterhand gelegenen Tierpark Lange Erlen beginnt der Landschaftspark Wiese, der sich durch Riehen bis zur Grenze nach Weil und Lörrach zieht. Auf dem Wiesendamm – und manchmal direkt am Fluss – geht es gemütlich und nur wenig ansteigend bis zum Naturbad Riehen, das am linken Ufer zur kühlenden Rast einlädt. Hier zweigt auch ein Weg durch Wiesen und Felder zur Fondation Beyeler ab.

Wenig Flussromantik an der Straße

Wer weiterwandert, gelangt über die nicht mehr bemerkbare Landesgrenze nach Lörrach. Wobei auch hier noch keine wirkliche Flussromantik zu erleben ist: Der weitere Weg ist geteert, und bald kommt die B 317 über die Wiese und verläuft parallel dazu bis zu einer Brücke, über die es zum Glück in lieblichere Auen geht – zur alten Rossschwemme, einem gleichfalls renaturierten Abschnitt. Von hier geht es durch das Landesgartenschau-Gelände in Richtung Haagen, wo ein Hebel-Stein mit Inschrift an das Gedicht „Vergänglichkeit“ erinnert, in dem sowohl die hier direkt gegenüber stehende Burg Rötteln als auch der darüber erscheinende Blauen eine Rolle spielen.

Die erste Etappe kann hier enden – oder ein paar Kilometer weiter in Maulburg, wo sich die Kleine Wiese mit ihrer großen Schwester vereint.

Für die nächste Etappe ist ein Mittwoch, Samstag oder Sonntag angesagt. Denn sie verläuft ab dem letzten Schlusspunkt über Schopfheim nach Zell auch durch Hausen. Und dort befindet sich Johann Peter Hebels Elternhaus, in dem heute ein schönes und informatives Literaturmuseum eingerichtet ist. Und das hat nur an den erwähnten Tagen geöffnet. Hier kann man sich Hebels ganzes Wiese-Gedicht anhören – mit seinen Gedanken zu den Orten, die sie durchfließt.

Bach im Wald

Fast am Ziel: Vor der Ankunft an der Quelle geht es eine steile Schlucht mit wilden Wasserläufen hinauf.

Bis nach Schönau hinauf sind diese Orte – und damit die Wiesenufer – noch heute geprägt von der Textilindustrie, die bis in die 1980er-Jahre im mittleren Wiesental boomte. Als Folge der Industrialisierung sind in der Nähe des Flusslaufs zudem überall verkehrsreiche Straßen anzutreffen; sie machen es an vielen Stellen unmöglich, direkt am Wasser zu wandern.

Das muss aber auch nicht sein. Auf der dritten, am Fuß des Belchens entlang verlaufenden und schon deutlich ansteigenden Etappe von Zell nach Schönau, säumen erholsame Wanderwege den Wald-rand, von denen aus die Wiese, die hier weitgehend ungezähmt durch die Landschaft fließt, immer zu sehen, der Straßenlärm aber nicht zu hören ist.

So richtig und dauerhaft nahe kommt man dem Bach dafür auf der letzten Strecke ab Todtnau, auf dem Weg, der zugleich Hebel- und Feldbergweg sowie Wasserfallsteig ist, der zunächst durch die tiefe, enge Wolfsschlucht führt, wo der schmale Pfad über der wildschäumenden Wiese durch ein Geländer gesichert ist. Nach einem lohnenden Abstecher zu den Fahler Wasserfällen, wo der weiter unten in die Wiese mündende Rotenbach vom Stübenwasen herabstürzt, folgt man diesem gut markierten Weg, überquert die Straße und findet endlich zu einem der schönsten Pfade, die der Schwarzwald zu bieten hat. Immer im Wald geht es eine steile Schlucht mit allerhand wilden Wasserläufen und bizarren Gesteinsformationen hinauf. Dieser Teil der Wanderung ist körperlich der anstrengendste, mental jedoch der erholsamste. Es folgt zwar ein noch steilerer und leider schattenloser Abhang, der im Winter als Skipiste ins Fahler Loch dient. Doch von dort ist es nicht mehr weit zur unterhalb des Hebelhofs auf der Passhöhe des Feldbergs gelegenen Wiese-Quelle.

Landkarte

Info

Das Deutschland-Ticket gilt in allen Nahverkehrszügen bis Basel sowie in den S-Bahnen und Bussen, die das Wiesental befahren. Zwischen Basel und Zell verkehrt eine gut getaktete S-Bahn mit vielen Haltestellen; von Zell bzw. Schofheim nach Titisee fährt stündlich ein Bus über den Feldberg – mit Anschluss an die Höllentalbahn. Und von Freiburg nach Todtnau gelangt man in einer Stunde mit der Höllentalbahn und ab Kirchzarten mit dem Bus.

Fotos: © iStock.com/Conny Pokorny, Erika Weisser