Lebendige Geschichte(n): Kenzingen im Porträt Freizeit in der Regio | 05.06.2022 | Pascal Lienhard

Panoramaaussicht von Kenzingen

Die „Perle im Breisgau“ liegt zwischen Freiburg und Offenburg an der Alten Elz. Schatzsucher entdecken in Kenzingen historische Prunkstücke und Denkmäler, aber auch lebendige Spuren der alemannischen Fasnacht – und das nicht nur in der fünften Jahreszeit.

Den poetischen Beinamen trägt Kenzingen mit Fug und Recht. Die Kleinstadt in der Oberrheinebene ist umgeben von Wald, Wiesen und Reben. Durch die Rheintalbahn ist die „Perle“ sehr gut angebunden. Jeweils etwa 30 Minuten liegen Offenburg im Norden und Freiburg im Süden entfernt. Vom Bahnhof aus sind Startpunkte für Wander- oder Erlebnistouren schnell erreicht. Aber Neuankömmlinge sollten sich Zeit nehmen für einen Spaziergang durch die denkmalgeschützte Altstadt. Das Gesamtensemble hat viel von seinem mittelalterlichen Charme bewahrt.

Wer mehr über Kenzingens Geschichte erfahren will, kann auf eigene Faust durch die Straßen und Gassen schlendern und wird auf Schrifttafeln stoßen, die über die Historie aufklären. Im Rathaus sind Broschüren mit Anregungen für informative Rundgänge erhältlich. Das im Herzen der Altstadt gelegene historische Gebäude ist auch der Ausgangspunkt für thematische Stadtführungen. Zur Auswahl stehen eine klassische historische Tour, ein Spaziergang mit „Perspektivenwechsel“, bei dem die Frau des Stadtgründers Üsenberg aus der Geschichte erzählt, sowie eine informative Runde zu ehemaligen Brauereien und eine „Wasserführung“ inklusive eines Besuchs der Steinplatte, der ältesten gefassten Quelle in Kenzingen.

Stadtführerin und Menschengruppe vorm Kenzinger Rathaus

Eine Stadtführerin in historischem Gewand erzählt aus der Perspektive der Frau des Stadtgründers aus der Geschichte.

Die Historie des Ortes lässt sich weit zurückverfolgen, bis ins frühe Mittelalter reichen die Quellen. Schon 772 wurde das Dorf Altenkenzingen erstmals urkundlich erwähnt. Die Gründung der Stadt Kenzingen geht auf das Jahr 1249 und Rudolf II. vom Adelsgeschlecht der Üsenberger zurück. Bis heute wacht der Gründer über „seine“ Stadt: Seit fast 200 Jahren blickt er – in Stein gemeißelt, mit Rüstung und Schild – vom Dorfbrunnen auf Einheimische und Gäste herab.

Viel älter als der Brunnen ist das Rathaus: Das markante Gebäude an der Hauptstraße wurde 1520 in gotischem Stil errichtet, Zeichen des wachsenden Reichtums der Stadt. Doch der Dreißigjährige Krieg brachte Not und Zerstörung. Nach dem Konflikt war die Zahl der Einwohner von 3000 auf 300 gesunken. Das Rathaus stand noch, wenn auch schwer beschädigt. Es wurde wieder aufgebaut, in den 1960er-Jahren erweitert und beherbergt heute die Stadtverwaltung.

Es sind aber vor allem die Spuren aus dem Mittelalter, die die Altstadt bis zum heutigen Tag prägen. So erinnert die kreuzförmige Anordnung von Straßen und Gebäuden daran, dass die Zähringer im 12. Jahrhundert die Herren des Ortes waren und hier ihre stadtplanerischen Ideen verwirklichten. Weithin sichtbar überragen die zwei Türme der Kirche St. Laurentius die Stadt. 1275 erstmals urkundlich erwähnt, hat dieses älteste erhaltene Gebäude Kenzingens die wechselvollen Zeitläufe fast unbeschadet überstanden. Das östliche Langhaus, der Chor sowie die Turmanlage gehören zum ursprünglichen Baubestand. Bei Sonnenschein ist die Grünfläche vor der Stadtkirche eine kleine Oase der Ruhe.

Bunte Blumenkörbe mit Blick auf die Alte Elz in Kenzingen

Der Blick auf die Alte Elz lädt zum entspannten Verweilen ein.

Kenzingen kann auch närrisch

Wie Freiburg verfügt auch Kenzingen über ein Schwabentor – eines von einstmals vier Toren der Zähringerstadt. Seine heutige Gestalt erhielt es allerdings erst im 19. Jahrhundert, als ein schon lange bestehender Durchlass durch einen geschlossenen Häuserring neu gestaltet wurde. Ein Fachwerkhaus schmiegt sich seitlich ans Tor, das mit großem und kleinem Durchlass die Grenze der Altstadt markiert. Mit seinen roten Fensterläden und den Dachgauben ist es ein beliebtes Fotomotiv. Als Mini-3D-Ausgabe hat das Tor Karriere gemacht: Der Spielzeughersteller Faller brachte das Kenzinger Wahrzeichen als Bausatz auf den Markt.

Heute ist oben im Tor die Zunftstube der Kenzinger Welle-Bengel untergebracht, die die alemannische Fasnetstradition pflegen. Gleich zwei Narrenbrunnen erinnern das ganze Jahr über in der Stadt an die fünfte Jahreszeit. Und mit der „Oberrheinischen Narrenschau“ hat der Verband Oberrheinischer Narrenzünfte in der Schusterstraße ein Museum geschaffen, das ganzjährig einen lebendigen Eindruck von der Vielfalt der alemannischen Fasnacht vermittelt.

Ein wichtiger Termin ist das historische Altstadtfest. Vom 1. bis zum 3. Juli geht es schon zum zwölften Mal mittelalterlich zu. Im Altstadtkern schmücken die Kenzinger Bürger ihre Straßen. In mittelalterlichen Gewändern wird in urigen Lauben Speis und Trank serviert. Rund um das Zähringer Kreuz bieten Händlerinnen und Händler auf einem historischen Markt ihre Waren feil. Im Ritterlager finden Schaukämpfe und Schabernack für Kinder statt. Gaukler, Spielleute, Musikanten und Feuerkünstler unterhalten das Publikum.

Das Schwabentor in Kenzingen

Das Schwabentor hat es nicht nur historisch Interessierten angetan, sondern auch einem Spielzeughersteller.

Mit dieser Festlichkeit wird in Kenzingen eine lang zurückliegende Epoche zu neuem Leben erweckt. Doch es braucht eigentlich gar keine Schauspieler, Ritterlager oder historische Märkte, um zu erkennen: In der Kleinstadt gibt es viele Geschichten und eine ganze Menge an Geschichte.

Ortsinfos:
Lage: Landkreis Emmendingen im Nördlichen Breisgau.
Gründung: Kenzingen wurde 772 erstmals urkundlich erwähnt.
Ortsteile: Kenzingen, Bombach, Hecklingen und Nordweil
Bevölkerung: 10.052 Einwohner (Juni 2018)

Sehenswertes:
Rathaus und Üsenbergbrunnen
Der 1520 errichtete Massivbau fasziniert mit sieben gotischen Fenstern, über dem ein paar Schritte entfernt liegenden Brunnen thront Stadtgründer Rudolf II. von Üsenberg.

St.-Laurentius-Kirche
Besonders sehenswert in dem charakteristischen Gebäude sind das restaurierte Deckengemälde, die Seitenaltäre und die Grabkapelle.

Abenteuer im Wald
Der Waldklettergarten im Stadtteil Bombach verspricht Spaß und Nervenkitzel.

Schwabentor
Das Tor entstand im 19. Jahrhundert durch die Erweiterung eines kleinen Durchlasses.

Fotos: © Stadt Kenzingen