Schlösser in der REGIO: Elsass Freizeit in der Regio | 18.07.2022 | Nicole Kemper

Die Möbel von Kaiserin Joséphine

Alte Schönheiten in der REGIO, wie es gegensätzlicher kaum geht: Im Elsass haben wir uns ein barockes Stadtpalais und ein halb verfallenes Schloss im Dornröschenschlaf angesehen. Eins steht mitten in Straßburg, das andere ist eingebettet in einen spannenden Park.

Palais Rohan – Prunk im Museum

Wer heute durch die Beletage des Palais Rohan schlendert, fühlt sich in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurückversetzt. In den letzten Jahren hat ein großer Teil der Originalmöblierung wieder den Weg zurück ins Stadtschloss gefunden. Die prunkvoll ausgestatteten Räume lassen erahnen, dass sich hier auch Könige wohlfühlten.

Das Stadtschloss der Fürstbischöfe und Kardinäle der Familie Rohan liegt hinter dem Münster direkt an der Ill und gilt als Juwel der Barockarchitektur in Straßburg. Es wurde 1732 bis 1742 im Auftrag des Straßburger Fürstbischofs Kardinal Armand-Gaston de Rohan-Soubise erbaut. 

Während der Französischen Revolution wurde fast die gesamte Inneneinrichtung veräußert und das Gebäude zum Rathaus umfunktioniert. Die Stadt verschenkte es zu Anfang des 19. Jahrhunderts an Napoleon Bonaparte, der es neu einrichten ließ. 

Heute sind drei Museen im Palais beheimatet: das Kunstgewerbemuseum, das Archäologische Museum und das Museum für bildende Kunst. Wer die Prunkräume des Schlosses besichtigen möchte, besucht das Kunstgewerbemuseum, das Musée des Arts décoratifs, das vom Hof aus ebenerdig zu begehen ist.

Porzellanvase mit vergoldeter Bronze

Porzellanvase mit vergoldeter Bronze aus der Hannong-Porzellanmanufaktur verweist auf Straßburgs royale Geschichte.

Durch den großen Synodensaal mit seiner kühlen Ausstrahlung gelangt die Besucherin in den zur Ill hin gelegenen Flügel. Das durch die mehrere Meter hohen Fenster hereinströmende gleißende Licht hält das Museum mit überdimensionalen Holzläden draußen. Der prunkvolle Saal der Bischöfe war Vorzimmer der königlichen Gemächer. Die namengebenden Bischofsporträts existieren nicht mehr, sie wurden während der Revolution verbrannt. Der nächste Raum ist das königliche Schlafgemach, das mit viel Gold, gigantischen Wandteppichen und Spiegeln glänzt. Königliche Gäste wie Ludwig XV. oder Marie-Antoinette – auf ihrem legendären Brautzug – hatten hier genächtigt. 

Durch Bibliothek und Kapelle gelangt man zu den zum Innenhof hin liegenden Räumen. Eines davon war das Arbeitszimmer des Fürstbischofs, zu Napoleons Zeit wurde es als Schlafgemach genutzt. Die Möbel stammen noch von Kaiserin Joséphine de Beauharnais, der ersten Frau von Napoleon, die längere Zeit im Schloss wohnte und bei der Straßburger Bevölkerung beliebt war. Unter Napoleon wurde auch das fürstbischöfliche Schlafgemach nebenan umgenutzt zu einem Morgensalon. Dieser Raum in Purpur strahlt ein majestätisches Flair aus. Das Sofa und die sechs Sessel im Louis-seize-Stil standen in Napoleons Empfangssalon. 

Zu dieser kleinen Zeitreise würde es noch passen, einen Rundgang durch die kunstgewerbliche Sammlung im angrenzenden Flügel anzuschließen. Hier sind unter anderem Hannong-Fayencen und Teile aus Kirchturmuhren aus dem Straßburg des 18. Jahrhunderts ausgestellt.  

 

Parc de Wesserling – Lustwandeln im Schlosspark

Noch liegt es im Dornröschenschlaf: Während in den Themengärten am Fuße des Schlosses von Wesserling tagsüber Gartenliebhaber lustwandeln und Familien und Schulklassen die Erlebnisstationen in Beschlag nehmen, wartet das halb verfallene Gebäude noch auf seine Wiedererweckung. Das 1635 im oberen Thurtal errichtete Schloss war zunächst die Residenz der Fürst-
äbte
von Murbach. Nachdem die aufstrebende Textilstadt Wesserling im Jahr 1783 Königliche Textilmanufaktur wurde, diente der Neubau des zwischenzeitlich abgebrannten Schlosses als Wohnsitz der Fabrikanten. Während der Großteil der denkmalgeschützten Fabrikanlagen seit dem Ende der Textilproduktion umgenutzt wurde und in gutem Erhaltungszustand ist, verfiel das Schloss zusehends. Das nächste Kapitel seiner Geschichte wird aber derzeit geschrieben: Das herrschaftliche Gebäude wird zum Besucherzentrum umgestaltet und soll nach seiner Fertigstellung den imposanten Eingangsbereich zum Parc de Wesserling bilden. 

Parc de Wesserling

Sinnenreiches Schauen, Staunen und Erleben ist im Parc de Wesserling angesagt.

Ein Besuch im Park und im angrenzenden Textilmuseum ist aber schon vor der Eröffnung dieses Sahnehäubchens ein großartiges Erlebnis für alle Sinne: Auf 42 Hektar Fläche entführen mehrere Themengärten die Besucher in unterschiedliche Welten. Hat man im Bauerngarten noch über perfekt strukturierte Gemüsebeete gestaunt, befindet man sich in den anliegenden Bereichen mal in verwunschenem Dickicht, dann im weiten Grün des Englischen Gartens oder im bäuerlich-rustikalen Ambiente wieder. Hier ist es ein Barfußpfad, der dazu einlädt, die Umgebung mit den nackten Sohlen zu erfahren, dort können am Kräuterhochbeet Finger, Nase und Gaumen in die Erkundung einbezogen werden. In die Landschaft eingebettete Fototafeln und Installationen machen die Gärten gleichsam zu einer Open-Air-Kunstausstellung. Kommen schon die Erwachsenen kaum aus dem Schauen und Erleben heraus, wird es Kindern im Park erst recht nicht langweilig. Mit Feuereifer erobern sie Baumhaus und Segelschiff, klettern auf das Holzpferd in der mongolischen Jurte oder auf die Palisaden der Wüstenburg. Wer zwischen den vielen Eindrücken eine Pause einlegen will, findet über die Gärten verteilt überall malerische Picknickplätze, Sitzecken und Hängematten. 

Auch wenn die Zeit im Park wie im Flug verfliegt, sollte ein Puffer für das Textilmuseum eingeplant werden. Die Ausstellungen in der ehemaligen Fabrikanlage vermitteln ihre Themen nicht minder sinnesansprechend, beispielsweise mit lebensgroßen Dioramen oder dem verspielten Parcours durch ein fantastisches Jules-Vernes-Universum. 

Info:
www.parc-wesserling.fr/de/

Fotos: © dw; Nicole Kemper