Gärtnern in der Stadt Haus & Garten | 01.09.2020 | Liliane Herzberg

Urban Gardening

Beim Urban Gardening schließen sich Menschen zusammen, um gemeinsam zu gärtnern. Sie legen Beete und ganze Gärten an, im öffentlichen wie im privaten Raum. In Freiburg und der REGIO sind solche Projekte keine Seltenheit.

Schönes gestalten, gesunde Lebensmittel selbst anpflanzen und auch Langeweile vertreiben: Gärtnern boomt in Corona-Zeiten. Da waren die Urban-Gardening-Gruppen für viele gartenlose Menschen die perfekte Anlaufstelle. „Vor Corona waren wir etwa zehn Personen, jetzt sind wir doppelt so viele, alle Altersstufen von sechs bis siebzig Jahren sind vertreten“, erzählt Ines Schröder, eine von drei Koordinatorinnen des Klimagartens in Freiburg-Weingarten im Dietenbachpark. Ihre Augen leuchten, wenn sie über ihr Projekt berichtet.

Klimagarten

Sind kreativ im Klima-garten: Ines Schröder (re.) und Meike Dünnweber aus dem Koordinationsteam.

Urban Gardening (dt.: städtisches Gärtnern) ist eine offene Gartenform ohne Zäune, die in der Regel in städtischem Gebiet auf nicht genutzten Flächen stattfindet und oft in vorhandene Grünflächen integriert ist. „Das kann ein Bauplatz sein, der im Moment noch nicht bebaut wird, das ist dann privat, oder auf unserem öffentlichen Grün. Wir haben ganz viele Flächen in Parkanlagen, die von einer Gruppe, die aber nicht unbedingt ein Verein sein muss, bewirtschaftet wird“, erklärt Jutta Herrmann-Burkart vom Garten- und Tiefbauamt Freiburg (GuT). Manchen geht es ums Gärtnern und das soziale Miteinander. Andere wiederum wollen bewusst ein Zeichen setzen – für Klimaschutz, regionalen Anbau, gegen steigende Nahrungsmittelpreise. Und wieder anderen geht es darum, die Spießigkeit von Schrebergärten und Co. gegen kreativ gestaltete öffentliche Räume einzutauschen. „Urban Gardening ist ein ganzer Strauß an positiven Effekten. Natur wird erfahrbar, auch für Kinder, es wird regional und saisonal gegessen, Biodiversität durch Blumenanbau gefördert. Und es geht natürlich auch um ein soziales Miteinander“, so die stellvertretende Amtsleiterin des GuTs.

In Freiburg bestehen viele solcher Projekte – und das nicht erst seit Corona. Eine Übersicht für Interessierte findet sich etwa auf der Transition Town Freiburg-Website, eine basisdemokratische Bewegung, die Bürger ermutigt, sich aktiv für eine nachhaltigere Stadt und Lebensweise einzusetzen. Der Klimagarten ist dort verzeichnet.

Borodko-Schmidt_Stadt-Freiburg

Mitten in der Stadt entstehen farbenfrohe Gärten. Das eigene Beet kann nach Lust und Laune ­gestaltet werden.

Auch in der REGIO gibt es Urban-Gardening-Projekte, dort dreht es sich vermehrt um das gemeinsame Gärtnern mit anderen. So etwa das Projekt „Solidarische Gärten des Dreilands“, in dem die Freiburger Fabrik als deutscher Projektträger mit französischen und Schweizer Nachbarn das Potenzial von Gemeinschaftsgärten als Ort der Bildung diskutiert. Gemeinsam haben sie im März 2020 eine Vision entwickelt, wie verantwortungsvolle Nahrungsmittelversorgung länderübergreifend funktionieren kann. Außerdem finden in regelmäßigen Abständen Regiotreffen von GuT und Treffpunkt Freiburg statt, die sich an Gartenprojekte von Lörrach bis Offenburg und Basel bis Mulhouse richten. Zudem sind auf der Website von „Die Anstiftung“ – eine Stiftung, die Netzwerke des Selbermachens in ganz Deutschland fördert und erforscht – etwa Gärten in Lahr, Waldkirch, Bad Krozingen, Lörrach und Rheinfelden verzeichnet.

Der Klimagarten nimmt ebenfalls an dem Netzwerk der Anstiftung teil, „das urbane Gärten bei Projekten auf Antrag finanziell unterstützt“, sagt die 28-jährige Schröder. Ansonsten spenden Bürger ihnen oft Pflanzen und Geräte, Saatgut bekämen sie häufig von Jürgen Wehrle aus Emmendingen, der dieses produziert. Während sie spricht, präsentiert sie stolz einige echte Besonderheiten, die in den Beeten wachsen. Etwa die grüne Zebratomate. Oder den Malabarspinat.

Aber wie funktioniert so ein Konzept eigentlich? Eine Person hat Lust, auf öffentlichem Grund zu gärtnern. Gemeinsam mit Gleichgesinnten wendet sie sich an die Initiative „Freiburg packt an“ des GuTs. Jeder kann mitmachen und aktiv werden. „Wir vermitteln eine Fläche, und dann organisieren sie sich selbst. Sie kriegen immer Hilfe von uns, wenn sie was brauchen. Wir sind froh, dass das so gut funktioniert“, freut sich die Abteilungsleiterin. Und Schröder weiß das zu bestätigen: „Die Kooperation mit der Stadt ist super.“

Das eigene Beet – im Klimagarten etwa – kann dann nach Lust und Laune gestaltet werden. Einmal pro Woche gibt es außerdem einen offenen Treff für alle Interessierten. „Generell gilt bei uns das Prinzip, dass mitgearbeitet wird, wenn man miternten möchte. Bei den offenen Gartentreffs teilen wir nach der Arbeit die Ernte mit den Helfenden“, erklärt die 21-jährige Meike Dünnweber, ebenfalls Koordinatorin des Klimagartens. Richtlinien der Stadt gebe es schon, aber die seien leicht einzuhalten. „Wir dürfen zum Beispiel nicht einfach Bäume pflanzen, einen neuen Kompost hinstellen oder Mauern bauen.“

Zucchini

Ein Gemüsegarten bietet große Vielfalt, denn nicht nur Zucchini gedeihen hier prächtig.

Die meisten Spaziergänger, die durch den Dietenbachpark laufen und am Klimagarten vorbeikommen, seien begeistert, so Schröder. Nur wenige würden sich bei der Stadt beschweren, dass es zu wild aussähe. Aber das sei gewollt und gut so. Jeder von ihnen habe eigene Ideen und eigene Vorlieben. Sie liebe ihr Gemüse, Dünnweber habe mehr auf schöne Blumen gesetzt – die Bestäuber freuen sich darüber, überall flattert und brummt es. Gelebte Vielfalt ist eben nicht immer ordentlich.

Info

Monika.Borodko-Schmidt@stadt.freiburg.de
http://ttfreiburg.de/mitmachen/urbanes-gaertnern/
https://solidarische-nachbarn.eu/

Fotos: © iStock/fotografixx, herz, Borodko-Schmidt/Stadt Freiburg