Dagegen ist ein Kraut gewachsen Gesundheit | 02.10.2019 | Philip Thomas

Bärbel Höfflin - Rock in ihrem Garten

In der kalten Jahreszeit könnten Tees, Bäder, Öle und Salben aus der Natur helfen, Abwehrkräfte zu stärken. Kräuterpädagogin Bärbel Höfflin-Rock unterrichtet Volksheilkunde und gibt Workshops in der REGIO. Sie setzt auf pflanzliche Heilmittel.

„Wir haben hier in der Gegend eine riesige Artenvielfalt“, sagt Bärbel Höfflin-Rock über die Flora der REGIO. In ihrem Garten am Tuniberg wachsen mehr als 20 verschiedene Kräuter, es duftet nach Pfefferminze, Zitronenmelisse, Thymian, Rosmarin und Lavendel. Die 62-Jährige wuchs in den Wein-
bergen bei Bötzingen auf, schon früh habe sie die Natur für sich entdeckt: „Wir hatten einen großen Garten mit vielen Kräutern und haben schon damals viel Tee gekocht.“ Auch ihre Mutter Luise Höfflin erinnert sich: „Gegen fast
jede Krankheit hatten wir ein Kraut.“ Die Tochter studierte später Botanik. „Mir war das oft zu theoretisch, wir waren leider nur wenig draußen.“

Ihr Kräuterwissen möchte die 62-Jährige weitergeben. Dabei erlebt sie in ihren Kursen, dass der Umgang mit den heilenden Pflanzen einige Teilnehmer Überwindung kostet: „Manchmal nehmen die Leute die Kräuter nicht in die Hand, um daran zu riechen. Sie scheuen sich zunächst davor“, sagt Höfflin-Rock. Sie halte den Teilnehmern die Kräuter dann auch mal buchstäblich unter die Nase. „Was aus dem Supermarkt kommt, gilt als sauber. Dabei wächst der Salatkopf auch draußen auf dem Feld.“

Die Kräuterpädagogin denkt Gesundheit weiter: „Psychologie und der Wohlfühlfaktor spielen eine große Rolle.“ Weil Vorbeugung besser sei als Heilen, kommen bei ihr auch Mittel gegen den Krankheitserreger Stress in die Tasse: Aus Melissenblättern, Baldrianwurzel und Hopfenblüten kocht sie Entspannungstees. Entscheidend sei immer die Dosierung. Der Tee könne je nach Mixtur eine ganz unterschiedliche Wirkung entfalten. „Baldrian wirkt entspannend, Hopfen hingegen schlaffördernd“, erklärt sie.

Wer vor einer stressigen Prüfung noch lernen wolle, solle also nicht zu viel von der Bierpflanze beimischen. Bei zu viel Baldrian könnten die Prüflinge dann wiederum zu relaxed an ihre Aufgaben gehen. Überhaupt: Die richtige Dosis zu treffen, sei manchmal gar nicht so einfach. Denn nicht jedes Kraut hat die gleiche Menge an Inhaltsstoffen. Je nach Wachstum, Standort und Pflückkalender variiere die Anzahl der Substanzen in einer Pflanze: „Thymian wächst hier und am Mittelmeer, die Inhaltsstoffe darin können unterschiedlich stark ausgeprägt sein.“

Neben den Inhaltsstoffen schwanke hin und wieder auch die Qualität der Rezepte. „Unter Kräutern verstehen wir mehr als nur Gewürze aus dem Garten“, kommentiert die Diplom-Geologin. Leider gebe es in der Szene viel Halbwissen. Das sei gerade im Zusammenhang mit giftigen Gewächsen wie Akelei oder Efeu nicht ungefährlich. Auch beim Zubereiten der Pflanzen sei Obacht geboten: „Bohnen sind ungekocht giftig.“ Als Laie sollte damit nicht experimentiert werden. Zum Glück ist die Zubereitung von Beuteltee narrensicher. Allerdings seien die Blätter darin oft sehr fein gehackt, schlecht verpackt oder alt. „Da können Aromen verloren gehen“, weiß Höfflin-Rock. Sie empfiehlt Tees aus losen, getrockneten Kräutern – die Blätter werden vor dem Aufguss einfach verbröselt.

Wenn Entspannung nicht reicht und eine Grippe im Anmarsch ist, greift Höfflin-Röck zu anderem Kraut: Jeweils zwei Teile Mädesüß, Lindenblüten, Holunderblüten, wilder Thymian sowie ein Teil Rosenblätter kommen dann in die Kanne. „In Mädesüß und Weidenrinde ist Salizylsäure, diese ist die Mutter des Aspirins. Linden- und Holunderblüten wirken schweißtreibend, die körpereigenen Abwehrkräfte werden mobilisiert.Thymian ist gut gegen Husten sowie Entzündungen im Hals, und die Rosenblätter sind für den Duft“, erklärt sie. Wer eine zusätzliche Vitaminspritze benötigt, fügt noch Hagebutten hinzu.

Einen Vergleich mit Mitteln aus der Apotheke möchte Höfflin-Rock nicht anstellen. „Das ist einfach eine andere Ecke“, sagt sie. Die Kräuterpädagogin glaubt allerdings an einen psychologischen Unterschied: „Bei der schnellen Einnahme vieler pharmazeutischer Produkte beschäftigt man sich weniger mit der Krankheit und dem eigenen Körper.“ Heutzutage müsse die eigene Hülle oftmals schlicht funktionieren.

Spitzwegerich, Kamille und Thymian seien praktisch nie verkehrt. In vielen Fällen stoße die Kraft der Kräuter allerdings an ihre Grenzen. „Mit Tee alleine kann ein entzündeter Blinddarm nicht geheilt werden, man sollte in solchen Fällen nicht herumdoktern“, betont sie. Handelsübliche Erkältungen lindern können die alten Hausmittel aber allemal. Welchen Einfluss Kräuter genau auf ihre Gesundheit haben, kann Höfflin-Rock nur schätzen. Einen Kurs wegen eines Infekts absagen musste sie jedenfalls noch nie: „Ich bin ganz selten krank.“

Rezept

Entspannungstee:
Für 100 g: 15 g Melisse, 5 g Hopfen, 80 g Brombeerblätter, Rooibos, Anis, Fenchel, Haferstroh, Pfefferminz nach Belieben.

Foto: © Philip Thomas