Raus aus dem schwarzen Loch: Hilfe für Burnout-Patienten Gesundheit | 11.05.2019 | Stella Schewe

Gestresst, müde, ausgepowert, niedergeschlagen … Burnout, zu Deutsch „ausbrennen“, ist ein Zustand tiefer Erschöpfung. Hilfe für Betroffene gibt es unter anderem in einer Rehaklinik bei Badenweiler.

Es begann mit Rücken– und Kopfschmerzen, dann kamen eine Nervenentzündung und Schlafapnoe hinzu, Appetit hatte er schon lange keinen mehr. Bis Herbst vergangenen Jahres hielt sich Erich Kimmich noch mit zwei Urlauben über Wasser, im Oktober jedoch „ging dann gar nichts mehr, ich fiel in ein tiefes schwarzes Loch“. Wenn er heute zurückblickt auf jene Zeit, sieht er klar, was damals falsch lief.

Nachdem vor zehn Jahren einer seiner drei Söhne gestorben war, flüchtete er sich in die Arbeit. „Ich habe die Anforderungen an mich immer weiter hochgeschraubt, eine Kollegin sagte mal ‚Leg doch deinen Perfektionismus ab’. Aber das konnte ich nicht, ich habe mich systematisch gegen die Wand gefahren.“ Nach seinem Zusammenbruch halfen ihm eine Therapie und Sport über das Schlimmste hinweg. Von Mitte März an war der 59-Jährige dann für drei Wochen in Hausbaden – einer Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie bei Badenweiler.

Wo stehe ich im Leben?

Zweimal pro Woche kommt Michael Wenner ins Haus und arbeitet mit den Patienten in Gruppen. Von Burnout seien keineswegs nur gestresste Topmanager betroffen, erzählt der Diplom- Psychologe. „Da sitzt eine Aldi-Verkäuferin neben einem Bürgermeister, es sind wirklich alle Berufsgruppen vertreten.“ Gibt es eine persönliche Anfälligkeit? „Absolut“, sagt Wenner. „Die Frage ist doch: Wie gehe ich mit Belastung um? Manch einer steckt das locker weg, ein anderer bricht zusammen.“ Wichtig dafür sei Resilienz, die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen. „Das kann man erwerben“, weiß der Psychologe und stellt seinen Patienten erst einmal Fragen wie „Wo stehe ich im Leben, wo soll es hingehen?“. Das sei die Chance, die eine Krise wie Burnout mit sich bringe: „Da geht es plötzlich um Werte und daraus entstehen ganz grundsätzliche Weichenstellungen.“

Michael-Wenner

Eigene Grenzen wahrnehmen, auch mal Nein sagen und sich helfen lassen – mit solchen Strategien hilft Psychologe Michael Wenner Burnout-Patienten.

Gerade hochmotivierte Menschen vermieden oft, eigene Grenzen oder Schwächen wahrzunehmen, beschreibt er eine der Ursachen. Torsten Meier*, Teilnehmer der Burnout-Gruppe, kann das nur bestätigen: „Das ist ein großes Problem von uns allen, dass wir privat wie bei der Arbeit nicht Nein sagen können.“ Auch Ursula Schneider* bewältigte lange alleine ein Arbeitspensum, das einst auf zweieinhalb Stellen verteilt war. Nachts wachte sie dann auf und „war mitten in der Arbeit“. Eines Tages bekam sie auf dem Weg zur Arbeit plötzlich keine Luft mehr. Körperliche Ursachen dafür gab es keine – auch sie sieht, dank des Klinikaufenthaltes, heute klarer. „Ich habe ja nicht mal gemerkt, dass ich depressiv bin. Als ich hier in eine Depressionsgruppe kam, dachte ich mir, was soll ich da? Bis ich merkte, dass genau das mein Problem war.“

Burnout sei eigentlich keine Krankheit, erklärt Wenner, sondern ein Risikozustand zu erkranken: an Depression, Angststörungen oder an einer Sucht. Als Gegenmittel gibt er den Patienten Werkzeuge an die Hand: Methoden der Stressbewältigung wie Atemübungen, Achtsamkeit, Nein-Sagen lernen und Stress nicht nur negativ zu deuten. „Häufig sind Menschen gerade dann glücklich und im Flow, wenn sie arbeiten. Aber ich muss das Gefühl haben, es schaffen zu können.“

Daran wollen Kimmich, Meier und Schneider arbeiten, wenn sie wieder zu Hause sind. Alle drei haben sich vorgenommen, keine Überstunden mehr zu machen, die Arbeitszeit zu reduzieren und sich auch mal helfen zu lassen. „Ich muss nicht perfekt sein“, sagt Schneider, „auch 70 Prozent genügen.“ Dass es nicht einfach werden wird, ist ihnen bewusst, aber Kimmich ist zuversichtlich: „Klar sind wir hier in einem geschützten Raum. Aber wenn jeder von uns ein paar Eckpunkte mit in den Alltag nimmt, dann finden wir den Weg für ein neues Lebensrad.“ „Die Chance müssen wir jetzt nutzen und auf uns achtgeben“, ergänzt Schneider. „Wir müssen einfach am Ball bleiben.“

*Namen von der Redaktion geändert

Fotos: ©  Unsplash, privat