Im Herzen der Stadt: Freiburg bekommt ein NS-Infozentrum STADTGEPLAUDER | 15.03.2018 | Erika Weisser

Eine Mahn- und Gedenkstätte mit Dokumentationszentrum zur Freiburger NS-Geschichte rückt näher: Die Verwaltung hat dem im vergangenen November von allen Fraktionen gestellten Antrag, zeitnah eine Konzeption für einen solchen Lern- und Gedenkort vorzulegen und auch die notwendigen Mittel einzustellen, inzwischen entsprochen.

„Wir haben ein erstes Grobkonzept über den inhaltlichen, personellen und räumlichen Bedarf ausgearbeitet“, sagt Sozial- und Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach auf chilli-Anfrage. Dieses wurde am 15. März, in einem Gespräch zwischen Dezernenten und Stadträten erörtert.

Noch vor der Sommerpause, gibt sich von Kirchbach zuversichtlich, könne mit einem Grundsatzbeschluss gerechnet werden. Er gehe davon aus, dass die Feinkonzeption des Entwurfs „zügig vonstatten gehen“ könne: Wie der interfraktionelle Brief an Oberbürgermeister Dieter Salomon gezeigt habe, seien sich die Stadträte in der Sache einig, und auch im Rathaus stehe man dem Vorschlag aufgeschlossen gegenüber. Er rechnet mit „großer Zustimmung“ zu der Konzeption, zu deren Inhalt er indes noch nichts sagen wollte; sie solle zuerst intern im Fraktionsgespräch diskutiert werden.

Die endgültige Konzeption werde laut von Kirchbach „ohnehin erst in einem Beteiligungsverfahren mit allen relevanten Gruppen“ erstellt, das gleich nach dem Grundsatzbeschluss gestartet werden soll. Zu diesen Gruppen zählt er etwa die Jüdischen Gemeinden, die Stolperstein-Initiative des Ehepaars Meckel, die entsprechenden Seminare der Universität, die Landes­zentrale für politische Bildung, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sowie Lehrerinnen und Lehrer von Schulen, die sich schon mit diesem Gedenken befasst haben. Nach deren Mitsprache werde es im Gemeinderat einen Umsetzungsbeschluss geben, mit dem er „spätestens im zweiten Halbjahr 2019“ rechnet.

Über einen möglichen Ort wollte sich der Dezernent ebenfalls noch nicht äußern: Auf die Suche nach der geeigneten Immobilie könne man sich erst dann machen, „wenn man genau weiß, welche Räume es braucht“. Ein möglicher Eröffnungstermin sei „von der baulichen Investition in die Liegenschaft“ abhängig, für die man sich entscheide.

Standorte, die von verschiedener Seite schon favorisiert, doch von OB Dieter Salomon und Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer sofort abgelehnt wurden: Das frühere städtische Verkehrsamt.

Klar sei aber, dass alles bald angegangen werden und der Ort zentral gelegen sein müsse, damit er von allen Schulen aus gut erreicht werden kann. Das sehen die Fraktionsvertreter auch so: Der Standort müsse, unabhängig davon, ob man sich für ein vorhandenes Haus entscheide oder ein neues baue, innenstadtnah sein.

Darauf legen auch Marlis und Andreas Meckel großen Wert, die den ersten Stein für eine Mahn- und Gedenkstätte bereits vor 15 Jahren ins Rollen brachten: Marlis Meckel, die im Zusammenhang mit der von ihr initiierten Verlegung der Stolpersteine seit 2002 eine umfangreiche Recherchearbeit über die in der Nazizeit verfolgten und ermordeten Freiburger leistet, schlug Dieter Salomon schon kurz nach seiner ersten Wahl zum Oberbürgermeister die Einrichtung eines Erinnerungszentrums vor. Nicht zuletzt als öffentlich zugänglichen Aufbewahrungsort für all die Dokumente über die Vertriebenen und fast Vergessenen, die sie im Lauf der Jahre zutage gefördert habe.

Ein weiterer Standort: Der im heutigen Regierungspräsidium befindliche ehemalige Gestapo-Keller

Den nächsten Vorstoß hatte 2009 die Initiative „Freiburg braucht eine Mahn- und Gedenkstätte“ gewagt. Der hatte kontroverse Reaktionen ausgelöst: Für die jüdische Gemeinde gehöre die Dokumentation der Freiburger Nazi-Geschichte ins Stadtarchiv, es gebe in der Stadt schon genug Orte der Erinnerung. Gegen einen solchen Ort hatte sich auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft ausgesprochen.

Die erste, wieder Jahre später vorgelegte und zunächst nur verwaltungsintern gehandelte Konzeption wurde dann 2012 beschieden – abschlägig, wegen Geldmangels. Stattdessen wurde erst einmal die große Ausstellung über Freiburg in der NS-Zeit konzipiert, die von November 2016 bis September 2017 im Augustinermuseum gezeigt wurde – und mehr als 80.000 Besucher anzog.

Einstweilen erinnern dort Stolpersteine an die Geschehnisse.

Diese Zahlen und die vielen Schulklassen, die regelrecht hingeströmt seien, sprächen für sich, finden die Meckels. Und für die Notwenigkeit, „insbesondere junge Leute, die mit der Zeit nicht einmal mehr indirekt zu tun hatten“, nicht nur an die Gräuel der Nazi-Diktatur zu erinnern, sondern, „gerade in der heutigen Zeit, auch darzustellen, wie es dazu kommen konnte“.

Kurz vor der Eröffnung der Ausstellung hatte Andreas Meckel in der Synagoge einen Vortrag zur Notwendigkeit und Ausstattung eines solchen Lern- und Erinnerungsortes gehalten; an seinen Vorschlägen, die der chilli-Redaktion vorliegen, orientierten sich die Stadträte der Fraktionsgemeinschaft Unabhängige Listen, als sie im Herbst 2017 initiativ wurden und die übrigen Fraktionen für das gemeinsame, uns gleichfalls vorliegende Schreiben an den Oberbürgermeister gewannen. „Wir sind“, heißt es darin, „verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sich die heutigen und künftigen Generationen mit der Geschichte Freiburgs in der NS-Zeit detailliert befassen, um für eine verantwortungsvolle Zukunft eintreten zu können.“ Diese Zukunft beginnt nun mit dem Fraktionsgespräch.

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