Der Sounddreck zur Wiedervereinigung Kultur | 14.11.2019 | Ralf Welteroth

die Geschmackspolizei

Die Freiburger Geschmackspolizei ermittelt schon seit fast 20 Jahren gegen Geschmacks­verbrechen – nicht nur, aber vor allem in der Musik. Für die cultur.zeit verhaften Ralf Welteroth und Benno Burgey in jeder Ausgabe geschmack­lose Werke von Künstlern, die das geschmack­liche Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich beeinträchtigen.

Vor ziemlich genau dreißig Jahren war es dann passiert. Wir hatten auf einen Schlag zig Millionen zusätzliche potenzielle und tatsächliche Geschmacksstraftäter an der Backe – als ob wir nicht schon mehr als genug Arbeit mit dem ganzen Wessi-Sumpf gehabt hätten, aber die Mauer musste ja unbedingt weg.

Auf einmal mussten wir uns mit Countrymusik aus dem ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaat befassen, ganz zu schweigen vom (r)ostigen Schlager eines Frank Schöbel. Der ausgediente Unrechtsstaat machte in diesem Bereich auf jeden Fall seinem Namen noch alle Ehre.

Exemplarisch sei hier auch die Rockformation Magdeburg (teilweise firmierten sie auch unter Klosterbrüder, ein klassischer Tarnname) erwähnt. Bei der Namensgebung orientierte man sich an amerikanischen Vorbildern wie Chicago und Boston – musikalisch leider nicht.

Hoffentlich macht das jetzt nicht wieder Schule: Bands, die dann Cottbus, Zwickau oder Köthen heißen, lassen nichts Gutes vermuten.

Bei allem Klagen über straffällig gewordene Ossis sollten wir aber weiterhin versuchen, die Wiedervereinigung folgender westdeutscher krimineller Banden mit aller Macht zu verhindern: Flippers, Modern Talking und Kelly Family.

Wiedervereinigt grüßt
für Ihre Geschmackspolizei
Ralf Welteroth

Foto: © chilli