Historisches Handwerk #5 – Der Bürstenmacher Land & Leute | 11.09.2020 | Erika Weisser

Bürstenmacher

Besen- und Bürstenbinder sind rar geworden im Schwarzwald, wo das Handwerk einst verbreitet war: Viele Bauern fertigten in den Wintermonaten diese Reinigungsgeräte. Annette und Joachim Reinke aus Alpirsbach vermarkten ihre besonderen Bürsten selbst.

„Wir sind die erste Generation“, antwortet Joachim Reinke lachend auf die Frage, wie lange ihre als Familienbetrieb geführte Bürstenmacherei denn schon existiere. „Wir haben uns das alles selbst erarbeitet und aufgebaut“, fügt Annette Reinke ebenso heiter und doch mit leisem Stolz hinzu. Vor mehr als 30 Jahren haben sie, die beide aus ganz anderen Berufen kommen, beschlossen, sich im handwerklichen Bereich selbstständig zu machen. Im Jahr 1986 gründeten sie ihre eigene Firma – ohne ein bereits existierendes Unternehmen im Hintergrund: „Einer muss halt den Anfang machen“ war ihre Devise.

Dieser Anfang war indessen nicht immer leicht. Da sie sich außer für das Handwerk auch für Naturprodukte interessierten, begannen sie zunächst mit der Verarbeitung chemisch nicht behandelter Naturtextilien. Sie fertigten Strickwaren aus Wolle, Seide oder Leinen und boten ihre Ware auf Märkten feil. Und wurden, wie Joachim Reinke sich erinnert, oft als „Selbstgestrickte“ verspottet: Damals gehörten Marktstände mit Öko-Produkten noch nicht zur unkommentierten Selbstverständlichkeit.

Joachim Reinke

Geschlitztes Rosshaar ziert den Rücken des Tischigels. Gern verarbeitet Joachim Reinke aber auch Ziegenhaar.

Zur Pflege der Kleidungsstücke boten sie schon damals spezielle Kleiderbürsten an, die sie aus Partnerbetrieben bezogen. Diese waren, gemäß ihrer ökologischen Orientierung, natürlich auch aus Naturmaterialien: Holz, Rosshaar, Borsten und Ziegenhaar. Und irgendwann, erinnert sich Annette Reinke, hätten diese Bürsten, die „gut und angenehm in der Hand lagen und eine ganz besondere Haptik aufwiesen“, das Interesse der beiden geweckt, hätten die verwendeten Materialien sie „so fasziniert“, dass sie sich vorstellen konnten, die Bürstenbinderei zu ihrem Beruf zu machen. So sei aus dem ursprünglichen Nebenprodukt allmählich das Hauptprodukt geworden. Das habe, ergänzt Joachim Reinke, natürlich eine Weile gedauert – mit vielen Versuchen und viel Übung. Denn schließlich seien beide „komplette Autodidakten“. Bei einem befreundeten Ehepaar, das in Norddeutschland eine Bürstenbinderei betreibt, hätten sie „eine Art Grundkurs“ gemacht für das Metier, das immer noch ein Ausbildungsberuf ist.

Seit etwa zehn Jahren wohnen sie in einem ehemaligen historischen Gasthaus im Alpirsbacher Ortsteil Römlinsdorf. Dort haben sie eine kleine Werkstatt eingerichtet, in der sie mit Ziegenhaar, Naturborsten, Dachshaar, Pflanzenfasern oder Rosshaar ein erstaunlich breit gefächertes Repertoire an handgearbeiteten Bürsten, Besen, Fegern, Wedeln, und Pinseln herstellen. Es gibt auch ein großes Lager für die „ungefähr 400 verschiedenen Artikel“, die sie im Sortiment haben. Nicht alle, wie etwa der Tischfeger in Form eines Igels, stammen aus eigener Produktion: Die Reinkes arbeiten mit etlichen Partnerbetrieben im Schwarzwald, darunter auch einer Behindertenwerkstatt, zusammen. Doch alles, was sie verkaufen, sei hochwertig und dennoch „zu fairen Preisen zu haben“ – über den Versand oder eben auf den Garten-, Handwerker- und Ökomärkten, die sie sehr gerne und regelmäßig besuchen. Und die in diesem Jahr allesamt abgesagt wurden. Nun hoffen sie darauf, dass die Weihnachtsmärkte in Konstanz und Berlin stattfinden, die sie „seit Jahrzehnten“ beschicken. Mit der gleichen Freude, die sie nach wie vor auch an der Bürstenmacherei haben.

Info

www.buerstenmacherei.de

Fotos: © ewei