Historisches Handwerk #2 – Der Köhler Land & Leute | 29.08.2020 | Erika Weisser
Auch in diesem Jahr war Köhlermeister Karl Stoll jeden Tag an seinem Kohlenmeiler in Dachsberg. Das mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl hergestellte Holzprodukt ist inzwischen geerntet und wird demnächst über die Gemeindeverwaltung verkauft.
Auf der Lichtung beim Waldsportplatz Wolpadingen herrscht an diesem Nachmittag sengender Sonnenschein. In unmittelbarer Nähe des dort aufgebauten, kräftig rauchenden Kohlemeilers wird die Hitze schier unerträglich. Doch in gebührendem Abstand, bei der kleinen Holzhütte, bietet Köhlermeister Karl Stoll neugierigen Besuchern gerne ein schattiges Plätzchen an.
Dort spricht er von der Vergangenheit und Gegenwart der Köhler oder Kohlebrenner. Von einem Handwerk, das einst im Schwarzwald weit verbreitet war und das heute nicht mehr ausgeübt wird – zumindest als Brotberuf. Während die Köhler bis zur Verbreitung der Steinkohle ein zwar geächteter, doch für die Glasbläserei oder die Metallverhüttung wichtiger Berufsstand gewesen seien, beschränke sich ihre Tätigkeit heute auf die Herstellung von hochwertiger Grill-Holzkohle.
Vor einer Woche, erzählt Stoll, hätten er und die Jungköhler Marc Schäuble und Markus Haselwander den knapp drei Meter hohen Meiler „in Glut gesetzt“ – nach einer sehr arbeitsintensiven Aufbauwoche. Ein gut funktionierender Meiler sei „nämlich eine komplizierte Angelegenheit“: Zunächst wird aus Hölzern und Brettern ein Rost von mehr als fünf Metern Durchmesser gebaut. In dessen Mitte wird der aus vier hohen, durch Eisenringe verbundenen Fichtenstämmen bestehende Quandelschacht errichtet. Darin wird der zur Holzverkohlung benötigte Schwelbrand in Gang gesetzt.
Nachtwache untem Sternenhimmel
Um diesen Schacht herum, erklärt er weiter, werden trockene und auf ein Meter Länge geschnittene Buchenscheite aufgestellt – senkrecht und ohne Zwischenräume. Über diesem ersten, oben mit Brettern gesicherten „Stockwerk“ wird eine kleinere zweite „Etage“ aufgeschichtet, ebenfalls dicht an dicht, mit fast aufrecht stehenden Scheiten. Darüber kommt ein halbkugelförmiges „Dach“ aus liegendem „Kopfholz“. 18 Ster Buchenholz wurden in diesem Jahr verarbeitet, das ergibt 180 Kilo Holzkohle.
Wenn der Rohbau des Meilers fertig ist, fährt der bald 70-jährige begeisterte Hobby-Köhler fort, muss der mit kürzeren Scheiten aufgefüllte Holzkörper sorgfältig mit viel Farn bedeckt und dann noch mit einer dicken Schicht eines aus Kohlestaub, Erde und Wasser bestehenden Gemischs „komplett abgedichtet werden“. Denn der Meiler, erläutert er, „muss ringsherum luftdicht abgeschlossen“ sein, bevor er mit der glühenden Holzkohle aus dem Vorjahr, der „Mutterkohle“, in Glut gesetzt wird.
Bei zu viel Sauerstoff würde das Holz, anstatt langsam schwelend zu verkohlen, schnell und unkontrolliert durchbrennen. Mit dem Ergebnis, dass beim Öffnen des Meilers „mehr Asche als Kohle zum Vorschein käme“. Und bei zu wenig Luft würde der Meiler erlöschen und lediglich verrußte Holzscheite produzieren. Die Luftzufuhr wird manuell reguliert, durch Öffnen oder Schließen der „Pfeifenlöcher“, durch die der Rauch entweicht. Dafür ist der Köhler zuständig, der gerade für die Tag- oder Nachtschicht am rund um die Uhr bewachten Meiler eingeteilt ist.
Karl Stoll ist schon seit sechs Jahren mit Herzblut bei der Sache – besonders in den Nachtschichten unter dem „wunderbaren Sternenhimmel“. Da macht es ihm auch nichts aus, dass seine Bettstatt für die kurzen Schlafzeiten nur aus einem harten Holzbrett besteht.
Fotos: © ewei