Pilzparadies im Winter – Unterwegs mit Nadja Frotscher-Kanka Land & Leute | 16.01.2025 | David Pister

Pilze gibt’s doch nur im Herbst. Von wegen! Auch im Winter kann man in die Pilze gehen. Die Pilzsachverständige und Pilzfluencerin Nadja Frotscher-Kanka zeigt bei einem Streifzug durch den Schwarzwald ihre Lieblingspilze und verrät, warum der Winter die perfekte Jahreszeit für Pilzneulinge ist.
Das Laub raschelt. Sattgrünes Moos überzieht die Bäume. Sonnenstrahlen tanzen durch den Wald. Der geschulte Pilzblick streift über den Boden, wird aber nicht fündig. Die Pilzexpertin Nadja Frotscher-Kanka ist in ihrem Winterpilz-Revier in Badenweiler unterwegs. Winterpilze wachsen an Holz: Sie sind Zersetzer, besiedeln überwiegend Totholz und bauen es ab. Um im Winter Pilze zu finden, sollte man nicht im aufgeräumten Wald suchen. „Wir brauchen Chaos“, sagt die Expertin. Pilzbegeisterte machen oft im Herbst Jagd auf die Klassiker: Pfifferling und Steinpilz. Auch der Winter hat Speisepilze zu bieten, in reduzierter Vielfalt: „Im Herbst sind vor allem Anfänger überfordert. Da stehen viele unterschiedliche Pilze, die giftig oder tödlich giftig sind. Im Winter gibt es kaum tödlich giftige Pilze“, sagt Frotscher-Kanka.
Keine 50 Meter von ihrem Haus entfernt, beginnt der Wald. Im Hauseingang stehen geschnitzte Fliegenpilze. Drinnen: Pilzbücher, Einmachgläser mit eingelegten Pilzen. Getrocknete Judasohren und Schmetterlingstrameten: Vitalpilze, die eine gesunde Lebensweise unterstützen können.
Schmackhafte Winterpilze
2018 hat sich die 40-Jährige an der Volkshochschule Titisee-Neustadt zum Pilzcoach ausbilden lassen – 30 Pilzarten musste sie draufhaben. Dann folgte die Ausbildung zur Pilzsachverständigen. Voraussetzung: 300 Pilzarten kennen und eine Prüfung in Theorie und Praxis bestehen. Seitdem bietet Nadja Frotscher-Kanka Pilzwanderungen an und kontrolliert die Körbe von Pilzsammlern. Außerdem arbeitet sie ehrenamtlich beim Giftnotruf. Gerade hat sie zwei Bücher über Pilze geschrieben. Auf Instagram und Youtube ist sie als Pilzfluencerin unterwegs. „So viele Pilze, wie ich finde, kann ich gar nicht essen. Das Größte für mich ist, die Pilze zu fotografieren und über tödlich giftige Exemplare aufzuklären“, sagt die umtriebige Expertin. Hauptberuflich hat sie eine logopädische Praxis.

Das Judasohr am Ohr von Nadja Frotscher-
Kanka ist ein ausgezeichnete Winter-Speisepilze.
Geweihförmige Holzkeule, Herber Zwergknäuling, Gezonter Ohrlappenpilz: Nadja Frotscher-Kanka kennt sie alle. Knapp 20 verschiedene Pilze bestimmt sie heute. Alle fünf Meter bleibt die Pilzsachverständige stehen, bückt sich, riecht, fasst an. Auf einem abgestorbenen Baum steht ein einzelner, unscheinbarer Pilz mit Ring und hellbraunem orangegelbem Hut. „Das ist der giftigste Pilz im Winter“, sagt Frotscher-Kanka. Sein Gift ist das gleiche wie das des Grünen Knollenblätterpilzes – schon wenige Exemplare können tödlich sein.
„Oh! Da kommen Neue raus“, ruft die Pilzexpertin, „wie Babys im Nest.“ Sie zückt ihr Handy und macht Fotos, die später auf Instagram landen werden. Etwa zehn Mini-Austernseitlinge drücken sich durch das Moos. Austernseitlinge sind gute Speisepilze. Roh sind sie giftig, sie müssen gut durchgebraten werden. Auch Judasohren und Samtfußrüblinge sind begehrte Winterpilze für die Küche.
„Pilze wie rohes Fleisch behandeln“
Zu jedem Pilz hat Frotscher-Kanka etwas zu sagen: Der Gelbstielige Nitrathelmling riecht nach Chlor, der Lackporling eignet sich als Leinwand, die Sporen des Gemeinen Spaltblättlings sollte man lieber nicht einatmen.
Frotscher-Kanka erzählt auch von der Kehrseite: „Die meisten Pilzvergiftungen passieren, wenn Speisepilze nicht ausreichend gegart wurden, zu alt gesammelt, zu viel auf einmal oder zu oft hintereinander gegessen werden.“ Unechte Pilzvergiftung nennt man das. „Pilze muss man wie rohes Fleisch oder Fisch behandeln“, sagt die Expertin.
Der Pilzkorb ist gut gefüllt. Trotzdem hält Frotscher-Kanka weiter Ausschau. Da glänzt was Grünes: Grünfäule vom Grünspanbecherling. Sie sucht den dazugehörigen Pilz-Fruchtkörper, legt ein paar Äste zur Seite, wühlt im Laub. „Früher habe ich mich noch über die Stöckchendreher lustig gemacht. Heute bin ich selbst eine von ihnen“, sagt sie und lacht.
Info
Nadja Frotscher-Kanka
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pilzcoachbadenweiler@web.de
pilzcoach-badenweiler.de