Kein Zug zwischen Colmar und Freiburg? »Nicht akzeptabel« Mobilität | 01.04.2024 | Till Neumann

Vincent Denefeld

Nur 50 Kilometer liegen zwischen Colmar und Freiburg. Doch mit dem Zug braucht man zwei Stunden. Der Grund: Die Bahnverbindung wurde 1945 zerstört. Seit zwölf Jahren kämpft der Verein „Trans Rhin Rail Colmar-Freiburg“ für einen Wiederaufbau. Macron und Merkel haben das Projekt 2019 als prioritär eingestuft. Doch wirklich voran geht es nicht. Daher organisiert der Verein am 14. April eine Menschen­kette über den Rhein. Mit dabei ist Vincent Denefeld. Der 39-Jährige aus Colmar arbeitet in Freiburg. Er erzählt im chilli-Heimspiel, was die Bahnverbindung für ihn bedeutet.

„Schon ein bisschen peinlich“

„Ich fahre jeden Tag von Colmar mit dem Auto nach Breisach. Dann fahre ich mit dem Zug von Breisach nach Freiburg. Es wäre deutlich bequemer, durchgehend im Zug zu sitzen. Das würde aber zwei Stunden dauern, man fährt über Basel. Da bin ich sogar mit dem Rad schneller in Freiburg. Das ist schon ein bisschen peinlich.

Was viele nicht wissen: Es gibt einen Bus zwischen Breisach und Colmar. Aber für die 22 Kilometer muss man zirka eine Stunde fahren. Das ist höchstens was für Touristen oder am Wochenende, wenn man viel Zeit hat. Für einen täglichen Pendler dauert das deutlich zu lange. 

Kein Zug drauf: Hier am Freiburger Bahnhof kommt man nur mit Mühen nach Colmar.

6000 Fahrgäste am Tag

2019 haben Macron und Merkel im Aachener Vertrag das Vorhaben als prioritär eingestuft. Da haben wir auf viel Rückenwind gehofft. Doch bisher gab es nur Studien. Am Anfang hieß es, die Bahnlinie soll bis Ende der 20er-Jahre gebaut sein. Jetzt heißt es Ende der 30er-Jahre. Das ist für uns nicht akzeptabel.

Studien zeigen, dass die Bahnlinie total nützlich wäre: Französische Prognosen gehen von 1000 Fahrgästen am Tag aus. Deutsche Prognosen von 6000 pro Tag. Ich halte 6000 für realistischer. Allein mit der Breisgau-S-Bahn fahren 15.000 Menschen pro Tag.

Petition gestartet

Die Bahnlinie wäre ein Gewinn für die Wirtschaft, für den Tourismus, für den Berufsverkehr genau wie für Schüler·innen, die zum deutsch-französischen Gymnasium in Freiburg wollen. Unser Verein hat berechnet: Die Bahn­linie würde durch wegfallende Autofahrten 8000 Tonnen CO₂ pro Jahr sparen. 

Für den 14. April planen wir eine Menschenkette über den Rhein. Von Breisach bis Volgelsheim. Wir rechnen mit Hunderten Menschen. Sie sollen zeigen, dass die Lücke gefüllt werden muss. Ab 9 Uhr gibt es eine Radtour dorthin ab dem Freiburger Stadtheater. Wir organisieren auch kostenlose Busse von Colmar aus zur Demo. Die Menschenkette machen wir jetzt, weil im Sommer über das Projekt entschieden werden soll. Wir wollen das Projekt beschleunigen, es braucht jetzt einen Impuls. Aus dem Grund haben wir auch eine Petition gestartet. 

„In der EU einmalig“

Dass so große Städte wie Colmar und Freiburg nicht mit der Bahn verbunden sind, ist in der EU einmalig. Die Strecke ­fahre ich jetzt schon seit 13 Jahren. Wenn die Bahnverbindung endlich kommt, könnte meine Familie eines der beiden Autos verkaufen.

Fotos: © privat & Till Neumann