„Nummer zu heiß“: ein Raser über illegale Autorennen in Südbaden Kriminalität | 07.09.2024 | Philip Thomas

Illegales Straßenrennen zwischen 2 Autos Rennen gibt es - aber selten in Freiburg. Das sagt einer, der bei so etwas mitgefahren ist.

Insgesamt 331 „verbotene Kraftfahrzeugrennen“ lieferten sich Raser vergangenes Jahr in Baden-Württemberg. Ein Szene-Aussteiger erklärt den „Nervenkitzel“ und berichtet von „einer eigenen Welt“. Freiburg ist für die Bleifüße ein Sperrgebiet. Das Umland und die Landstraßen sind umso beliebter – und ziehen auch Fahrer aus der Schweiz an.

„Du kannst entspannt fahren“

Seinen getunten Wagen mit knapp 350 PS hat Oliver Meier (Name von der Redaktion geändert) abgegeben. Den Führerschein hat der Freiburger behalten. „Ich habe mich umentschieden, gehe jetzt in Richtung Driftsport“, sagt der 23-Jährige. Das kontrollierte Übersteuern von Fahrzeugen findet auf abgesperrten Strecken statt. Zuvor war die Straße seine Spielwiese.

Knapp zehn illegale Straßenrennen lieferte sich Meier in zwei Jahren durch Südbaden. Von der Polizei erwischt wurde er dabei nie. Denn aufs Gaspedal trat Meier meist nachts: „Da hast du keinen Verkehr mehr und kannst entspannt fahren.“ Die Fahrer verabreden sich in der Regel auf Landstraßen. Und dann mit bis zu 180 Sachen.

Man ballert irgendwo entlang

Gruppenchats benutze die Szene für solche Treffen nicht. „Da ist schnell mal jemand drin, der nebenberuflich Polizist ist“, sagt Meier. Bereits terminierte, illegale Tuning-Events wurden schon mal in letzter Minute gecancelt, weil blau-weiß folierte Fahrzeuge auf dem verabredeten Platz warteten. „Man trifft sich mit zwei, drei Leuten aus der Region an der Ampel und ballert dann irgendwo entlang“, erklärt er.

Das Freiburger Stadtgebiet sei zum Rasen ungeeignet. „Das ist einfach eine Nummer zu heiß. Die Polizeipräsenz ist hoch und an jeder Ecke steht ein Blitzer“, so Meier. Beliebt sei die Überland-Strecke zwischen Müllheim und Freiburg. „Das meiste passiert aber in Waldshut-Tiengen und Weil am Rhein“, sagt er. Die Strecken lockten auch Fahrer aus der Schweiz: „Die kommen dann hier her, um Randale zu machen.“

„Sie müssen rumheizen“

Erst Ende März lieferten sich vier hochmotorisierte Autos mit eidgenössischem Kennzeichen ein Rennen auf der A5 bis nach Karlsruhe. Gestoppt wurden die Fahrer, die mehrfach rechts überholten und immer wieder die Spur wechselten, schließlich von der Karlsruher Verkehrs­polizei auf einem Parkplatz. Anfang Juni beobachtete ein 55-Jähriger auf der Autobahn A5 in Höhe Müllheim einen Porsche und einen Lamborghini beim Rennen. Beide wurden an der Zoll-Station Weil am Rhein aus dem Verkehr gezogen.

Unfälle wurden bei diesen Rennen nicht verursacht. Auch Meier war laut eigener Aussage in keinen Crash verwickelt. „Es kann aber sein, dass du mal einen Hasen oder Fuchs mitnimmst“, sagt er. Für die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer macht er ebenfalls Fahrer aus der Schweiz verantwortlich: „Die meinen, sie müssen rumheizen wie die Gestörten.“

„Das Arschloch lasse ich nicht vorbei“

Polizeisprecher Árpád Kurgyis formuliert es anders. Er könne nicht ausschließen, dass „die besondere Lage im Dreiländereck auch zur Teilnahme von französischen und Schweizer Verkehrs­teilnehmenden führt.“ Gefährden wolle Meier jedoch niemanden: „Du gibst dann lieber Lichthupe und blinkst rechts, dann weiß der Fahrer, dass er sich – blöd gesagt – verpissen soll.“ Bei Leuten mit Benzin im Blut komme es aber durchaus vor, dass „man in seiner eigenen Welt ist, dann kommt einer und du denkst dir: Das Arschloch lass ich jetzt nicht vorbei. Das ist der Nervenkitzel.“

Seit Oktober 2017 sind Kraftfahrzeug­rennen eine Straftat, zuvor wurden sie als Ordnungswidrigkeit geahndet. Grund für die Gesetzesänderung war ein illegales Autorennen auf dem Berliner Kurfürstendamm, bei dem ein Unbeteiligter starb, während die Raser nahezu unverletzt blieben. Verurteilt wurden die beiden trotz Gegenklagen bis zum Bundesverfassungsgericht zu lebenslanger Haft wegen Mordes sowie 13 Jahren Haft wegen versuchten Mordes. Meier findet das richtig: „Das ist Selbstüberschätzung und Dummheit. Viele denken, sie sind Sebastian Vettel.“

331 Rennen

Laut Innenministeriumssprecher Patrick Knapp wurden vergangenes Jahr im Baden-Württemberg 331 illegale Autorennen zur Anzeige gebracht. Dazu zählt auch „Flucht vor der Polizei mit dem Kfz“. Wie viele solcher Rennen im Breisgau gefahren werden, ist schwer zu sagen: Weder im Freiburger Polizeipräsidium noch in der Verkehrsunfallstatistik werden die Delikte gezählt.

Aber die Flucht-Fahrten gibt es auch in Südbaden: Im vergangenen Frühjahr raste ein 31-Jähriger bei Titisee-Neustadt alleine mit bis zu 180 Stundenkilometern vor der Polizei davon und streifte dabei auch andere Autos. Schließlich kollidierte der Mann mit einem Streifenwagen und einem unbeteiligten Fahrzeug auf der Freiburger Kronenbrücke. Die Verletzungen fielen laut Polizei vergleichsweise glimpflich aus.

120 statt 50 km/h

Wo vergleichsweise harmlose Spritztouren enden können, zeigt ein aktueller Prozess am Freiburger Amtsgericht. Im Juli wurde dort ein 24-Jähriger zu 65 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt. Richterin Isabelle Göpper sah es als erwiesen an, dass sich der Sozialhilfeempfänger am 18. Februar in einem geliehenen Audi SQ5 mit 354 Pferdestärken ein Rennen mit einem weiteren SUV auf der Zähringer Straße Richtung Gundelfingen geliefert hatte.

Dabei fuhr der Angeklagte einer entgegenkommenden Polizeistreife direkt in die Arme, verlor anschließend die Kontrolle, schlitterte über eine Verkehrsinsel, riss die vordere Radaufhängung vom Wagen und crashte in einen stehenden Linienbus. Verletzt wurde niemand. „Die waren mit einer Geschwindigkeit von 120 bis 150 Kilometern pro Stunde unterwegs“, sagte einer der Polizisten aus. Auf dem Abschnitt erlaubt ist eine Höchstgeschwindigkeit von 50 sowie 30 Stundenkilometern.

„Nicht schnell wahrgenommen“

Die drei Insassen des verunfallten Fahrzeugs haben die Fahrt anders in Erinnerung: „Ganz normal, habe das nicht besonders schnell wahrgenommen“, sagten die ebenfalls als Zeugen geladenen Kumpels unisono aus. Ihr Fahrer habe lediglich einer Katze oder einem Hund ausweichen wollen. Genau hätten sie das gar nicht gesehen. Richterin Göpper erinnerte sie in Saal IX des Gerichts wiederholt an die dort geltende Wahrheitspflicht.

Dem Raser wird per Urteil außerdem der Führerschein entzogen, sechs Monate lang darf er den nicht neu beantragen. „Sie sind so schnell gefahren wie möglich. Selbst wenn Sie das andere Fahrzeug nicht kennen, reicht der Entschluss, mitzufahren“, begründete die Richterin ihr Urteil. Zugute hielt sie dem zehnfach Vorbestraften lediglich, dass kein weiteres Fahrzeug unterwegs gewesen war.

Foto: © freepik.com

863 PS: Autotuner Andreas Heindl fährt den wohl heißesten Wagen der Stadt