Wirtschaftsprüfer Mathias Hecht über das neue Bürokratiemonster Grundsteuererhebung Politik & Wirtschaft | 24.07.2021 | Mathias Hecht

Steuerberater Mathias Hecht Mathias Hecht ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Gesellschafter bei der Hecht Bingel Müller & Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Freiburg.

Es war durchaus ein Paukenschlag, als das Bundesverfassungsgericht am 10. April 2018 das bestehende Bewertungssystem im Grundsteuergesetz für die alten Bundesländer als verfassungswidrig erklärt und damit das gesamte Gesetz gekippt hatte. Die Grundsteuer basierte auf den sogenannten Einheitswerten. Im Westen Deutschlands stammten diese aus dem Jahr 1964, im Osten teilweise sogar noch aus 1935. Das Verfassungsgericht monierte diese Bewertung als veraltet und forderte eine neue Bewertung.

Dem Gesetzgeber wurde für eine Neuregelung eine Frist bis Ende 2019 gesetzt, die Umsetzung der Neureglung hat bis Ende 2024 zu erfolgen. Auf Bundesebene wurde sodann das Grundsteuerreformgesetz 2019 auch verabschiedet. In die Bewertung nach dem Bundesmodell fließen der Bodenrichtwert, die Grundstücksfläche, die Immobilienart, die Nettokaltmiete, die Gebäudefläche und das Alter der Gebäude mit ein. Ein herkömmlicher Rechenschieber wird da nicht ausreichen.

Gleichzeitig wurde eine Länderöffnungsklausel verabschiedet und den Ländern somit eine abweichende Bewertung, etwa durch ein reines Flächenmodell gestattet. Im Sommer 2020 verabschiedete das Kabinett in Baden-Württemberg, wo allein 5,6 Millionen Grundstücke neu bewertet werden müssen, ein Landesgrundsteuergesetz, das eine modifizierte Bodenwertsteuer vorsieht: Diese Bodenwertsteuer basiert im Wesentlichen nur auf zwei Kriterien: dem Bodenrichtwert und der Grundstücksgröße.

Für die neue Bewertung werden diese beiden Größen miteinander multipliziert und hierauf eine gesetzlich festgelegte Steuermesszahl angewandt. Diese ist dann wiederum von der Nutzung des Grundstückes abhängig. Zu Wohnzwecken genutzte Grundstücke etwa erhalten einen Abschlag.

Die baden-württembergische Regelung bedeutet gegenüber der Bundesregelung, die etwa Nordrhein-Westfalen eins zu eins übernommen hat, auf den ersten Blick eine erhebliche Vereinfachung. Aber wie die Bodenwerte und Grundstücksgrößen für über 5,6 Millionen Grundstücke erhoben werden sollen, bleibt eine – gelinde formuliert – bürokratische Herausforderung.

Denn für sehr viele Gemeinden und Flächen gibt es heute weder veröffentlichte noch überhaupt festgelegte Bodenrichtwerte, an denen man sich orientieren könnte. Es gibt Grundstücke außerhalb von Bodenrichtwertzonen oder welche an Zonengrenzen. Es gibt in Grundbüchern nicht oder noch nicht korrekt eingetragene Eigentümer.

Dem Vernehmen nach werden die jeweiligen Finanzbehörden den im Grundbuch eingetragenen Eigentümern die neuen Bodenwertermittlungen zusenden. Gegen diese Wert­ermittlung muss dann der Steuerpflichtige gegebenenfalls Einspruch einlegen und kann die Bodenrichtwerte von Sachverständigen überprüfen lassen. Es ist ein erheblicher Verwaltungsaufwand und zusätzlicher Zeitbedarf durch Widersprüche zu erwarten. Den Steuerpflichtigen wird meines Erachtens in dieser Sache zu viel zugemutet, im Deckmantel einer gerechten Bewertung. Umfangreiche Rechtsbehelfsverfahren sind schon jetzt vorprogrammiert. Und Immobiliensachverständigen wird eine Sonderkonjunktur beschert.

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