Kolumne Nachgewürzt: Volkmar Staub über „I had a dream“ Szene | 24.02.2021 | Volkmar Staub, chilli

Volkmar Staub

Alles wird gut. Trump ist weg, die AfD zerfleischt sich selber zu Kalbitz-Gulasch und der SC Freiburg hat endlich mal gegen Dortmund gewonnen. Im angefangenen Jahr wird das Paradies ausbrechen. Ich hab‘s geträumt und wir Stadtindianer glauben ja, dass alle Träume wahr werden.

Ich habe gesehen, wie Biden und Kamala die USA in ein antikapitalistisches, umwelt- und auch sonst freundliches Land verwandelten, die Impfstoffe waren plötzlich im Überfluss da, auch global, und wir alle kamen nochmal impflich davon.

Ich hab’ mich im Schlaf umgedreht und wohlig geschnarcht, da hat sich Putin über den Fertigbau von Nord Stream 2 und über unsere Zulassung von seiner Sputnik-V-Brühe so gefreut, dass er Nawalny freiließ und die Krim zurückgab. Der Iran hat seine Industrie auf Safranproduktion umgestellt und sein Atomprogramm gestoppt, und Israel hat seinen Mossad aufgelöst. Die Islamisten haben weltweit dem Terror abgeschworen, unsere Kneipen haben aufgehört, das wegen Schluck-Down nicht verkaufte Bier wegzuschütten und daraus hautpflegende Badewannenzusätze gemacht. Selbst die Finanzkonzerne haben ihre Bescheißereien eingestellt, und im Februar hat man die norddeutsche Eiseskälte genutzt, um bundesweit sämtliche Mieten einzufrieren.

Sogar die allgegenwärtigen Dumpfbacken haben mit der Hetze im Netz aufgehört, Xavier Naidoo hat Q-Anon abgeschworen, und wir alle haben diskriminierendes Vokabular aus unserem Sprachschatz gestrichen, selbst „Mohr-Rübe“ wurde ein Tabu. Frauen und Ossies wurden über Nacht gleich bezahlt wie die männlichen Wessies, die Flieger blieben auch nach Corona am Boden, weil wir alle eingesehen haben, dass man auch mit dem Fahrrad ganz schön rumkommt.

In Südamerika wurden die Rinderweiden wieder aufgeforstet, Fleischfabrikhöllen von Tönnies und Co. wurden geschlossen, die Tiere alle freigelassen. Ich hab’ sogar gesehen, wie Armin Laschet aus der CDU einen Karnevalsverein gemacht hat, wie Saskia Esken mit ihrer strengen Gesichtsmuskulatur die SPD wieder auf Erfolgskurs gebracht hat, und Anna-Lena wurde Bundeskanzlerin.

Leider bin ich aufgewacht. Es wird so sein, wie es Ernst Jandl sinngemäß gesagt hat: Auf ein Scheißentag folgt ein weiterer Scheißentag, auf ein Scheißenjahr ein neues Scheißenjahr. Bleibt heiter.

Volkmar Staub, geboren in Lörrach, lebendig in Berlin,
vergibt im chilli die Rote Schote am goldenen Band.

Foto: © privat