„Wir stellen keine Fragen“: Beim Freiburger Pfandleihhaus gibt es schnelles Geld Szene | 17.06.2019 | Philip Thomas

Jedes Jahr gehen Waren im Wert von mehr als 630 Millionen Euro über die Theken deutscher Pfandleihhäuser, weiß der Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes. In der Freiburger Pfandleihanstalt fließen höchstens fünfstellige Summen, die aber auch dann, wenn bei der Bank Ebbe herrscht.

Für die schnellen Deals braucht der Inhaber Fridolin Daiser nur einen Wertgegenstand, einen Ausweis – und gute Menschenkenntnis.

Legt wert auf menschlichen Umgang: Fridolin Daiser.

„Zu uns kommen Leute, die bei der Bank nichts mehr bekommen“, sagt Geschäftsführer Daiser. Ob jemand Schulden oder einen Schufa-Eintrag hat, interessiert den gelernten Betriebswirt nicht. Bis zu 10.000 Euro zahle er für abgegebene Kostbarkeiten. Aus Sicherheitsgründen – und um den Barbestand im Laden gering zu halten – gingen solche Summen aber nur als Scheck oder Überweisung raus. Alle Kredite seien in wenigen Minuten abgewickelt und haben nach dem deutschen Pfandrecht eine verlängerbare Rückzahlfrist von bis zu drei Monaten. „Es ist alles genau festgelegt“, sagt der 69-Jährige.

95 Prozent der eingelagerten Gegenstände werden laut Daiser wieder rechtzeitig abgeholt. „Die Leute hängen an ihren Sachen“, sagt er. Dabei handle es meistens um teure Uhren, Schmuck und Gold. Um die Echtheit der Edelmetalle zu prüfen, greift Daiser auf sein Auge, elektronische Testgeräte und sogar Säure zurück. „Es ist praktisch nicht möglich, uns zu übertölpeln“, sagt er. Als Pfand aber lehnt er elektronische Geräte ab: „Ein Handy ist nach einem halben Jahr nicht mal mehr die Hälfte wert.“ Auch Trödel bekomme er so gut wie nie angedreht. „Uns wurden allerdings schon Brautkleider und teure Nordic Walking-Stöcke angeboten“, erzählt seine Frau Brigitte.

Geld ohne Gegenleistung habe ihr Mann nur einmal gewährt: „Vor einiger Zeit kam ein Musikstudent zu uns in den Laden, der brauchte dringend 50 Euro und hat uns dann etwas vorgesungen“, erinnert sie sich. Ohne Sicherheiten habe ihm Daiser das Geld in die Hand gedrückt. Zwei Wochen später bekam er den Schein wieder. Neben Studenten kämen Hausfrauen, die sich am Spielautomaten verzockt hätten oder Leute, die Tierarztoperationen oder unerwartete Rechnungen überbrücken müssten. Insgesamt zählt Daiser 700 Stammkunden, darunter viele Freiberufler und Menschen ohne geregeltes Einkommen sowie zahlreiche Rentner, denen am Monatsende 100 Euro für die Miete fehlen.

Allerlei, das Bares bringt: Blick in die Pfandleihe Freiburg

„Chaoten kommen zu uns nicht in den Laden“, betont er. Trotzdem sei Fingerspitzgengefühl gefragt, sobald Kundschaft das gesicherte Gebäude in der Freiburger Schreiberstraße betritt: „In dem Beruf muss man Menschenkenner und Psychologe sein. Viele Besucher sind anfangs sehr nervös und schämen sich.“ Er versuche dann, das Eis mit einem Spruch zu brechen. Bei deutschen Kunden sei diese Hemmschwelle oft höher als bei ausländischen Besuchern: „Hierzulande hat Pfandleihe noch etwas Anrüchiges, in anderen Nationen ist das ganz anders.“

In dem Moment betritt eine junge Frau im Trainingsanzug die Leihanstalt. In der Tasche hat sie eine Goldmünze und möchte dafür 160 Euro. Schnell ist der funkelnde Gegenstand untersucht und das Geschäft nach Vorzeigen eines Ausweises per Unterschrift und Handschlag besiegelt. Daiser taxiert den Wert sogar auf 500 Euro. Was das für eine Münze sei und wozu das schnelle Geld gebraucht werde, kann die Dame in Nylon auf chilli-Nachfrage nicht sagen: „Ich erledige das nur schnell für meine Eltern.“ Der Pfandleiher ist da zurückhaltender: „Wir stellen keine Fragen.“

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