Tristesse trifft Optimismus: Liedermacherin Laura Braun gewinnt Kleinkunstpreis STADTGEPLAUDER | 25.03.2022 | Till Neumann
Das Potenzial für eine große Karriere bescheinigt ihr die Jury des Kleinkunstpreises Baden-Württemberg. Sie hat der Freiburgerin Laura Braun unlängst den mit 2000 Euro dotierten Förderpreis verliehen. Es läuft für die 28-Jährige. Und das, obwohl sie noch keinen Song in Studioqualität aufgenommen hat.
„Der Preis kam sehr unverhofft“, erzählt Laura Braun am Telefon. Sie hatte sich für den Kleinkunstpreis beworben. Mit dem Blick auf bisherige Preisträger·innen aber ohne Hoffnungen auf eine Auszeichnung. Dann platzte die Info rein, dass sie es für den Förderpreis geschafft hat. Sie „berührt mit deutschen Chansons“, schreibt die Jury. „Eine Liedermacherin, die alles mitbringt, was Frau für eine Bühnenkarriere braucht: Studium der Musikwissenschaften, Gesangsausbildung, Pianistin und ein feines Gespür für die Geschichten, die das Leben schreibt.“
Die Auszeichnung bedeutet Braun viel: „Das ist schon wichtig, der Markt ist sehr gesättigt, es gibt viele Musikerinnen wie mich.“ Der Preis zeige ihr, auf dem richtigen Weg zu sein. Ihre Musik schreibe sie zwar erst mal für sich selbst. Dann schaue sie aber schon, wie die Resonanz beim Publikum ist. Gerade Frauen seien mehr zu Selbstzweifeln sozialisiert. „Im Rock-Pop-Bereich gibt es wahnsinnig wenige Frauen, es fehlen Vorbilder“, sagt Braun. Dennoch ist das Selbstbewusstsein da: „Das Lob der Jury würde ich unterschreiben.“
Eine Glückssträhne scheint die Singer-Songwriterin derzeit zu haben. Im September gewann sie einen Musikwettbewerb des Sozialverbands Deutschland zum Thema „Wie groß ist dein Armutsschatten“. Mit ihrem Lied „Nullsummenspiel“ erzählte sie die Geschichte eines Mädchens, das seine Mutter fragt, warum die anderen Kinder mehr haben als es selbst. Das Video zeigt sie im Homestudio am Klavier. Sie singt und begleitet sich selbst auch mit der Melodica. 5000 Euro Preisgeld gab es für diese Auszeichnung.
Studiert hat Braun Musikwissenschaften. Den Abschluss machte sie noch vor der Pandemie. Bis vor Kurzem arbeitete sie aber in einem Callcenter. „Anfang des Jahres habe ich meinen Job an den Nagel gehängt“, erzählt sie. Die Preisgelder seien als Puffer Gold wert. Ihr Studio hat sie damit aufgerüstet – unter anderem mit einem virtuellen Flügel und einem Rechner. Genutzt werden soll die Technik für die Aufnahmen ihres Debütalbums. Damit möchte sie noch im März starten.
Bisher hat die Freiburgerin lediglich Live-Mitschnitte veröffentlicht. Ein professionelles Musikvideo lässt noch auf sich warten. Über Wasser hält sie sich auch als Hochzeitsmusikerin und mit einem Job als Referentin bei der Diakonie. Ihr Ziel ist klar: von und für die Musik leben. Dafür greift ihr Jonas Vogelbacher unter die Arme. Er ist ihr Freund und kümmert sich um Technik, Vermarktung und Videos. „Er hat mich darauf gebracht, Musik rauszubringen“, berichtet Braun. Es sei Verschwendung, ihre Konzerte nicht aufzunehmen, habe er ihr gesagt und das in die Tat umgesetzt. „Das klang gar nicht so schlecht“, erzählt die Musikerin.
Ihr Weggefährte hält große Stücke auf sie: „Als ich sie zum ersten Mal gehört habe, hatte ich Tränen in den Augen“, erzählt Vogelbacher. Sie sei unermüdlich kreativ und erzähle lebensnahe Geschichten, mit denen sich fast jeder identifizieren könne. Sie habe jedoch nie die Ambition gehabt, sich selbst zu vermarkten. „Sie hat kein Interesse an der Musikindustrie.“ Das versucht der 33-jährige Student der Sozialen Arbeit zu kompensieren.
Aufgewachsen ist Laura Braun an der Ferdinand-Weiß-Straße in Freiburg. Ihre Eltern brachten ihr früh die Musik nahe, doch leicht sei es nicht gewesen. „Wir hatten kaum Geld, ein paar hundert Meter weiter wurde mit Heroin gedealt, als ich zwölf war, ist mein Vater gestorben.“ Einen dunklen Touch bringe das in ihre Musik. Zu hören auch im Song „Sterben“, den sie im Februar als Live-Mitschnitt veröffentlicht hat. „Was ist, wenn ich mal sterbe und das, was ich der Welt vererbe, nur ein Haufen Müll ist?“, fragt sie da zu einem melancholischen Piano.
Mit zwölf Jahren hat sie auch ihr erstes Lied geschrieben. Seitdem sie 18 ist, spielt sie Konzerte. Für Herbst plant sie ihr Debütkonzert im Freiburger E-Werk. Dann kann die mit Lorbeeren geschmückte Liedermacherin zeigen, wie gut sie eine größere Bühne beherrscht. Auftreten wird sie möglicherweise auch mit Begleitung. Doch im Zentrum steht auch dann sie. Mit ihren Geschichten und Melodien. Songs mit Tristesse, die dennoch Leichtigkeit und Optimismus ausstrahlen.
Fotos: © Jigal Fichtner, Ellen Kienzler