Downshifting: Wie Sarah Al-Subaey von der Karrierefrau zum Yogi wurde STADTGEPLAUDER | 27.02.2018 | Annkathrin Pohl

Ein großer Ausfallschritt, die Arme über den Kopf gestreckt, die Fingerspitzen zeigen zur Decke. Für Sarah Al-Subaey beginnt so ein perfekter Tag. Wie andere ihren Kaffee, braucht die 29-Jährige morgens ihre Yogaübungen. Vor einem Jahr wäre dieser entspannte Start in den Tag für sie noch unmöglich gewesen. Als leitende Rechtsassistentin in einer internationalen Kanzlei in London drehte sich ihr Leben nur um Beruf und Karriere.

Was dann folgte, könnte auch einem Hollywoodfilm entstammen: Al-Subaey nimmt eine Auszeit in einem buddhistischen Kloster in Nepal – und beschließt, ihr Leben komplett umzukrempeln. Heute studiert sie Psychologie in Freiburg und hat ihr eigenes Yogastudio eröffnet.

Armani-Kostüm und Chanel-Aktentasche, Blackberry und Louboutins: Wenn man Al-Subaey heute sieht, wie sie mit nackten Füßen und entspannter Mine auf einer Yogamatte ihre Übungen macht, ist es schwer, sie sich als ehrgeizige Karrierefrau vorzustellen. Überstunden, Arbeit am Wochenende, Leistungsdruck. Das war vor einem Jahr noch ihr Leben.

Vor ein paar Monaten hat sie diesem Leben den Rücken zugekehrt. Seit vergangenem November betreibt sie ihr Yoga-Studio. Downshifting nennt es sich neudeutsch, wenn Menschen aus dem beruflichen Hamsterrad aussteigen und ihr Lebensglück über die Karriere stellen. Nicht jeder reist dazu in ein buddhistisches Kloster und wird Yogi. Weniger Überstunden, Teilzeitarbeit oder ein Jobwechsel sind häufigere Strategien, um übermäßigem Leistungsdruck ein Ende zu machen.

Bei Al-Subaey war der Ausstieg dramatischer: neuer Job, neue Stadt, neue Existenz. Am Anfang habe sie Panik geschoben, weil sie ihre Karriere aufgegeben hatte: „Ich habe realisiert, dass ich jetzt nicht mehr in einer Metropole wohne und war mir anfangs unsicher, ob ich das wirklich will.“ Mittlerweile hat sich ihr Leben in Freiburg eingependelt. Das einzige, das sie vermisst, ist der internationale Austausch. „Es ist hier halt alles ruhiger.“

Schon als Teenager sei es ihr Traum gewesen, Karriere zu machen. „Ich mochte das Image einer Karrierefrau, aber während meiner Zeit in London habe ich gemerkt, dass ich nicht so ein Mensch bin“, sagt sie rückblickend. Nach dem Abitur in Freiburg zieht es Al-Subaey in die Ferne: Sie studiert „International Relations“ in Dubai, danach folgt New York und schließlich London. Obwohl die Tochter eines Saudis und einer Schwarzwälderin schon als Kind Yoga gemacht hat, spielt die indische Lehre in ihrem Erwachsenenleben lange Zeit keine Rolle.

Erst im Berufsalltag entdeckt Al-Subaey sie wieder – allerdings rein unter dem Fitnessaspekt. Als sie in der Kanzlei wegen der vielen Überstunden freinehmen muss, weiß sie erst gar nicht, was sie mit der freien Zeit anfangen soll. Denn auch in ihrer Freizeit ist sonst jede Minute durchgeplant. Spontan entscheidet sie sich für einen Yoga-Intensivkurs in Nepal.

Dort beschäftigt sie sich viel mit sich selbst. Aber natürlich auch mit Yoga und wie man es therapeutisch einsetzen kann. So soll Yoga helfen, traumatische Ereignisse zu bewältigen. Al-Subaey beschließt, ihr altes Leben hinter sich zu lassen und sich dafür auf Yoga, auch in therapeutischer Form, zu fokussieren. „Es war, als hätte es einfach Klick gemacht.“

Die ersten Schritte in diese Richtung sind gemacht. Auch ihre Mutter unterstützt sie auf ihrem neuen Weg: „Ich bin sehr dafür, dass wir unseren Berufungen folgen, damit wir ein zufriedenes Arbeitsleben haben.“ Neben der Leitung ihres eigenen Yogastudios studiert die ehemalige Karrierefrau nun Psychologie, um in Zukunft therapeutisches Yoga anbieten zu können oder vielleicht eine eigene Therapieform zu entwickeln. Ihre Karriere sei noch nicht vorbei, sondern würde jetzt nur eine andere Richtung nehmen. „Ich weiß noch nicht genau, wo es hingeht, aber ich merke, das ist der richtige Weg für mich.“

Fotos: Annkathrin Pohl