Sex, Instagram und ein Unfall: Bestseller-Autor Michael Nast philosophiert im Paulussaal 4Event | 21.03.2024 | Till Neumann

Intime Einblicke und Lebensweisheiten: Erfolgsautor Michael Nast hat im Paulussaal gelesen

Viele Lacher und etwas Stoff zum Nachdenken: Der Berliner Michael Nast hat am Dienstag sein siebtes Buch im Paulussaal Freiburg vorgestellt. Vor rund 700 Leuten war der Bestseller-Autor („Generation Beziehungsunfähig“) zum Scherzen aufgelegt – und bot mit sechs Texten Einblicke in sein rasantes Single-Leben. Seine Erzählbär-Anekdoten verknüpfte er mit Lebensweisheiten. Das kam bei vielen an. Manche machten zur Pause aber die Biege.

Nerv getroffen

„Wer war schon einmal bei einer Lesung von mir?“ Mit der Frage stieg Michael Nast in den Abend ein. Und entdeckte im gut gefüllten Paulussaal nur einen gestreckten Arm. „Nur eine Person, bitter für einen Schriftsteller“, fasste er zusammen und hatte die Lacher auf seiner Seite. Der Ton des Abends war gesetzt.

Im Februar hat Nast sein Buch „Weil da irgendwas fehlt“ veröffentlicht. Sein siebtes, wie er klar stellte. Ein Star geworden ist er 2016 mit dem Werk „Generation Beziehungsunfähig“, es hielt sich monatelang in der Spiegel-Bestseller-Liste – und wurde 2021 mit Frederick Lau verfilmt. Nast traf einen Nerv. Die Einblicke in sein bewegtes Single-Leben kamen an – Nast schaffte es, sie geschickt mit Life-Coaching-Tipps zu verbinden.

Selfies und Dopamin

Das ist noch immer so. Sein neues Buch handelt von „Liebe, dem Leben und Missverständnissen.“ Konkret geht es beispielsweise um einen Radunfall, bei dem Nast fast gestorben wäre. Den Text liest er mit samtener Reibeisen-Stimme in Freiburg vor vielen Menschen zwischen 30 und 50: Wie er stürzt, dadurch ein Date verpasst, im Krankenhaus landet, ein Selfie postet – und vom Dopamin getrieben den Tag am Handy verbringt, um die Reaktionen zu verfolgen.

Auf seine Story folgt die Analyse: Der Social-Media-Bann hat auch ihn im Griff – und krempelt unser Leben um. Lohnt es sich, so viel Zeit und Energie in Postings zu stecken? Nast sagt nein, bekennt sich aber dazu, selbst mit dem „digital Detox“ nicht gut klarzukommen. Vielen ist er auch bekannt durch seine Videoposts. Allein 346.000 Menschen folgen ihm auf Instagram.

„Bisschen too much proll“

Nast scheut sich nicht vor intimsten Einblicken: Er erzählt, wie eine Siebzigjährige ihn anmotzt, weil sie im Hintergrund auf einem Selfie zu sehen ist – und ihm vorwirft, er würde sich darauf einen runterholen. Er erzählt, wie Romanzen skurille Wendungen nehmen: Eine Frau macht irritierende Bemerkungen beim Sex, eine andere legt ihre eigenen Bücher in Buchhandlungen über seine – aber sie schlafen trotzdem miteinander. Will man das wirklich wissen?

Gelacht wird viel an dem Abend. Auffälligerweise sind die Stimmen oft weiblich. Die Trefferquote ist dort höher als bei den männlichen Gästen. Zweifelsohne, Nast hat Humor und eine charmant-witzige Art. Er spricht Themen an, die neugierig machen. Man merkt bei der Lesung aber auch: Der Mann hört sich selbst gerne zu. Für einige ist das weniger amüsant. „Wir haben’s nur bis zur Pause ausgehalten“, erzählt eine Freiburgerin nach dem Abend. „Bisschen to much proll und Narzismus … aber der Versuch war’s wert“, so ihr Empfinden.

Moment mit der Familie

Die stärksten Momente hat Nast, wenn er den Date-Hype-Insta-Kosmos verlässt. Am Ende liest er einen Text über ein Familientreffen. Dort kommt die Frage auf: „Wie wäre es, wenn wir uns heute zum letzten Mal sehen würden?“ Seine Mutter und er sagen sich, dass sie sich lieb haben. Das sei eh zu selten der Fall, so Nast. So mancher im Saal dürfte bei der Frage ins grübeln kommen – und einen Denkanstoß mitnehmen. Ein Life-Hack-Tipp, der auskommt, ohne Intimes über andere auszuplaudern, das tut dem Abend gut.

Und noch ein Tipp des Autors bleibt hängen: Wenn eine Beziehung nicht laufe, sollte man nicht nur vom anderen erwarten, etwas zu ändern. Sondern bei sich selbst anfangen. Und um sich besser zu verstehen, brauche es drei Meinungen: Die eigene, die von jemandem, der einen gut kennt und schätzt – und von jemandem, der einen kritisch sieht.

Hoffnung für Hoffnungslose

Möglicherweise gehen die Meinungen über die Qualität des Abends auseinander. Kurzweilig ist das aber zweifelsohne – und Nast ein Entertainer mit einem Gefühl für Pointen. Einen Text über Berliner Singles münzt er spontan auf Freiburg um – und landet auch hier Treffer. Wer beziehungsfähiger werden will, bekommt an dem Abend wohl wenig Hoffnung. Wer sich eh für hoffnungslos beziehungsunfähig hält, könnte mit dem Gefühl nach Hause gehen: Ich bin nicht ganz so allein wie vielleicht gedacht.

Fotos: © Till Neumann