Zwischen Party und Melancholie: Paula Hartmann auf dem ZMF 4Event | 21.07.2023 | Pascal Lienhard

Paula Hartmann auf dem ZMF

Bei den ersten Songs könnte sie sich eigentlich zurücklehnen. Kaum ist Paula Hartmann auf die Bühne gesprintet, übertonen ihre Fans sie schon. Im ausverkauften Spiegelzelt des ZMF hat die Hip-Hop-Newcomerin eine fette Show hingelegt. Einige ihrer Songs animieren zum Feiern – auch wenn die Lyrics meist ziemlich bedrückend sind.

„Um fünf dann im Bus Richtung abgefuckt sein, Dusche, putz’ Zähne und Aspirin rein, Haare nach hinten, die Stimme ist tief, ich war noch nie verliebt“: Mit „Nie verliebt“, einem düsteren Song über eine durchzechte Nacht, trat die Hamburger Jurastudentin Paula Hartmann im Sommer 2021 ins Rampenlicht. Bis dahin als Schauspielerin bekannt, ging es für die gebürtige Berlinerin seitdem mit mehreren Kollaborationen und einem gefeierten Debüt-Album stetig bergauf.

Große Freiburger Fan-Base

Mehr als acht Millionen Streams haben Hartmanns Tracks auf Spotify. Viele der Klicks dürften auf Freiburger Konten gehen: Bereits im Mai hat die Newcomerin das Jazzhaus komplett gefüllt, auch das Spiegelzelt des ZMF ist bis auf den letzten Platz ausverkauft. Die weiblichen Fans sind in der Mehrheit, der Großteil der Besucher*innen ist nicht älter als 25 Jahre. Schon beim Opener, den beiden Parts von „Fahr uns nach Hause“, singt die erste Reihe jedes Wort mit.

Paula Hartmann auf dem ZMF

Textsicher: Die Fans von Paula Hartmann übernehmen auch mal eine Hook

Einigen dürfte Hartmann dank Kollaborationen mit anderen Künstlern ein Begriff sein. Bereits als dritter Song steht in Freiburg „Kein Bock“ auf der Setlist. Die Nummer hat sie mit dem Berliner Rapper Luvre47 aufgenommen. Dessen Hook übernimmt das textsichere Publikum problemlos. Bei anderen Features wird das schon schwieriger. Gerade Tracks wie „Geruch von Koks“ oder „Kein Happy End“ leben vom Kontrast von Hartmanns Stimme und den Parts von Haftbefehl beziehungsweise Casper.

Keine Stangenware

Die Künstlerin bewegt sich irgendwo zwischen Pop und Hip-Hop. Musikalisch ähneln sich viele der Songs stark. Erkennungsmerkmal sind neben der kratzigen Stimme die zum Teil ziemlich melancholischen Lyrics. „Neunzehn, aber Workload zweimal nine-to-five, Bettwäsche aus Lein, aber zum Schlafen keine Zeit“ heißt es auf „Veuve“, „Sechs Kugeln in dei’m Lauf mit meinem Namen drauf, komm, jetzt gib mir schon den letzten Satz“ auf „Kugeln im Lauf“ – gute Stimmung geht anders. Mit austauschbarer Radio-Stangenware hat das wenig zu tun.

Paula Hartmann auf dem ZMF

Newcomerin mit bedrückenden Lyrics: Für Paula Hartmann ging es in den vergangenen zwei Jahren steil nach oben

Während das Zelt weiter hinten dank Lüftung angenehm temperiert ist, steigt die Temperatur mit jedem Schritt nach vorne. „Wer meint, dass es hier heiß ist, war nicht im Jazzhaus“, witzelt die Sängerin. Die Temperaturen halten das Publikum nicht davon ab, bei Tracks wie dem treibenden „Babyblau“ ordentlich mitzufeiern. Zum Highlight wird „Nie verliebt“. Auf der Konserve kommt die Single mit schwerem und schleppendem Soundgewand daher. In Freiburg spielt die Künstlerin den Song am Piano – was ihm eine neue Note verleiht.

Gegen übergriffiges Verhalten

Einen weiteren Hit hebt sich Hartmann bis fast zum Schluss auf. Im Song „3 Sekunden“, einem Feature mit Sängerin und Rapperin Céline, geht es unter anderem um mangelndes Bewusstsein für übergriffiges Verhalten: „Eine Hand an mei’m Arsch, aber alles nur Spaß, Mama hat uns gewarnt: „Das ist alles normal“, Doch was weißt du davon?“, singt die Künstlerin. Das Thema beschäftigt Hartmann: Deutlich formuliert sie in einer Ansage ihr Unverständnis gegenüber jenen, die nach wie vor Mitgliedern der Band Rammstein mehr Glauben schenken als den Frauen, die diesen missbräuchliches Verhalten vorwerfen.

Gegen Ende macht Hartmann ihren Fans ein Geständnis: Auf der kommenden Tour wird sie keinen Halt in Freiburg machen. Dafür ist das Publikum in den Genuss von vier neuen Songs gekommen. Wenn die Sängerin vielleicht auf der übernächsten Tour wieder hier Halt macht, werden bestimmt auch diese Tracks Wort für Wort mitgesungen.

Fotos: © Pascal Lienhard