Buchrezi: Unmöglicher Abschied – Ein Alptraum aus Schnee 4Literatur & Kolumnen | 01.03.2025 | Erika Weisser

Unmöglicher Abschied

Als die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang im Dezember 2024 den Literatur-Nobelpreis erhielt, war die deutsche Übersetzung ihres jüngsten Romans noch nicht auf dem Markt; sie erschien erst eine Woche später. In ihrer Preisrede in Stockholm deutete sie indessen an, dass „Unmöglicher Abschied“ eine Art Schneetraum sei.

Der wird allerdings zum Alptraum. Geht es zunächst noch um eine offenbar schwierige Freundschaft zwischen zwei einsamen, weit voneinander entfernt lebenden Frauen, so kommt nach und nach ein bis heute verdrängtes Kapitel der Geschichte des Landes ans Licht: Auf der Insel Jeju, wohin die Ich-Erzählerin Gyeongha von Seoul aus im Schneetreiben reist, um den kleinen weißen Vogel ihrer einzigen, wegen eines Unfalls im Krankenhaus internierten Freundin Inseon zu versorgen, findet sie bald Spuren eines ungeheuerlichen Verbrechens: 1948 wurden auf der Insel mehr als 30.000 Menschen von staatlichen Einsatzkräften ermordet, als sie gegen die von der Regierung eingesetzte rechtsgerichtete Inselverwaltung demonstrierten.

Inseons Angehörige waren unter den Opfern, ihre Familiengeschichte ist eng mit diesem Massaker verknüpft. Und auf einmal versteht Gyeongha die oft schroffen Reaktionen der meist unnahbaren Freundin.

Unmöglicher Abschied

Unmöglicher Abschied
von Han Kang
Übersetzung: Ki-Hyang Lee
Verlag: Aufbau 2024
315 Seiten, Hardcover
Preis: 22 Euro