Das „bierernste“ chilli-Horoskop: Die „Person of the Year“-Edition von Philip Thomas 4Literatur & Kolumnen | 31.12.2023 | Philip Thomas

Horoskop

Vor lauter toller Personen sieht chilli-Gast-Orakel Pascal Lienhard schon Sterne. Nach mehr oder weniger fokussiertem Studium der Himmelskörper verrät er, wie es um unsere Zukunft so steht.

Widder-1

2023 war schlimm genug. Jetzt hat das Time Magazine auch noch Taylor Swift zur Person des Jahres gewählt. In zwei Jahren wird man über sie reden wie über den Bitcoin: erfolgreich, weil jeder gesagt hat, dass sie erfolgreich ist. Aber nicht blöd, sämtliche Alben noch mal auf den Markt zu werfen, weil 250 Euro pro Konzertkarte anscheinend nicht genug Kohle sind.

Stier-1

2021 packte das Time Magazine Elon Musk auf den Titel. Vielleicht war das zu viel für sein Ego: Seitdem hat der Milliardär nämlich 44 Milliarden Dollar für die digitale Dreckschleuder Twitter (neuerdings „X“) ausgegeben, dort zahlungskräftige Werbekunden beleidigt, ein grausiges Mondfahrzeug auf die Straßen gebracht und neue Raketenstarts in den Sand gesetzt.

Zwilling-1

Es war auch nicht das Jahr der 2019 prämierten Greta Thunberg. Normalerweise wachsen Aktivisten im Gegenwind, manchmal sollte man nach lauter Kritik aber auch die Segel streichen, bevor es zum Sturm kommt und die eigene Klima-Bewegung kentert. Vorschlag für eine neue Überschrift: „Schuster, bleib bei deinen Leisten.“

Krebs-2

2016 starrte Donald Trump grimmig vom Time-Cover. An dieser Stelle die Erinnerung, dass die Auszeichnung an Personen aufgrund ihrer Einflussnahme – positiv wie negativ – auf das Weltgeschehen vergeben wird. Bereits 2007 ging das Cover übrigens an einen gewissen Wladimir Putin. 1938 an Adolf Hitler und 1939 sowie 1942 an Joseph Stalin.

Loewe-1

2013 kam Papst Franziskus auf den Titel. Auch weil der damals 77-Jährige für die Erneuerung der gealterten Kirche stand. Jüngst sorgte der Heilige Vater mit einem Brief für Aufsehen, wonach die Deutschen drohen sich wegen ihrer Reformen von der Weltkirche zu entfernen. Er ist eben doch nicht päpstlicher als der Papst.

2015 ging die Ehre an Angela „Wir haben das schon immer so gemacht“ Merkel. Damit übertrumpfte die Kanzlerin Kandidaten wie den „auch eher konservativen Typen“ Abū Bakr al-Baghdādī. Seines Zeichens Anführer der dschihadistisch-salafistischen Terrororganisation Islamischer Staat, der in Gottes Namen jede nur erdenkliche Sünde begangen hat..

Waage-1

2005 war ein großer Kindergeburtstag. Jeder war ein Gewinner, schließlich hieß der Sieger des „Time‘s Person of The Year“ schlicht „You“. Gemeint waren damit die unzähligen Kreativen im World Wide Web. Wobei: Die Auszeichnung würde sich ja schon ganz gut machen. Im Lebenslauf. So zwischen „Zivildienst Kita Kleine Löwen 2004“ und „Erasmus-Semester Portugal 2006“.

2010 ging die Titelseite an jemanden, der den Niedergang des Print mitzuverantworten hat: Mark Zuckerberg. Damals war Facebook auch noch cooler und keine nahezu ausgestorbene Boomer-Plattform für Tiraden von peinlichen Onkels. Aber er geht ja mit der Zeit. Zehn Jahre später sollen wir uns seinen Werbe-Algorithmus im „Metaverse“ via 3D-Brille direkt in die Netzhaut brennen.

Schuetze-1

Gerade noch beschimpft, gestern noch gefeiert. 1966 wurde die noch junge „Baby-Boomer“-Generation zur Person des Jahres gekürt. Vielleicht an dieser Stelle ein Plädoyer für Waffenstillstand zwischen Jung und Alt, woken Lifestyle-Linken und alten, weißen Männern: Wir alle waren mal jung.

Steinbock-1

Erstmals vergeben wurde der Titel „Time‘s Person of the Year“ übrigens im Jahr 1927. Sieger damals: Charles Lindbergh. Der Pilot flog als Erster von New York  über den Atlantik nach Paris. Ein Jahr später ging der Titel an Walter Chrysler, Pionier der Automobilindustrie. Oh, wie sich die Zeiten geändert haben.

Wassermann-1

1988 gabs keine Person, sondern den Titel „Planet of the Year“. Sieger dieses Sonnensystems wurde völlig überraschend die bedrohte Erde, „Endangered Earth“. Und das noch vor Merkur, Venus, Jupiter, Saturn, Uranus und sogar Neptun. Möglicherweise war die ausschließlich aus Erdlingen bestehende Jury auch ein wenig parteiisch?

1982 war es keine Person und kein Planet, der das Rennen um den Titel „Person oft the Year“ gewannt – sondern „der Computer“. Klingt erst mal merkwürdig. Aber weil KI und Maschinen die Menschheit in wenigen Jahren unterjochen, dürfte der Titel bald in schöner Regelmäßigkeit an den stolzen Sieger von 1982 gehen.

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