Nachgewürzt! – Schönmalerei 4Literatur & Kolumnen | 30.09.2025 | Philip Thomas
Dingen einen gewissen Anstrich verpassen kann der Ami. Deswegen heißen kontroverseste Gesetze jenseits des Teichs „Patriot Act“ (Stärkung der Geheimdienste auf Kosten der Bürgerrechte) oder „Big Beautiful Bill“ (Staatsverschuldung, Abbau von Sozialprogrammen, Verlust von Krankenversicherungen). Über den Inhalt fragwürdiger Software wird derweil kaum gepinselt: „Palantir“ und „Gotham“ heißen Polizeiprogramme „Made in USA“, die bald auch in Baden-Württemberg zum Einsatz kommen sollen.
Den Palantír kannten Fantasy-Fans bisher nur aus dem Tolkien-Universum: Einst waren die „sehenden Steine“ dort ein bedacht eingesetztes Instrument der Hochkultur Númenórs, um Bilder von einem Stein zu einem anderen zu übertragen und Wohlstand zu sichern. Aber eben nur so lange, bis Sauron, der dunkle Herrscher, die Kugeln missbrauchte, um geringeren Geschöpfen seinen Willen aufzuzwingen und sie letztendlich zu kontrollieren.
Ein geradezu zynischer Name also für Software, die mittels künstlicher Intelligenz Verbindungen zwischen – im besten Fall – Verbrechern aus Aktenbergen, Social-Media-Posts oder Fotos aufzeigen soll. Man muss keinen Lehrstuhl für Philologie innehaben, wie Tolkien, um sich zu fragen, ob der Missbrauch einkalkuliert wird.
Die grün-schwarze Landesregierung hat das Palantir-Programm trotzdem bestellt. Und zwar nicht aus Tolkiens beschaulichem Mittelerde, sondern von einer US-Firma, an der auch der Tech-Milliardär, Trump-Vertraute und – nennen wir ihn mal – „Demokratieskeptiker“ Peter Thiel beteiligt ist.
Apropos Milliardär mit zwielichtiger Seite: „Gotham“ ist nicht nur der Titel eines ebenfalls bestellten Programms, das verdächtige Muster in Sachen Terrorabwehr, Grenzsicherheit oder Finanzkriminalität erkennen soll, sondern Comic-Kennern bekannt als die kriminalitätsgeplagte Metropole, die seit 1941 unter dem Schutz des Superhelden Batman steht.
Hinter dessen Maske steckt der ebenfalls schwerreiche Bruce Wayne. Ein fiktiver Mann, der im Gegensatz zu Thiel ganz genau weiß, wie leicht absolute Macht korrumpiert und sich daher auch moralisch-technische Grenzen setzt. Etwa beim Thema Spionage: Als der Erzfeind Joker in „The Dark Knight“ geschlagen ist, gibt Batman seinen übermächtigen Überwachungsapparat freiwillig auf.
Einen Superhelden, der es mit einem unberechenbaren Clown mit viel Farbe im Gesicht aufnimmt, könnten wir gerade sehr gut gebrauchen.
Philip Thomas
Foto: © tln










