Zurück zum Dialog – Interview mit dem neuen PEN-Präsidenten José F. A. Oliver 4Literatur & Kolumnen | 29.11.2022 | Erika Weisser

José Oliver Zuversichtlich: PEN-Präsident José Oliver sieht sich als Fährmann im Erneuerungsprozess.

Im Oktober wurde der Hausacher Lyriker und Essayist José F.A. Oliver zum Präsidenten des PEN Zentrums Deutschland gewählt. Dieses war im Frühjahr nach vielen Querelen auseinandergebrochen. Oliver, oft gesehener Gast im Literaturhaus Freiburg, sprach mit der cultur.zeit über seine Entscheidung und Ziele.

cultur.zeit: Haben Sie es sich gut überlegt, dieses Amt zu übernehmen?

Oliver: Ich hatte viel Zeit, die Entscheidung reifen zu lassen, auch im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen. Es wird ja eine gemeinsame Aufgabe sein, den PEN Deutschland wieder in ruhigere Fahrwasser zu begleiten. Als Erstes gibt es im Januar eine Klausurtagung mit allen neu gewählten Verantwortlichen, um die augenblickliche Wirklichkeit gründlich zu betrachten, sie strukturell zu bewerten und den Verband mit erneuertem Auftritt und mit poetischer Kraft in die Zukunft zu gestalten. Sachlich und vor allem: als Team. Dabei konzentrieren wir uns auf das Wesentliche, scheuen aber auch nicht vor Veränderungen zurück. Das soll auch durch die stärkere Präsenz des literarischen Lebens zum Ausdruck kommen. Es gibt so großartige literarische und journalistische Stimmen innerhalb des PEN!

cultur.zeit: Was sind die eigentlichen Aufgaben des PEN?

Oliver: Es geht um die Freiheit des Wortes in all ihren Erscheinungsformen. Diese Freiheit ist jederzeit und  in viel zu vielen Ländern bedroht. Deshalb ist das Engagement für Schreibende, die inhaftiert sind oder verfolgt werden, eine fundamentale Aufgabe. Diese Schwerpunkt-Arbeit ging und geht übrigens unabhängig von den Querelen selbstverständlich und mit Entschiedenheit weiter, mit den Programmen „writers-in-prison“ oder „writers-in-exile“. Das PEN Zentrum ist ja auch eine politische Institution, eine kultur- und gesellschaftspolitische Notwendigkeit! Ein
Kompass für die demokratischen Grundprinzipien und das Rückgrat unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens – jenseits aller Grenzen, gegen jede Diskriminierung.

cultur.zeit: Was liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Oliver: Die unumstößliche Verteidigung des freien Wortes – mit Respekt und Würde. Nicht Dogmen und Ideologien, sondern Sachlichkeit ist gefragt. Wider jegliche Eitelkeiten.

cultur.zeit: Eitelkeiten und Differenzen gibt es nicht erst seit der Spaltung und der Gründung von „PEN Berlin“. Sind Sie ein Brückenbauer, der die verschiedenen Gruppen zusammenbringen kann?

Oliver: Zunächst möchte ich ausschließlich von der „Berliner Vereinigung“ sprechen. Es gibt bis dato lediglich einen einzigen PEN in Deutschland; bei der Berliner Vereinigung liegt ja keine Anerkennung seitens des Internationalen PEN vor. Umso mehr gilt es, die Situation in jeder Hinsicht ernst zu nehmen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Lieber als das Bild der Brücke ist mir allerdings das Bild der Fähre. Ich baue lieber Fähren, die bestiegen werden können. Fähren sind in aller Regel in Bewegung.

cultur.zeit: Welche besonderen Fähigkeiten bringen Sie in diesen bewegten Erneuerungsprozess ein?

Oliver: Gute Frage. Das wird sich zeigen. Vielleicht meine drei Lebens-Vorsätze: Dialoge fördern, immer wieder von Neuem lernen, zuzuhören und perspektivisch denken und fühlen, um entsprechend handeln zu können. Und: demütiger sein oder werden.

cultur.zeit: Werden Sie denn nun noch zum Schreiben kommen?

Oliver: Schreiben ist für mich eine Existenzfrage. Ich werde immer in Versen sein und ich werde auch mit dem mir anvertrauten Amt eines PEN-Präsidenten Lyriker bleiben. Im kommenden Jahr erscheint bei Matthes & Seitz mein neuer Essayband und in Spanien eine umfangreiche zweisprachige Werkauswahl meiner Gedichte. Also zwei Bücher, an denen ich gerade noch arbeite.

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