In der Ruhe liegt die Kraft: Nach gutem Trainingslager startet der SC Freiburg schlecht in die Rückrunde Sport | 08.02.2019 | Dominik Bloedner

Drei Spiele, ein Punkt, neun Gegentore – und jede Menge dämliche Fehler. Der Sportclub Freiburg ist anders in die Bundesligarückrunde gestartet, als sich das Trainerteam und die Spieler erhofft hatten.

Nach zwei Niederlagen und dem Punktgewinn im Derby beim VfB in Stuttgart soll nun der erste Sieg her, der VfL Wolfsburg kommt morgen ins Schwarzwaldstadion. Der übrigens, wie der Kicker heute meldet, unter den Top 20 in Europa bei den Personalkosten liegt: 139 Millionen Euro zahlte der Werksclub im Kalenderjahr 2017. Zum Vergleich: Der SC Freiburg hat in der vergangenen Saison rund 100 Millionen Euro eingenommen, der Etat der Profis dürfte unter 40 Millionen Euro liegen.

Ein Blick zurück, Mitte Januar: Blauer Himmel, 20 Grad tagsüber, Palmen, Mandarinenbäume, weitläufige Rasenflächen – auf denen sonst wohlhabende Briten und Argentinier dem Polosport frönen -, und vor allem sehr viel Ruhe. Kein Vergleich zum Rummel im nahegelegenen Marbella, wo etliche Bundesligisten logieren. Im Ayala Polo Club unweit der britischen Kronkolonie Gibraltar arbeitet der SC konzentriert an der Feinjustierung, an den Abläufen, an der Spieleröffnung. Und vor allem an den Standards. In der Hinrunde war die Abwehr bei gegnerischen Standards extrem anfällig, die Offensivabteilung bei eigenen Standards extrem harmlos.

Zumindest diese Einheiten haben geholfen: Die beiden Toren gegen Hoffenheim durch Lucas Höler und Florian Niederlechner fielen jeweils nach Ecken. Weiterer Schwerpunkt in Sotogrande ist die Fehlervermeidung, also ein klügeres Verhalten in der Abwehr und im Zweikampf. Diese Einheiten haben nicht geholfen. Zumindest Robin Koch und Pascal Stenzel haben da nicht aufgepasst.

Hoffnungsträger aus Hoffenheim: Vincenzo Grifo wurde für kolportierte 600.000 ausgeliehen.

Ersterer sorgt mit einem kapitalen Bock beim Auftakt in Frankfurt für die frühe Vorentscheidung, letzterer gegen Hoffenheim durch einen seltsamen Rückpass und später durch das übermotivierte Umsäbeln des Gegenspielers am Strafraumeck, was einen Strafstoß zur Folge hat, für zwei vermeidbare Gegentore.

Doch das Hauptaugenmerk in der Winterpause richtet sich auf einen 25-jährigen Italiener aus Pforzheim: Vincenzo Grifo. Von 2015 bis 2017 war er in Freiburg, erzielte in 61 Spielen 20 Tore, darunter viele direkt verwandelte Freistöße, und war dann mal weg. Doch weder in Mönchengladbach noch in Hoffenheim sollte der Durchbruch gelingen, für eine kolportierte Summe in Höhe von 600.000 Euro ist er nun auf Leihbasis an die Schwarzwaldstraße zurückgekehrt, um dem SC zu helfen, wie er sagt, aber auch um sich zu helfen.

Gegen Frankfurt durfte er zeigen, was die Fans von ihm erhoffen. Gegen Hoffenheim durfte er nichts zeigen, da musste er aufgrund von Gründen, die im Vertrag stehen, auf der Tribüne Platz nehmen – die Angst der Hoffenheimer vor ihrem Mittelfeldspieler muss recht groß sein.

Auch eine andere Personalie hat in der Winterpause für Gesprächsstoff gesorgt: Christian Streich. Er geht in sein achtes Jahr als Cheftrainer und hat damit bald die Hälfte der Zeit von Volker Finke (16 Jahre auf der Bank) erreicht. Auf die Frage, ob er plane, diesen Rekord einzustellen, winkte Streich entsetzt ab. Noch einmal acht Jahre würde „die Maschine nicht mitmachen.“ Ein, zwei oder drei Jahre schon, fügte er hinzu. Sein Vertrag endet im Juni dieses Jahres. Doch Entwarnung: Man habe sich über eine Verlängerung geeinigt, hieß es. Eine reine Formalie. Bis zum Redaktionsschluss war allerdings noch nichts unterschrieben.

Entwarnung auch im Klassenkampf um den Klassenerhalt? Trotz des mäßigen Starts? Ja. Und dies aus mehreren Gründen: Zum einen ist auf die Chaostruppen im Tabellenkeller – Hannover, Nürnberg, Stuttgart und Augsburg – derzeit Verlass. Sie machen mehr durch Paniktransfers und Trainerdiskussionen auf sich aufmerksam, als durch gesammelte Punkte. Ebenso Verlass ist auf die Ruhe, die Unaufgeregtheit und die Professionalität, mit der man den Abstiegskampf an der Schwarzwaldstraße annehmen wird. Und nicht zuletzt auf die Qualität im Kader.

Schweres Auswärtsspiel: Alemannisches Sprachgenie

Eines der schwereren Auswärtsspiele in dieser Bundesliga-­Rückrunde findet für SC-Trainer Christian Streich am 20. Februar statt. Und zwar nicht auf einem Kickplatz, sondern im Saal des Hotels Colosseo im Europa-Park in Rust.

Dort wird der 53-­Jährige die Goldene Narrenschelle der Ver­ei­nigung Schwäbisch-­Ale­man­nischer Narrenzünfte (VSAN) in Empfang nehmen. Die Narren haben über den Trainer erstaunlicherweise herausgefunden, dass er „vor allem auch ein alemannisches Sprachgenie, ein badisches Original“ sei. Und dass dieser es verstehe, „in den Pressekonferenzen überzeugend mit launischen, närrisch-weisen Erklärungen und Deutungen anwesenden Journalisten sowie die Öffentlichkeit in seiner ureigenen badischen Mundart zu verblüffen und damit in Erstaunen zu versetzen“.

Andere Preisträger zuvor waren Frohnaturen wie Toni Marshall, der schlagfertige Berliner SPD-Politiker Wolfgang Thierse, der 2013 mit seiner Schwabenschelte die Gemüter erregte, oder Guido Wolf (CDU) und Winfried Kretschmann (Grüne) – beides Narri-Narro-­gestählte Herren. Und Christian Streich? Er ist in Sachen Fasnacht ein Amateur, sein Heimatdorf ist nun mal protestantisch. Aber kneifen will er auch nicht.

Fotos: © Neithard Schleier / Illustration: © SC Freiburg