Sportlicher Flächenkampf – Auch der Sportpark Süd soll neu geordnet werden Sport | 09.11.2023 | Philip Thomas und Lars Bargmann

Sacristans der FT Platz da: Auch die Sacristans der FT haben regen Zulauf.

Das Rathaus tüftelt am neuen Sportentwicklungsplan. Im Frühling soll das Papier in die Gremien. Bereits jetzt ist klar, dass viele Vereine Kompromisse machen müssen: Sportbürgermeister Stefan Breiter will auch Freiburgs Sportpark Süd neu sortieren und Vereinsgelände sowie Schulhöfe für die Bevölkerung öffnen.

Mehr als 60 Turnhallen gib es in Freiburg, auf jeden Bewohner der Stadt kommen knapp 15 Quadratmeter Grünfläche in Form von Parks oder Gartenanlagen. Nicht genug, um den Bewegungsdrang der zweitjüngsten Stadt in Deutschland (im Schnitt 40,8 Jahre) zu stillen. Freiburgs Sportler stehen sich auf den Füßen.

Besonders sichtbar wird das an der Sportachse Ost in Waldsee und Littenweiler. Insgesamt 60 Mannschaften der Freiburger Turnerschaft von 1844 (FT) und dem PTSV Jahn müssen sich drei Sportfelder teilen (wir berichteten). Die FT verhängte bereits Aufnahmestopps. Der 19 Hallen im Stadtgebiet nutzende Universitätsclub Freiburg (USC) ebenso. „Es war früh klar, dass der Kuchen nicht so groß ist wie der Hunger, den die Gäste am Tisch haben“, sagt Breiter beim Besuch in der Redaktion.

Nach jahrelangem Ringen waren FT, PTSV und der SC Freiburg im September übereingekommen: Gibt der Gemeinderat am 28. November sein Go, erhält der Bundesligist für seine Mädchen- und Frauenabteilung mittelfristig das alleinige Nutzungsrecht am Dreisamstadion. Die beiden Breitensportvereine mit insgesamt 10.000 Mitgliedern bekommen dafür eine dringend benötigte neue Kunstrasenfläche – dort, wo der USC Freiburg noch bis zum 25. April 2025 auf neun Sandplätzen Tennis spielen lässt.

Ist Profisport in Freiburg wichtiger als Breitensport? „Es war klar, dass der SC nur dann finanzkräftig dort einsteigt, wenn er das alleinige Nutzungsrecht über das Dreisamstadion und die zugehörigen Flächen hat“, erklärt Freiburgs Sportbürgermeister.

Stefan Breite

Stefan Breiter: Der Hunger ist größer als der Kuchen.

Der Kritik seitens Universität und USC, übergangen worden zu sein, widerspricht er: „Ich kann nur meine Verwunderung äußern. Das stimmt schlichtweg nicht.“ Man habe „sehr früh klipp und klar gesagt“, wenn es nicht gelingt, die Bedürfnisse an der Breitensportachse-Ost gemeinsam mit der Uni darzustellen, sei die Stadt gezwungen, auf eigene Flächen zurückzugreifen, um Flächen für den Breitensport zu entwickeln: „Und das sind die Tennisplätze.“

Beim Joggen komme der Bürgermeister des Öfteren am Unisport-Gelände vorbei. Eine „angemessene Ausnutzung“ der wertvollen Flächen habe er nicht beobachten können. Laut Universität trainieren indes wöchentlich 1000 Sportler auf den Sandplätzen, das entspreche einer Auslastung von 80 Prozent.

Das städtebauliche Beben in Freiburgs Osten rüttelt bis in den Süden der Stadt durch. Dort fürchtet nun Blau-Weiß Wiehre um seine Existenz. In den vergangenen 20 Jahren habe der Verein der ans Dreisamstadion abgewanderten Frauen- und Mädchenabteilung des SC Freiburg für eine „mittlere sechsstellige Summe“ eine nun überdimensionierte Anlage hingestellt. „Da laufen Kredite“, schimpft Blau-Weiß-Vorstand Ismael Hares. Ohne die Pacht des SC, ohne eine Kompensation werde das dem Verein „das Genick brechen“.

„Ich kann nicht sagen, ob die genannten Investitionen ausschließlich für den Frauenfußball investiert wurden“, sagt Breiter. Auch Stadt, SC Freiburg und Badischer Sportbund hätten die Anlage mitfinanziert. „Das muss man sich genauer anschauen“, so der 56-Jährige. Aktuell würden zwischen Blau-Weiß und dem SCF Verhandlungen laufen. Die Stadt werde sich da aber auch nicht wegducken.

Für Breiter bietet der Sportpark Süd mit rund 22 Hektar zwischen St. Georgen, Haslach und Vauban „unglaublich viel Potenzial“. Eng ist es auch hier. So plagen etwa den dort ansässigen TC Schönberg mit elf Sand- sowie zwei Hallenplätzen, Beachvolleyballfeld, Torwand und Boulebahn Platznöte für die rund 700 Mitglieder. „Wir agieren stark an der Kapazitätsgrenze“, sagt Vorstand Tom Müller. Auch das 2012 auf rund 2000 Quadratmeter Wandfläche erweiterte Kletterzentrum des Deutschen Alpenvereins platzt mit 43.000 Eintritten pro Jahr aus allen Nähten.

Der Polizeisportverein Freiburg mit 750 Mitgliedern wünscht sich ebenfalls mehr Platz, der PSV kooperiert deswegen bereits mit seinen Nachbarn Eisenbahner-Sportverein Freiburg und FC St. Georgen. Im Jahr 2017 zählte der FC noch knapp 430 Mitglieder, vergangenes Jahr teilten sich 825 Kicker zwei Rasen- und einen Kunstrasenplatz. Statt mehr Fläche erhofft sich der Vorsitzende Tobias Rauber vom Rathaus allerdings einen zweiten, pflegeleichten Kunstrasenplatz und ein neues Vereinsheim.

Allerorten An den Grenzen der Kapazität

Durch den Abzug der SC-Frauen aus dem Schönbergstadion werden überdies Flächen frei, im Süden steht also ein sportliches Stühlerücken an. TC Schönberg und FC stehen bereits im Austausch mit dem Freiburger Sportreferat. Der PSV rechnet mit baldiger Kontaktaufnahme. Der neue Sportentwicklungsplan kommt voraussichtlich im Frühling in die Gremien.

Eine Empfehlung darin könnte auch lauten, bestehende Sportflächen auf Vereins- und Schulgelände für die breite Öffentlichkeit zu öffnen. „Das wollen wir fördern und unterstützen“, so Breiter. Um ein paar Körbe zu werfen, springt der Bürgermeister auch hin und wieder selber übers Gatter. „Es passt nicht mehr in die Zeit, dass Vereinsanlagen nur für Mitglieder zugänglich und Schulhöfe umzäunt sind.“

Laut Rathaussprecher Kolja Mälicke sind geöffnete Schulhöfe in Freiburg vielerorts bereits geübte Praxis. Es rege sich nur wenig Widerstand, auch wenn nach wie vor Probleme hinsichtlich Lärmschutz und Vandalismus bestehen. Große Schulsportflächen wie im Freiburger Seepark oder an der Staudinger Gesamtschule sollen derweil nicht pauschal geöffnet, sondern gegen Entgelt (2,57 Euro pro Stunde) an Vereine vermietet werden.

Sportpark Süd

Neu im Fokus: Ein Teil des Sportparks Süd

Die Clubs wiederum hadern noch mit dieser Idee. Am Sportpark Süd möchte der PSV wegen „mehr als hundertprozentiger Auslastung“ sowie rechtlicher Vorgaben das Gelände nicht öffnen. Der TC bietet zwar Gastmarken an, eine dauerhafte Öffnung kann sich aber auch der Tennisclub nicht vorstellen. Der FC St. Georgen stellt sein Gelände schon heute Nicht-Mitgliedern zur Verfügung. „Das führt leider dazu, dass viele Dinge schneller kaputtgehen“, gibt Vorstand Rauber zu bedenken.

Und auch im dicht besiedelten Norden prallen Nutzungsinteressen aufeinander. Auf das Gelände der ehemaligen Gärtnerei Hügin an der Zähringer Straße haben eine ökologisch orientierte Interessensgemeinschaft und der anliegende Friedhof Zähringen ein Auge geworfen. Seit das Rathaus im Jahr 2014 das Vorkaufsrecht zog – seit Jahresbeginn ist die Stadt Eigentümer –, hat Breiter Pläne für eine Sportanlage in der Schublade, die Alemannia Zähringen entlasten sollten.

»Massiv auf die Flächen angewiesen«

Schließlich kicken 29 Jugend- und jeweils zwei Herren- und Damenteams auf dem benachbarten Kunstrasenplatz sowie einer Rasenfläche. Etwa 100 Kinder aus Zähringen, Brühl, Herdern, Neuburg und dem Güterbahnhofsareal hat der Verein auf der Warteliste. „Wir sind massiv auf die Nutzung weiterer Flächen angewiesen“, heißt es in einem Schreiben der Vereinsvorstände Frank Pfaff und Gerrit Bartsch an die Fraktionen. Wer den Zuschlag für die sogenannte Ziegenwiese erhält, ist jedoch offen. „Aktuell brauchen wir da vielleicht zunächst noch eine Wohnanlage für unbegleitete Minderjährige“, sagt Breiter. Auch da ein sportlicher Flächenkampf.

Auch im Westen wird immer wieder die Quadratur des Kreises geprobt. Die rund 40 Hektar große Fläche des Freiburger Flugplatzes könnte neue Möglichkeiten auch für den Sport eröffnen. Die Fraktion FDP/BfF hatte exklusiv im chilli im Herbst 2020 ihre Visionen vorgestellt. Wird der Flugplatz anderweitig genutzt – der Rettungshubschrauber bleibt auf jeden Fall dort stationiert –, könnte der SC Freiburg langfristig seine Frauenabteilungen ans Europa-Park-Stadion holen. Sowohl das Mösle- als auch das Dreisamstadion könnten dadurch verfügbar werden. „Das wird aber nicht einfach zu lösen sein. Bevor wir hier um die besten Konzepte ringen können, brauchen wir eine Grundsatzentscheidung zum Flugplatz“, so Breiter. Die Pachtverträge laufen aktuell noch bis zum Jahreswechsel 2031/2032.

Die andere Seite der Madisonallee wird immer wieder als Standort für eine neue Eishockey-Halle ins Spiel gebracht. „Den Standort an der Messe sehe ich für eine neue Arena als gesetzt“, sagt Breiter. Aus finanziellen und klimapolitischen Gründen tue sich der Gemeinderat jedoch schwer, ein neues Eisstadion auf den Weg zu bringen. Die alte Echte-Helden-Arena ist nur nach neuesten energetischen Standards renovierbar. „Und das macht vieles unmöglich“, so Breiter.

Realistischer ist für den Sport- und Finanzbürgermeister eine private Finanzierung einer neuen Halle. Der Projektentwickler Peter Unmüßig schlug dem Freiburger Rathaus bereits 2021 einen solchen Deal vor. Denn dass der EHC die geforderten 14 Millionen Euro an eigenen Mitteln für die auf 55 Millionen Euro taxierte neue Arena aufbringen kann, ist mehr als nur fraglich. Die Sportflächen in Freiburg sowohl für den Profisport als auch für den Breitensport zukunftssicher zu machen, ist auch fürs Rathaus eine sehr sportliche Aufgabe.

Fotos: © FT 1844, pt