„Arschcreme hilft“: Wie drei Freiburger 600 Kilometer am Stück radeln – oder mehr Sport | 18.10.2023 | Till Neumann

Felix Gulde Brevet 600 Kilometer Fahrrad Freiburg Kopfsache: Felix Gulde bei seinem 600-Kilometer-Trip durch die Regio.

600 Kilometer Rad fahren. Am Stück. Das hat der Freiburger Felix Gulde gemacht. Am 6. Juni ist der 32-Jährige vom Breisgau aus zwei Tage lang mit 60 anderen unterwegs gewesen. Dem chilli erzählt der Velocrack, wie er das geschafft hat. Ein anderer Freiburger toppt das – sogar auf dem Tandem.

„Cool, vor allem nachts“

„Ich hatte schon länger damit geliebäugelt, die Grenzen zu verschieben“, erzählt Felix Gulde. Der Freiburger fährt seit vielen Jahren in der Freizeit Rennrad – gerne auch längere Strecken. Also wollte er schauen: „Was geht denn so?“ Er meldete sich für den 600 Kilometer langen „Brevet“ der Initiative ARA Breisgau an.  Am 30. Juni ging es mit 60 anderen Fahrer·innen auf die Strecke. Das Teamradeln kam Gulde entgegen: Er fand jemanden, der ein ähnliches Tempo fuhr. Sie pushten sich gegenseitig: „Das war cool – vor allem nachts, so waren wir ein bisschen sicherer unterwegs“, erzählt Gulde.

Die Route führte ins Schweizer und ins französische Jura. Und dann über das Elsass wieder zurück. Gestartet sind sie am Samstagmorgen um acht Uhr in Freiburg. Zurück war er am Sonntagabend um 19 Uhr. Unterwegs hat er mit seinem Tourpartner drei Stunden in der französischen Kleinstadt Salins-les-Bains geschlafen: „Wir hatten ein schickes Plätzchen am Bach, ein bisschen überdacht, mit Isomatte und Schlafsack.“

„Pizza-Frühstück – richtig gut“

Das Gepäck für die Mammuttour? Zehn Müsliriegel, Energiegels „und die Geheimwaffe des Langstreckenradlers: Salzkartoffeln“. In seiner Satteltasche (er nennt sie „Arschrakete“) waren Schlafsack und Isomatte, Verpflegung und was zum Drüberziehen. Ist das Qual oder Vergnügen? „Ich würde lügen, wenn ich sage, dass es jeden Kilometer Spaß gemacht hat“, sagt der Radcrack. Klar frage man sich “hey, was mache ich eigentlich”, wenn man nachts mit Schlafmangel durchs stockfinstere Frankreich rolle. „Aber ich finde es immer wieder erstaunlich, was der menschliche Körper leisten kann.“ Das könne er nur rausfinden, wenn er aus der Komfortzone rausgehe. 

Das Schwierigste für ihn? „Am zweiten Tag die Konzentration aufrechtzuerhalten“, berichtet Gulde. Vor dem Sonnenaufgang hatte er ein Tief. Highlight war kurz danach aber der 24-h-Pizza-Automat. „Da haben wir gefrühstückt. Es gab Pizza 4 Fromages. Richtig gut“, erzählt Gulde. Um durchzuhalten, hilft ihm viel Abwechslung. „Also nicht immer nur im Sitzen fahren.“ Eins war wichtig: „Ich hatte auch die Arschcreme dabei. Das hilft.“

„Verrückter geht immer“

So eine Tour ist für ihn vor allem Kopfsache. Die Physis müsse natürlich vorhanden sein. Aber es gelte durchzuhalten: „Nicht auf den Tacho gucken, sondern sich motivieren, dabeibleiben.“ Danach hat er einen Tag lang nichts gemacht. „Am meisten wehgetan hat der Hintern.“

Ob Gulde noch weiter fahren kann als 600 Kilometer am Stück? „Erstmal bin ich froh, es geschafft zu haben“, sagt der Freiburger. Viele hätten ihn für verrückt erklärt. Ein Vorbild ist der Freiburger Radler Ralph Schwörer. Der ist nach dem 600-Kilometer-Brevet mit seiner Lebensgefährtin die Tour Paris-Brest-Paris gefahren. Da wird die Distanz gleichmal verdoppelt auf 1200 Kilometer. Gulde findet: „Verrückter geht immer“

„Den besten Erholungseffekt“

Ralph Schwörer fährt solche Strecken sogar auf dem Tandem. Mit dabei ist seine Lebensgefährtin Manuela Verini. Warum er sich das antut? „Ich hab‘ damit den besten Erholungseffekt in meiner Freizeit“, sagt der 55-jährige Lehrer aus Freiburg. Beim Langstreckenfahren könne er einfach super gut abschalten. Er vergleicht das mit Meditation: „Das sind natürlich manchmal Stunden, die man zum Teil auch nur gerade fährt.“ Man könne sagen, das sei langweilig. Aber wenn man das oft mache, komme man in eine Stimmung, die einen einfach abschalten lässt.

1200 Kilometer am Stück: Manuela Verini und Ralph Schwörer bei der Tour „Paris-Brest-Paris“

Ernsthafte Beschwerden hat er bei den Touren nicht: „Manchmal merkt man die Oberschenkel“, sagt Schwörer. Dann müsse man ein bisschen langsamer fahren. Manchmal merke man auch den Sitzbreich. „Aber Schmerzen würde ich es nicht nennen. Das ist eher so, dass man ein bisschen was spürt.“ Das Tandem erlebt er dabei als großes Plus: „Wir sind beide in der Langstrecken-Szene schon schon von Anfang an dabei und es kam dazu, dass Manuela einen Unfall hatte“, erzählt Schwörer. Eine Katze lief ihr ins Rad. Die Schulter war gebrochen. Also liehen sie sich von einer Freundin ein Tandem aus. Und das schlug ein: „Wir haben festgestellt, dass es uns unglaublich viel Spaß macht, weil wir es genießen, dass wir immer praktisch gleich schnell sind.“

„Da kommt kein Rad hinterher“

Auf Einzelrädern sei das zuvor anders gewesen: „Das Problem war, dass einfach ein bisschen stärker bin.“ Entweder fahre ich den Berg dann langsamer hoch oder ich warte oben. Auf dem Tandem könnten sich jetzt beide gleichmäßig auspowern – Seite an Seite. „Wenn man bei den Brevets nicht alleine ist, ist es halt einfach viel schöner.“

Langsamer sind die beiden im Zweiergespann nur bedingt: „Also Berg hoch sind wir nicht im Vorteil“, sagt Schwörer. Aber wenn es bergab gehe oder sie in der Ebene fahren, dann seien sie schneller. „Bei einer nicht ganz so steilen Abfahrt kommt uns mit dem Fahrrad keiner hinterher.“

Wo liegen für Schwörer die Grenze des Machbaren? „Die gibt es meiner Meinung nach nicht“, antwortet er prompt. Es komme immer drauf an, wie viel Zeit man sich nehme. Schwörer ist zuletzt auch das „Transcontinental Race“ gefahren. „Das waren 3600 Kilometer, die ich in zwölf Tagen gefahren bin“, erzählt Schwörer. Letztes Jahr seien es sogar mehr als 4000 Kilometer in 14 Tagen gewesen, wovon er ausführlich der BZ berichtete. „Das war im Prinzip vor zehn Jahren für mich noch unvorstellbar“, erinnert er sich. Aber in den vergangenen Jahren habe er gemerkt, dass es da eigentlich keine Grenze gibt. „Die Grenze ist das, was ich mir für so eine Sache an Urlaub nehmen kann.“

Fotos: © privat

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