Zu Gold gerollt: Die Freiburgerin Alina de Silva ist frisch gebackene Weltmeisterin Sport | 21.12.2023 | Till Neumann

Alina de Silva mit WM-Gold in der Hand. Der größtmögliche Titel: Alina de Silva hat sich einen jahrelangen Traum erfüllt: Im Oktober holte sie WM-Gold in ihrer Heimatstadt.

Seit fast 15 Jahren trainiert Alina de Silva für ihren großen Traum: eine WM-Goldmedaille. Im Oktober hat die Rollkunstläuferin aus Freiburg das endlich geschafft: Beim Heimspiel in der Schauenberghalle holte die 23-Jährige mit einem fast perfekten Lauf den 1. Platz. Auch Schwester Tamina und ihr Trainer sind begeistert von der Ausnahmesportlerin.

Alina de Silva war 2018 und 2022 Freiburgs Sportlerin des Jahres. Mit ihrer Schwester holte sie 2021 sogar EM-Doppelgold: Sie bei den Seniorinnen, Tamina bei den Juniorinnen. Doch eine WM-Medaille fehlte auch nach vier Teilnahmen. „Davor war es immer ganz knapp am Podest vorbei. Oder man hat blöde Fehler gemacht und es hat nicht gereicht“, erzählt de Silva.

Die Sportlerin sitzt an einem kalten Novembermittag in der Schauenberghalle und kann ihr Glück kaum fassen: „WM-Gold, das hört sich nicht real an.“ Ihre beste WM-Platzierung holte sie bisher 2021 als Vierte. „Und dann direkt Platz eins.“ Auch Trainer Michael Obrecht ist hin und weg: „Das war eine der besten Pflichtleistungen, die ich in über 40 Jahren als Trainer gesehen habe.“

Alina de Silva umarmt Trainer Michael Obrecht.

Jahrelanges Team: Alina de Silva und die Trainerlegende Michael Obrecht nach dem Goldlauf.

De Silva sieht ihre Leistung dennoch kritisch: „Wir müssen drei Durchgänge machen. Der erste war perfekt, der zweite eigentlich auch. Beim letzten bin ich nicht so ganz zufrieden.“ Der Grund? Sie müsse auf einer Spur laufen, Dreher machen, dann die perfekte Kante treffen. „Und die habe ich am Ende nicht so richtig getroffen.“

Die Punktrichter sahen das anders: Die Läuferin der Freiburger Turnerschaft von 1844 landete knapp vor der Konkurrentin aus Argentinien. Und holte den größtmöglichen Titel im Rollkunstlauf. Ihre Mutter hatte bereits Sekt kalt gestellt. Auch mit den beiden Schwestern stieß sie an. Beide waren selbst Rollkunstläuferinnen und kennen den Druck und die Herausforderungen.

Den großen Coup führt de Silva auch auf ihr Mentaltraining zurück. Das hat sie erstmals vor einem Wettkampf mit einem Bekannten ausprobiert. „Ich hatte immer mit dem Kopf ein bisschen Probleme“, erklärt sie. Sie sei zu aufgeregt gewesen, habe zu viel nachgedacht. Das könne schaden, wenn Präzision und Konzentration gefragt sind.

Auch die Halle spielte ihr in die Karten: „Ich hatte voll den Heimvorteil.“ Sie kenne die Bahn genau, wisse wie rutschig sie ist und welche Rollen sie dafür brauche. „Bei der letzten Weltmeisterschaft hatten wir (Tamina und sie, d. Red.) so zu kämpfen“, erinnert sie sich. Wer mit dem Boden nicht klarkomme, könne seine Leistung nicht bringen.

WM-Gold war immer ihr Ziel, erzählt de Silva. Sie ist überzeugt: Ohne Coach Obrecht wäre das nicht möglich gewesen: „Er ist einfach so ein guter Trainer, da gibt es gar nichts anderes zu sagen.“ Er habe als ehemaliger Weltklasse-Rollkunstläufer wahnsinnig viel Erfahrung und sage genau die richtigen Sachen, um sie voranzubringen. „Er weiß, wie der Läufer sich fühlt, und bereitet einen entsprechend vor“, schwärmt de Silva. Obrecht hat vier WM-Goldmedaillen geholt (1970, 1971, 1972 und 1974) und gilt als Koryphäe. Der 72-Jährige hat schon vielen Freiburger Schützlingen zur Weltspitze verholfen.

Obrecht gibt die Komplimente an de Silva gerne zurück: „Was sie auszeichnet, ist diese ungebrochene Loyalität dem Trainer gegenüber.“ Das sei heute gar nicht mehr Usus. Sie habe ihm hundertprozentig vertraut. „Und ich denke, der Erfolg hat der Einstellung Recht gegeben.“ Von seiner Qualität ist Obrecht überzeugt: „Natürlich bin ich gut, anders geht es nicht.“ Aber wenn er nicht den richtigen Läufer und dessen Vertrauen habe, gehe es nicht.

De Silva habe beim World Cup eine erstaunliche Festigkeit und Sicherheit an den Tag gelegt, die sie bei unwichtigeren Wettbewerben nicht habe. Die Wirkung bei ihrem Goldlauf fand er frappierend: „Es wurde mit einem Mal in der Halle mucksmäuschenstill“, erinnert sich Obrecht. Ausstrahlung, Sicherheit und Selbstbewusstsein – das zeichne sie aus.

Auch Schwester Tamina de Silva ist angetan: „Alina ist sehr authentisch, sehr zielstrebig, aber trotzdem eine lockere Person.“ Sie schaffe es, sich auf Wettbewerbe zu fokussieren, ohne sich zu übernehmen. Und das ist kein Leichtes: Sechsmal die Woche trainierte sie vor der WM mindestens 60 Minuten lang auf der Bahn. Dazu kamen Fitness- und Mentaltraining. Ohne Wettkämpfe sind es immer noch vier Einheiten die Woche. Parallel dazu stemmte sie ein Studium in Sozialer Arbeit. Das schloss sie nahezu zeitgleich zum WM-Erfolg ab.

Jetzt hat die Freiburgerin ihre erste feste Stelle, will aber mit dem Rollkunstlauf weitermachen. Ewig wird es auf höchstem Level nicht gehen. „Die meisten hören mit 25 auf“, sagt de Silva. Dann wären es noch zwei Jahre. Schon jetzt merke sie, dass sie härter trainieren muss als früher. Was sie noch erreichen könnte? „Das weiß ich gar nicht, ich habe eigentlich alles schon erreicht“, antwortet sie prompt. Doch Trainer Obrecht hat da eine Idee: „Es ist natürlich eine Sache, einmal Weltmeister zu werden. Doch eine ganz andere, den Titel zu verteidigen.“

Fotos: © Raniero Corbelletti