Deutsch-Französischer Wirtschaftsraum 2.0? Perspektiven für die Grenzregion business im Breisgau | 28.03.2019 | Gerhard Manz, Dr. Barbara Mayer, Dr. Birgit Münchbach

Auf den Tag genau 56 Jahre nach dem Élysée-Vertrag, am 22. Januar 2019, haben Kanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron den Aachener Vertrag unterzeichnet. Was bedeutet das für Grenzregionen wie Südbaden?

Dr. Birgit Münchbach

Der Aachener Vertrag enthält einige Absichtserklärungen zu politischen Großzielen – das Handelsblatt kritisierte „viel Pathos, wenig Verbindliches“ – und erfindet das Rad der deutsch-französischen Zusammenarbeit auch nicht neu. Er bekräftigt und institutionalisiert vielmehr, was seit Jahren praktiziert wird und in Zeiten des Fachkräftemangels Priorität haben sollte: Das Erlernen der Sprache des Nachbarn, die gegenseitige Anerkennung von Schul- und Studienabschlüssen, deutsch-französische Hochschulen und duale Studiengänge sollen gefördert, die grenzüberschreitende Aufnahme von Arbeit erleichtert werden. Arbeitnehmer sollen finanzielle Unterstützung für Sprachkurse erhalten.

Neu ist die Idee, in den Grenzregionen Sonderregelungen einzuführen, um bürokratische Hindernisse abzubauen. Das erinnert an „Sonderwirtschaftszonen“, die in manchen Schwellenländern mit Erfolg erprobt wurden: In diesen Zonen wurden und werden unternehmerische Freiheiten gewährt, die – wenn sie sich bewährt haben – aufs ganze Land ausgedehnt werden.

Dr. Barbara Mayer

Konkrete Ideen dazu, wie bürokratische Hürden abgebaut werden können, enthält der Vertrag aber nicht. Deshalb ist es jetzt an den Akteuren in der Region, Vorschläge zu unterbreiten. Ein paar Themen liegen auf der Hand: Da ist etwa die Meldepflicht für Arbeitseinsätze von Arbeitnehmern deutscher Betriebe in Frankreich. Bisher muss zum Nachweis der Sozialversicherung im Inland eine sogenannte A1-Bescheinigung beantragt werden, und zwar für jeden einzelnen Auslandseinsatz. Außerdem sind die Lohnunterlagen der Arbeitnehmer am Arbeitsort im Ausland mitzuführen und bei einer Kontrolle vorzulegen.

Hier hat sich schon vor dem Vertrag von Aachen etwas getan: Bereits seit September 2018 gibt es Erleichterungen für die Entsendung von Arbeitskräften nach Frankreich. Die Gebühr von 40 Euro pro entsandtem Arbeitnehmer entfällt. Nicht meldepflichtig sind auch Reisen zur Kundenakquise oder die Teilnahme an Fachmessen in Frankreich.

Noch besser wäre es, die Meldepflicht für Unternehmen, die innerhalb einer definierten Grenzregion ihren Sitz haben, ganz auszusetzen oder nur auf längere Einsätze zu beschränken. Denkbar wäre auch, Regelungen zu streichen, die an den Wohnort im Inland anknüpfen: So sind Leistungen der deutschen Arbeitsagenturen, etwa Sprachkurse oder Fortbildungen, davon abhängig, dass der Betreffende seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Wer in Frankreich wohnt, ist davon ausgeschlossen. In einer offenen Grenzregion ist diese Beschränkung nicht wirklich nachzuvollziehen.

Gerhard Manz

Ein ganz praktisches Hindernis stellt auch die Eröffnung eines Kontos dar: Trotz des vereinheitlichten Europäischen Zahlungsraums setzt das meist einen inländischen Wohnsitz voraus. Ohne den gibt es kein Konto und ohne das häufig keinen Miet- oder Arbeitsvertrag. Ein deutsch-französisches Konto für Grenzgänger, die im anderen Land in Ausbildung oder berufstätig sind, würde das Leben erleichtern. Gesetzliche Regelungen, die Grenzgängern die Eröffnung eines Kontos auch ohne den Nachweis eines inländischen Wohnsitzes ermöglichen, wären ein Fortschritt. Fazit: Es gibt noch viel zu tun, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verbessern. Die Bahnverbindung Freiburg-Colmar, die seit der Zerstörung der Breisacher Eisenbahnbrücke 1945 eingestellt ist und bis 2026 wieder in Betrieb gehen soll, kann dazu beitragen.

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