Rangeleien am Rotorblatt: Zu wenig Tempo bei der Energiewende business im Breisgau | 22.03.2024 | Lars Bargmann

Vier Windkraftanlage die auf einem Berg gebaut sind Windräder auf dem Roßkopf: Die Vierergruppe soll gesprengt und durch zwei neue Anlagen ersetzt werden. Zudem will die Regiowind GmbH noch drei weitere Windräder im Umfeld bauen.

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesregierung für das schleppende Tempo bei der Energiewende scharf kritisiert.  Die bisherigen Maßnahmen seien „ungenügend“ und bergen „gravierende Risiken für die energiepolitischen Ziele“, sagte Rechnungshofpräsident Kay Scheller am 7. März. Auch das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg läuft seinen eigenen Zielen weiter hinterher. In Südbaden gibt es derweil an vielen Orten heftige Rangeleien am Rotorblatt.

In einem neuen Sonderbericht des Rechnungshofs heißt es, dass der Bund reagieren muss, „andernfalls droht die Energiewende zu scheitern“. Die Rechnungshüter kritisieren zu hohe Stromkosten für Privathaushalte und Industrie und einen „schleppenden“ Netzausbau für Erneuerbare Energien. Demnach habe die Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr nur die Hälfte der geplanten Leistung für neue Windenergieanlagen an Land über Ausschreibungen ins Rollen gebracht. Die fehlende Hälfte, 6,45 Gigawatt, entspräche vier bis sechs Braunkohle- oder Kernkraftwerken, heißt es im Bericht.

Die zentrale Rolle bei der Wende spielt die Windkraft. Aktuell gibt es 30.243 Windräder in Deutschland, darunter 1566 Offshore in der Nord- und Ostsee. Spitzenreiter bei den Flächen-Bundesländern ist Niedersachsen mit 6169 vor Brandenburg mit 4039. Bayern (1150) und Baden-Württemberg (782) sind am südlichen Ende der Tabelle. Noch weniger Windräder gibt es nur im Saarland (218), das flächenmäßig aber 14 Mal ins Ländle passt. Von einer Aufholjagd der beiden südlichsten Bundesländer ist übrigens nichts zu sehen: Es sind ausgerechnet Bayern und Baden-Württemberg, die 2023 am wenigsten neu gebaut haben.

Das Ländle hinkt weiter hinterher

Die Erneuerbaren haben im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte (56 Prozent) des deutschen Stromhungers befriedigt. Die wichtigste Quelle war erstmals der Wind, der nach Angaben des Statistischen Bundesamts allein fast ein Drittel – knapp 140 Milliarden Kilowattstunden – eindrehte und damit die Kohleenergie als wichtigsten Erzeuger ablöste.

In Südbaden gibt es eine lange Reihe von Windkraftplänen – aber auch viel Streitereien. Mitte Februar haben Gegner von neuen Windrädern auf Flächen der Gemeinde Schliengen am 1165 Meter hohen Blauen einen Bürgerentscheid gewonnen. Für Bürgermeister Christian Renkert eine „vertane Chance“. Die Gemeinde will bis 2030 klimaneutral sein. Wie das ohne Windkraft geschafft werden soll, ist völlig offen.

In der Gemeinde Feldberg hat sich neulich Bürgermeister Johannes Albrecht für Windräder auf dem Feldberggipfel ausgesprochen. Auf dem mit 1493 Metern höchsten Berg Baden-Württembergs wäre der Energieertrag besonders hoch, zwei, drei Windräder könnten so viel grünen Strom bringen wie 15 in tieferen, schlechteren Lagen. Auf dem – waldlosen – Gipfel treffen aber auch die alten Rivalen wieder aufeinander: Klimaschutz gegen Naturschutz. Der Feldberg ist Naturschutzgebiet, EU-Vogelschutzgebiet und Flora-Fauna-Habitat. Rotmilan und Auerhuhn spielen bei der Windkraft zuverlässig Hauptrollen. Im Zuständigkeitsbereich des Freiburger Regierungspräsidiums gibt es bislang kein einziges Windrad in Naturschutzgebieten.

Windkraftgegner, häufig vom Tourismus abhängig, machen sich diese Festschreibungen zunutze, trommeln gegen neue Windräder, führen die Zerstörung des Landschaftsbildes ins Feld und – wenn nötig – ziehen sie auch vor die Verwaltungsgerichte.

Für die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer ist es  „eine sehr privilegierte oder elitäre Diskussion, was das Landschaftsbild angeht“. Jahrzehntelang hätte der Südwesten die „Abraumhalden in der Lausitz nicht gesehen“, aber davon gelebt. „Und jetzt wären wir dran, einen kleinen Beitrag, was die Optik angeht, zu leisten. Wir müssen jetzt alles, alles machen. Das ist so wichtig wie nichts anderes“, sagte sie in einem Interview mit dem business im Breisgau.

1000 neue Windräder bis 2026. So steht es im Koalitionsvertrag. Übrigens nicht zum ersten Mal. Schon 2011, nachdem der Grüne Winfried Kretschmann die jahrzehntelange CDU-Regentschaft im Ländle (oder auch: The Länd) aufgebrochen hatte, war die Zahl genannt worden. „Wir können alles. Außer Windkraft“, titelte die Wochenzeitung KONTEXT im März 2015. Im März 2024 gibt es insgesamt keine 800.

Heftige Kontroversen gibt es auch um einen angedachten Windpark zwischen Lenzkirch und Schluchsee. Der Energieversorger EnBW möchte dort sechs Windräder bauen, drei in einem Wasserschutzgebiet. Bei einer Infoveranstaltung mit EnBW-Projektleitern überwog die Ablehnung. Entscheiden aber muss das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald.

Ein Bild von einem fliegendem Rotmilan

Rotmilan im Anflug: Wo sie brüten, sind neue Windräder ausgeschlossen.

Bis zu 14 neue Windmühlen sind rund um Münstertal, Ehrenkirchen und Bad Krozingen im Gespräch. 7 auf den Höhenzügen zwischen Münstertal und Ehrenkirchen. Die Firma Iterra aus Niebüll hat den Zuschlag für die Planung bekommen. Auch dort war die EnBW schon mal an der Planung, hatte das Projekt aber mangels Windhöffigkeit fallengelassen. Iterra plant zudem einen Windpark Breisgau mit bis zu sieben weiteren Windkraftanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen zwischen Bad Krozingen, Ehrenkirchen und Staufen.

Auch auf Münstertaler Gemarkung steht aktuell das Haldenköpfle am Schauinsland im Fokus. Hier gibt es mittlerweile grünes Licht für ein Gemeinschaftsprojekt der Bürgerenergie Münstertal mit der Freiburger Ökostrom-Gruppe. Pro und Contra gibt es auch zu zwei Windrädern auf dem Brombeerkopf zwischen Stegen und Glottertal. Der Stegener Gemeinderat hat sich gegen die Pläne ausgesprochen, der Glottertäler stimmte mehrheitlich dafür. Auch hier ist das Landratsamt die entscheidende Instanz. Beim Windkraftprojekt Am Flissert auf den Gemarkungen von Glottertal, Heuweiler und Denzlingen ist die Glottertäler Politik indes dagegen. Wegen mutmaßlicher Einbußen im Tourismusgeschäft.

Gezänk gibt es auch bei einem Projekt mit zwei Windrädern auf dem Illenberg bei Au. Der Arbeitskreis Klimaschutz Au ist dafür, die Bürgerinitiative „Gegen Windkraftanlagen auf dem Illenberg“ ist – nicht zuletzt wegen des Wellness-Ressorts Luisenhöhe – dagegen.

Der Kampf um mehr Klimaschutz und mehr Naturschutz geht auch in den Behörden weiter. „Bürokratie-Irrsinn um Windräder“, überschrieb das ZDF-Magazin Monitor am 5. März einen Beitrag zu Windrä-
dern und Rotmilanen. Mehrere Ornithologen und Experten stellten fest, dass Rotmilane die Gefahr von Windkraftanlagen erkennen und Bogen fliegen. Ein Gesetz aus dem Bundesumweltministerium verbietet aber unbeirrt neue Windräder dort, wo Rotmilane brüten. Ein anderes Vogelproblem ist das Auerhuhn, das auch im Schwarzwald zu Hause ist. Auerhühner können zwar gar nicht so hoch fliegen, dass sie von einem Rotorblatt erschlagen werden, doch, so heißt es in einer Studie im Auftrag des Landes Baden-Württemberg, sie könnten ja gegen den Mast fliegen: „Möglicherweise passiert dies bei Witterungsbedingungen mit schlechter Sicht (z. B. Nebel).“

Fotos: © badenova, iStock.com/Didierphoto