Auf dem Vormarsch: Zimmerei Grünspecht feiert 40-jähriges Jubiläum business im Breisgau | 23.03.2024 | Jennifer Patrias

Auf dem Bild ist eine Baustelle der Zimmerei Grünspecht zusehen Innovativ: Die Zimmerei Grünspecht arbeitet mittlerweile auch über die Tore Freiburgs hinaus.

Rund 150 Aufträge bearbeitet die Zimmerei Grünspecht jährlich. Die Genossenschaft bietet nicht nur Zimmermannsarbeiten, sondern auch ein großes Portfolio an Handwerkskunst. Dass das Konzept funktioniert, zeigt die Zeit: Dieses Jahr feiern die Grünspechte ihr 40-jähriges Bestehen.

Schon von Weitem kann man ihn sehen, den Grünspecht, der vor den Toren der Zimmerei in Freiburg-Hochdorf hängt. Spätestens beim Eintreten in die Büroräume wird klar – mit einer klassischen Zimmerei hat der Betrieb wenig zu tun. Stattdessen begrüßt ein graumelierter Kater Mitarbeiter und Besucher und fordert ganz ungeniert seine Streicheleinheiten ein. „Joschi lebt erst seit Kurzem hier, aber schon jetzt stärkt er den Teamzusammenhalt“, sagt Kommunikationsleiterin Elisabetta Borghetto.

Seit 1984 gibt es die Zimmerei, am 2. April feiert sie ihren 40. Geburtstag. Ein glücklicher Zufall, denn Firmengründer Hermann Hallenberger hatte eigentlich ganz andere Pläne. Als studierter Germanist strebte er in den 80erJahren eine Karriere im hessischen Schulsektor an. Aufgrund falscher politischer Gesinnung – Hallenberger dachte kommunistisch und hatte den Kapitalismus infrage gestellt – griff jedoch das damalige Berufsverbot. Aus der Not heraus orientierte er sich um und lernte den Zimmermannsberuf.

Nachhaltig & naturverbunden

„Ihm war es von Anfang an wichtig, keinen klassischen Betrieb zu führen, sondern einen, der sich selbst verwaltet und in dem alle Mitarbeiter gleichberechtigt sind“, sagt Zimmermeister und Vorstandsmitglied Markus Wolf über den Gründer. Daher suchte Hallenberger nach der Meisterprüfung im Hessischen nach Geschäftspartnern – vergeblich.

Erst als er Freunde im damals linksorientierten Freiburg besuchte und spaßeshalber erneut eine Annonce schaltete, hatte er Glück. Gemeinsam mit Wilfried Pauer und zwei weiteren Partnern gründete er die Zimmerei Grünspecht GbR. Sechs Jahre lang arbeiteten sie in ihrer kleinen Halle in Freiburg-Kappel, im siebten Jahr gründeten sie die Genossenschaft und zogen nach Hochdorf.

Acht bis zehn Projekte bearbeitet das Grünspecht-Team in der Woche und übernimmt Aufträge vom Gartentor bis zum schlüsselfertigen Haus. „Wir möchten ein guter Ansprechpartner sein und schaffen das dank unserem breiten Portfolio“, sagt Borghetto. Egal ob sich die Kundenwünsche um Terrassen, Balkone, Modernisierungen, Fensterbau, Photovoltaikanlagen, Stroh- und Lehmbau oder das vorelementierte Bauen drehen – die Grünspecht-Familie kann helfen.

Auch einfache Blecharbeiten können die Mitarbeiter mittlerweile durchführen. „Das ist aus der Not heraus entstanden, in einer Phase, in der es schweirig war, zeitnah bei Bedarf einen Partner zur Ausführung dieser Arbeiten zu finden“, sagt Wolf, der bereits seit 1998 ein Teil der Genossenschaft ist. Acht Jahre lang beschäftigte er sich mit der Bauleitung von Neubauten, 2008 spezialisierte er sich nach einer privaten Haussanierung auf die Modernisierung von Altbauten. „2018 kam ich dann in Kontakt mit einer beeindruckenden Baugruppe, die sich vorgenommen hatte, all ihre acht Wohneinheiten in Strohballenbau zu realisieren. Die Projektgröße erzeugte einerseits Res­pekt, um etwas völlig Neues zu versuchen. Andererseits rechtfertigte sie aber auch eine aufwendige Entwicklungsarbeit und ein Befassen mit der Bauweise“, sagt der Wahlfreiburger. So ergab sich mit dem Strohbau eine neue und erfolgreiche Nische. Da lag es für Wolf nahe, eine Weiterbildung zur Fachkraft im Lehmbau zu absolvieren. Gleichzeitig koordiniert er die Vorstandsarbeit, die er sich mit zwei weiteren Kollegen teilt. „Ich konnte sozusagen in der Firma weiterwachsen, ohne zu kündigen.“

Auf dem Bild ist ein Mann konzentriert bei der Arbeit auf der Baustelle

Konzentriert bei der Arbeit: Durch den Strohbau haben sich neue Wege ergeben.

Zudem schaut das Unternehmen darauf, dass es kein chemisches Material verwendet, das Mensch und Umwelt belastet. Schon in den 80ern war den beiden Gründern wichtig, mit dem nachwachsenden Zellulose-Dämmstoff „isofloc“ zu arbeiten, der aus zerkleinerten Zellulosefasern besteht, die durch ein Recycling-Verfahren aus sortenreinen Tageszeitungen hergestellt werden. Diese Denkweise ist bis heute fest in den Köpfen der Grünspecht-Familie verankert.

45 Mitarbeiter·innen sind es inzwischen, drei Viertel von ihnen sind Genossen. Auch Wolf ist einer davon. „Wer bei uns als Genosse einsteigen möchte, muss fünf Anteile zu je 500 Euro erwerben“, erklärt er das Konzept. Im Falle eines Gewinns gibt es am Jahresende eine Rendite von 3 bis 5 Prozent, nachdem Rücklagen und Investitionen rausgerechnet wurden. „Das war aber nicht immer so. Wir hatten viele Jahre, in denen kein Gewinn zu verzeichnen war“, erinnert sich Wolf zurück. Statt Auszahlungen zu tätigen, konnte sich die Genossenschaft gerade einmal kostendeckend über Wasser halten. Das hat sich in den vergangenen Jahre geändert – dank steigender Auftragslage, optimierter Arbeitsabläufe und des Teamzusammenhalts.

Zum 40-jährigen Bestehen hat sich die Zimmerei etwas Besonders ausgedacht. Gefeiert wird im Juli mit Mitarbeitern, deren Familien, Kunden und Gewerkspartnern. „Kinder können ein Vogelhaus zimmern, wir bauen gemeinsam ein Holzspielhaus für die Kita ‚United Kids‘, und abends spielen zwei Bands“, erzählt Borghetto.

Auch für die Zukunft haben sich die Grünspechte einiges vorgenommen: Der Strohbau und das serielle Sanieren, mithin die energetische Sanierung von bestehenden Gebäuden unter Verwendung abseits der Baustelle vorgefertigter Fassaden- oder Dachelemente sowie deren Montage am Gebäude, spielen eine große Rolle. Passend zum Jubiläum kommt der Deutsche Strohbautag in diesem Jahr nach Freiburg. Die Zimmerei ist Ende April Co-Gastgeber. Und in der Halle am Firmensitz können Interessierte dann anhand von Praxisbeispielen lernen, wie der Strohbau funktioniert. „Bei uns wird’s halt niemals langweilig“, sagt Borghetto und lacht.

Fotos: © Zimmerei Grünspecht