Das Bio-Wagnis: Naturgut Hörnle setzt auf Demeter-Landwirtschaft STADTGEPLAUDER | 07.05.2019 | Tanja Senn

Naturgut-Hörnle

Einen heruntergewirtschafteten Betrieb in einen Demeterhof verwandeln: Dieser Herausforderung haben sich Joel Siegel und Sonja Mathis-Stich angenommen und das Naturgut Hörnle aufgebaut.

Joel Siegel ist schwer beschäftigt. Eben noch auf dem Traktor, sitzt er nun auf einem der roten Holzstühle vor der Theke im Hofladen, das Handy immer im Blickfeld. Eine halbe Stunde, höchstens, dann muss er wieder aufs Feld. Dass der 40-Jährige im Stress ist, kann man nachvollziehen: Innerhalb von drei Jahren haben er und Sonja Mathis-Stich das Naturgut Hörnle aufgebaut – und dabei zahlreiche Hürden genommen.

Für Siegel war es kein komplettes Neuland. Vor mehr als zehn Jahren hat der Elsässer bei Schallstadt-Mengen einen Bio-Obsthof gegründet. Vor fünf Jahren bekam er dann eine neue Nachbarin: Mathis-Stich hatte die damalige Gärtnerei Schmelzer übernommen und erst mal so weiterlaufen lassen wie ihr Vorgänger. „Ich habe aber schnell gemerkt: Das passt so nicht“, erinnert sich die 55-Jährige heute. „Wie mit den Böden umgegangen wurde, die Arbeitsweisen, das hat mir keine Freude gemacht.“ Also beschlossen sie und Siegel 2015, ihre Höfe zusammenzulegen und nach den strengen Demeter-Richtlinien zu bewirtschaften. Siegel brachte die Expertise und die Kontakte zu den Biohändlern mit, Mathis-Stich die Flächen.

Denn erst eine bestimmte Größe mache einen „Hoforganismus“ möglich, erklärt Siegel, der vorher auf seinen rund 20 Hektar weder Platz für Tiere noch Getreide hatte. Beides ist aber Voraussetzung für einen geschlossenen Kreislauf, in dem die Tiere die Felder düngen und das eigene Biofutter bekommen. Heute grasen auf den Wiesen Hühner und Schafe. Eine Seltenheit im Rheintal, so Siegel: „Hier sind die Bodenpreise zu hoch für Tierhaltung.“ Grünstreifen oder Hecken für Insekten und die eigenen Bienen hätten nun durch die Zusammenlegung der Höfe Platz. Außerdem würden die Böden durch eine größere Fruchtfolge geschont.

Die Entscheidung für die ökologische Landwirtschaft war kein reiner Idealismus. „Im konventionellen Anbau hätte der Betrieb keine Zukunft gehabt“, sagt Mathis-Stich, „wir hätten nicht wirtschaftlich arbeiten können.“ Doch auch, ob sich der Hof im Biobetrieb als rentabel erweist, muss sich erst herausstellen. Noch steckt er tief in den roten Zahlen. Auf 700.000 bis eine Million Euro schätzt Siegel die bisherigen Investitionskosten.

Naturgut-Hörnle_2

Sind das Wagnis der Umstellung auf bio eingegangen: Sonja Mathis-Stich und Joel Siegel.

Zunächst nur Ausgaben und keine Einnahmen

Ein Jahr lang konnte der Hof keinerlei Umsatz machen. Schließlich müssen bei der Umwandlung zum Ökolandbau alle Acker- und Grünlandflächen mindestens eine zweijährige Umstellungszeit durchlaufen. Im ersten Jahr kann noch gar kein Biogemüse verkauft werden, im zweiten Jahr muss es als „Umstellungsware“ gekennzeichnet werden. „Viele Bioläden verkaufen die nicht, weil die Kunden nicht wissen, was das ist“, sagt Siegel. Er hatte das Glück, bereits gute Beziehungen zum Biohandel zu haben – und in Naturkost Rinklin einen Partner zu finden, der bereit war, die Umstellungsware zu verkaufen.

In zwei bis drei Jahren hoffen Siegel und Mathis-Stich endlich schwarze Zahlen zu schreiben. „Dafür muss alles gut laufen, es darf keinen schlimmen Frost geben, einfach nichts passieren.“ Die Forderung aus der Gesellschaft, dass doch möglichst alle Höfe auf ökologischen Landbau umstellen sollen, hält Siegel für unsinnig. „Jeder Betrieb hat eine – oft über Generationen gewachsene – Struktur, eine Familie zu ernähren, ein Haus zu finanzieren“, gibt er zu bedenken. „Da muss man sich gut überlegen, ob man zwei Jahre lang nur investiert und vielleicht alles in Gefahr bringt.“ Zudem sei der Markt gar nicht so groß, dass er noch viele Biobetriebe vertrage.

Trotz aller Herausforderungen bereut der Betriebsleiter die Umstellung nicht. Und auch für die Zukunft gibt es noch viele Pläne. So möchte Mathis-Stich aus dem Hof einen „Begegnungsort“ machen: Schulklassen, die hier regelmäßig gärtnern, Kochkurse für Kinder oder Vorträge über Landwirtschaft – ein kleines Programm soll noch dieses Jahr starten. Eine Möglichkeit, den Demeterhof kennenzulernen, bietet auch die Vollmondbar, die vom Weingut Kalkbödele in Merdingen hierher zieht.

Trotz allem soll dieses Jahr auch endlich Zeit sein, mal wieder durchzuatmen. „Ein Urlaub mit der Familie“, sagt Siegel, bevor er sich wieder auf den Traktor schwingt, „das muss dieses Jahr drin sein.“

Info

Naturgut Hörnle
Horner 3, 79227 Schallstadt-Mengen
www.naturgut-horner.de

Vollmondbar
18. Mai, 17. Juni, 16. Juli,
15. August und 14. September,
jeweils ab 18 Uhr

Fotos: © Tanja Senn