Neuer Kammerdiener zu schnell im Kreuzfeuer der Kritik Die Entscheidung von IHK und Dieter Salomon verdient Respekt business im Breisgau | 11.06.2019 | Lars Bargmann

IHK Salomon

Dieter Salomon (58) wird neuer Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein (IHK). Mit Alwin Wagner (31) bekommt Freiburgs Alt-OB erstmals in der Kammergeschichte einen Stellvertreter zur Seite gestellt.

Vom Herrscher zum Diener: Dieter Salomon macht in diesen Tagen eine Metamorphose durch. Sicher ist es überraschend, dass sich der von Martin Horn aus dem Amt gedrängte ehemalige Rathauschef überhaupt auf einen solchen Posten beworben hat. Er rief zuvor bei IHK-Präsident Steffen Auer an, ob dieser seine Bewerbung ernsthaft prüfen werde. Auer rief sodann bei Horn an und berichtete von Salomons Vorstoß. Unter 120 Bewerbern machte der Ex-OB dann das Rennen um den gut dotierten, aber längst nicht überall goutierten Job.

Salomon bringe sämtliche Anforderungen mit sich, begründete Auer unlängst vor Journalisten die Entscheidung. Er ist politisch gut vernetzt, nicht zuletzt in Stuttgart und Berlin, „kann Türen öffnen“, habe Wirtschaft studiert, sei ein „gescheiter Kopf“, ein Experte der öffentlichen Verwaltung, habe grenzüberschreitende Erfahrungen und sei ein „sehr guter Redner“. Das Allerwichtigste aber: „Er hat richtig Lust auf den Job und will seine Rolle wahrnehmen.“

Er kann Türen öffnen

Das Rollenverständnis wird beim Gelingen wohl die größte Rolle spielen. Salomon und Auer bringen die Positionen der Vollversammlungen unters Volk, vielmehr: als Lobbyisten auf die politische Bühne. Auch wenn Salomon selbst das nicht als politisches Comeback einschätzt: „Ich werde nicht einmal Politik durch die Hintertür machen.“

Die Kammer hat mit dem bisherigen Hauptgeschäftsführer (HGF) Andreas Kempff einen erfahrenen Spielmacher an einen anderen Verein abgegeben. Ob Salomon auf dieser Position nun eine Verstärkung oder erst einmal ein Perspektivspieler ist, wird sich zeigen. Die Entscheidung der Kammer – vor allem als doppelte mit dem HGF in spe, Alwin Wagner, ist sehr nachvollziehbar.

Volkes Stimme zeigte sich, nachdem die BZ die Personalie bekannt gemacht hatte, im typischen Reflexmodus: Filz, Versorgung ausgeschiedener Politiker, Qualifikation Vitamin B. Kritik – oder eher: Unverständnis – an der Entscheidung von Salomon ist durchaus verständlich.

Aber wenn sich der Ex-OB nun mal so und auch das Rennen für sich entschieden hat, verdient der neue Kammerdiener auch Respekt. Er verzichtet für den Job auf fast eine halbe Million Euro an Versorgungsleistungen. Er hätte es auch einfacher haben können, als nun den Kopf wieder hinzuhalten. Und er wird sicher nicht sanfter bewertet als sein Vorgänger, der „aus privaten Gründen“ die Kammer wechselte.

Kempff warfen wichtige Menschen in der Stadt durchaus mal arrogantes Verhalten vor. Ende 2017 hatte er sich mit der IHK bei einem Projekt zur Förderung von Digital Hubs in Baden-Württemberg (mit Projektpartnern wie der Handwerkskammer, der Universität Freiburg, der Hochschule Offenburg, den Wirtschaftsregionen Ortenau und Südwest, der FWTM, bw-con, Klimapartner Oberrhein und anderen) kurz vor Abgabe des Förderantrags nach ein paar Sätzen aus der Runde verabschiedet. „Alle Anwesenden waren völlig perplex und not amused“, erinnert sich ein Beteiligter.

Salomon war arrogantes Verhalten im OB-Wahlkampf vorgeworfen worden. Jetzt aber macht er anderen Eindruck: „Ich kann nützlich sein.“ – „Der Hauptgeschäftsführer hat die Aufgabe, den Präsidenten gut rauszubringen.“ – „Ich fühle mich der Raumschaft verpflichtet.“ So spricht Salomon heute. Wenn das sein neues Rollenverständnis ist, ist das nicht zu kritisieren, sondern beachtlich.

Auch das Rollenverständnis der Kammer an sich steht auf der Tagesordnung. Zusammen mit Prognos erstellt die IHK derzeit eine große Regionalstudie, die Erkenntnisse über die künftigen Handlungsfelder bringen soll. Die IHK, sagt der Präsident, müsse sich von einer „bürokratischen Organisation zu einer mitgliederorientierten Kammer“ entwickeln. Man kenne die großen Betriebe, die kleinen und mittleren aber weniger. Für Salomon sind es gerade die Familienbetriebe, die Mittelständler, die gefördert werden müssen. Die Wirtschaft in Südbaden müsse mehr „mit einer Stimme sprechen“, sagt Auer. Dazu würde auch die IHK Hochrhein-Bodensee zählen. Sicher ein zu beackerndes Feld für die neue Doppelspitze der Kammer. Die Digitalisierung ein drittes.

Auer bekräftigte auch seinen Wunsch nach einer baulichen Erweiterung in Freiburg, wo die Lage „weniger wirtschaftsfreundlich sei“ als etwa in der Ortenau. In Freiburg gibt es zudem Vorbehalte gegen die Neubaupläne auf dem Crash-Areal oder der Faulerpalette (wir berichteten). „Die Stadtverwaltung hat unsere Pläne im Auge“, drückte sich Auer aus.

Der ehrenamtliche Präsident Auer, der vielstimmig für sein äußerst aktives Wirken gelobt wird, wird die IHK satzungsgetreu im Jahr 2021 verlassen. Salomons Arbeitspapier läuft bis Mitte 2024. Ob dann Wagner, der in der IHK eine steile Karriere hingelegt hat, sein Nachfolger wird, ist offen. Das entscheidet dann – wie bisher – die 50-köpfige Vollversammlung, die sich drei Mal im Jahr trifft.

Über das konkrete Abstimmungsergebnis bei der Wahl schwieg sich Auer ebenso aus wie über die Bezüge von Salomon. Bei der IHK in Essen kassiert der Chef 172.000 Euro. Im Jahr 2017 verdiente die siebenköpfige Führungsebene der Freiburger Kammer 767.175 Euro.

Foto: © IHK