Rangeleien ums Crash-Arsenal: Initiative Flurstück 277 gibt sich kämpferisch STADTGEPLAUDER | 14.07.2019 | André Daub

Günstige Wohnungen, Veranstaltungsräume für Vereine, soziale Bewegungen und ein Musikkeller: So stellt sich die Initiative Flurstück 277 das von Crash und Drifters genutzte Gelände an der Schnewlinstraße vor.

Damit es losgehen kann, fordern die Initiative und mehrere Fraktionen im Gemeinderat einen Erbpachtvertrag für die Gruppe – unabhängig von den Erweiterungsplänen der benachbarten Industrie- und Handelskammer (IHK). Die Stadtverwaltung stellt sich quer und möchte das Grundstück für die IHK offenhalten.

Matthias Möller, Mario Held und Helma Haselberger sind zum Ausharren auf weichen Sofas verdammt. Dabei könnten sie eigentlich loslegen. Es ist Mittwoch und die Initiative Flurstück 277 trifft sich zum Plenum auf dem Crash-Gelände. Auf dem Tisch liegen Pläne für eine künftige Bebauung. „100 Stück haben wir verteilt“, erzählt Möller. Mehr als 50 sind zurückgekommen. Sechs Wochen hatten die Menschen Zeit, um eine Zukunft auf dem Flurstück zu entwerfen. Das Architekturbüro ABMP hat diese Vorstellungen nun umgesetzt.

Geplant ist eine Mischung aus Räumen für Stadtteilprojekte, Vereine, Bewegungen, Kleingewerbe und 1000 Qua­dratmetern Wohnen, wovon die Hälfte sozial gefördert und zwischen 6 und 7,50 Euro Miete pro Quadratmeter kosten soll. Acht Millionen Euro sind dafür veranschlagt. Die Initiative fürchtet um die Früchte der Arbeit. Denn die Stadtverwaltung bindet ihre Zukunft weiter an die Pläne der IHK, die ebenfalls dort bauen möchte.

Im Februar hatten Unabhängige Listen (UL), SPD, die Fraktionsgemeinschaften JPG und FL/FF eine Abstimmung im Gemeinderat über eine „Entkoppelung“ von Crash- und IHK-Plänen gefordert. Zudem solle mit der Initiative ein Erbpachtvertrag ausgehandelt werden. Das Rathaus legte im März eine Informationsvorlage zur nicht-öffentlichen Diskussion im Hauptausschuss vor, die auch dem chilli vorliegt. Demnach soll das Crash-Areal so lange geblockt bleiben, bis für die IHK ein anderes Grundstück, etwa auf der angrenzenden Fauler-Palette, gesichert ist. Ob das klappt, steht weiter in den Sternen. Zu einer öffentlichen Diskussion kam es wegen der unpassenden Vorlage nicht. Der Antrag wurde von der nächsten Gemeinderatsitzung abgesetzt.

Objekt der Begierde: Sowohl die Initiative als auch die IHK wollen auf dem Crash-Areal erweitern.

„Weil das Thema noch keinen Stand erreicht hatte, der eine zielführende öffentliche Beratung zuließ“, heißt es dazu von Jens Dierolf, dem Leiter des städtischen Pressebüros. Die Verwaltung setze weiter auf Gespräche zwischen IHK und der Initiative. Der Gemeinderat werde über die Ergebnisse informiert. Die Initiative hofft nun, dass das neue Gremium erneut für eine Entkoppelung streitet und das Rathaus diesmal eine entsprechende Vorlage erarbeitet: „Wir müssen jetzt Direktkredite einwerben, um unsere Pläne umzusetzen“, erklärt Helma Haselberger, die für das Mietshäusersyndikat ehrenamtlich berät. Die Initiative könne nicht warten, bis für die IHK eine Lösung gefunden ist.

Die UL unterstützen weiter die Entkoppelung, sagt Vizefraktionsvorsitzende Irene Vogel. Die Mehrheitsverhältnisse im neuen Gemeinderat sind schwer einzuschätzen. Die antragstellenden Fraktionen haben zusammen vier Sitze verloren. Die CDU, bisher Gegner der Entkoppelung, drei. Auch wenn es gelingt, „Urbanes Freiburg“ und „Teilhabe und Inklusion“ dafür zu gewinnen, hängt viel von den Grünen als stärkste Fraktion ab. Die möchten die Gespräche zwischen IHK und Initiative abwarten. „Dann werden wir über das weitere Verfahren beraten und uns festlegen“, sagt Stadtrat Eckart Friebis. Oberbürgermeister Martin Horn betont gegenüber dem chilli, dass ihm neben der Wirtschaftsförderung auch die Stärkung der Kreativ- und Subkultur ein zentrales Anliegen ist.

Noch hat die Initiative den Vorteil, dass zwischen Crash, Drifters und Stadt ein Pachtvertrag bis 2024 besteht. Betreiber Mario Held gibt sich kämpferisch: „Bevor dieser Vertrag nicht ausläuft, kann hier niemand tätig werden, außer uns!“

Fotos: © André Daub