Quälende Querelen um die Quäkerstraße: Familienheim im Zwist mit OB Horn business im Breisgau | 28.07.2019 | Lars Bargmann, Philip Thomas

Familienhaus

Die Freiburger Stadtverwaltung um Oberbürgermeister Martin Horn liefert sich ein öffentliches Duell mit der Baugenossenschaft Familienheim Freiburg.

Dass ein Oberbürgermeister sich in einem Aufmacher seines eigenen Presseorgans, dem städtischen Amtsblatt, „enttäuscht von der Geschäftsführung“ zeigt, dürfte so gut wie einmalig sein. Die Geschäftsführer Anja Dziolloß und Alexander Ehrlacher kritisieren ihrerseits ein „unüblich hartes Vorgehen gegen eine Genossenschaft“. Und legen abseits der Querelen um die Quäkerstraße eine gute Bilanz fürs vergangene Jahr vor. 

„Unsere Bilanz ist geprägt von solidem Wachstum“, fasste Ehrlacher das Jahr 2018 unlängst vor Journalisten zusammen. Auf diesem „gesunden Fundament“ investierte die Genossenschaft 7,8 Millionen Euro in die Modernisierung des Bestandes – das sind 38,81 Euro pro Quadratmeter und damit sieben Euro mehr als der Durchschnitt der baden-württembergischen Genossenschaften. 3,4 Millionen -allein in die Charlottenburger Straße 5, ohne hernach die Miete zu erhöhen, wie Dziolloß betonte. 

Zusätzliche 3,5 Millionen Euro steckten die Genossen in neue Wohnungen, etwa in ein Sechsfamilienhaus in Holzmassivbauweise in Mooswald oder in die neue Wohnanlage an der Falkensteinstraße in der Wiehre, wo auch eine Kinderkrippe gebaut wurde. Unterm Strich blieben ein Gewinn von 2,4 Millionen Euro (siehe Zahlen & Fakten), mehr Mitglieder und mehr Anlagevermögen. Und: Wer bei der Familienheim in einer der derzeit rund 2700 Wohnungen lebt, zahlt im Schnitt nur 7,03 Euro. Die Durchschnittsmiete des Freiburger Mietspiegels liegt seit Anfang des Jahres indes bei 8,56 Euro.

Anja Dzillloß und Alexander Ehrlacher

Fühlen sich ungerecht behandelt: Anja Dziolloß und Alexander Ehrlacher.

Eine kerngesunde Genossenschaft, faire Mieten, Überschüsse, Dividenden für die Mitglieder, es gibt keinen Grund zur Klage – eigentlich. Doch die heftigen Auseinandersetzungen um den geplanten Abriss des sanierungsbedürftigen Gebäuderiegels Quäkerstraße 1 bis 9 trüben die Stimmung merklich ein. Mit solchen meist aus schlechtem Baumaterial erstellten Nachkriegsbauten haben auch andere Eigentümer, etwa die Freiburger Stadtbau im Metzgergrün oder der Bauverein Breisgau am Uni-Carré oder in Littenweiler, Probleme und reißen sie lieber ab, als noch Geld in solche Substanz zu investieren. Zumeist ohne viel Tamtam. 

Denn weder die Stadtbau noch die Baugenossenschaften stehen in dem Ruf, Luxussanierungen zur eigenen Bereicherung auf der Agenda zu haben. In der Wiehre, wo sich ja in der Vergangenheit auch schon mal drei Bürgervereine tummelten, ist das anders: Hier gründete sich aus Bewohnern – mithin Mitgliedern der Genossenschaft – und anderen Bürgern eine Initiative, die viele Fraktionen aus dem Rathaus und nicht zuletzt auch Horn hinter sich scharten. „Wir haben ein großes Interesse daran, die Gebäude an der Quäkerstraße zu erhalten, solche Wohnungen gibt es in der Wiehre nicht mehr“, sagt Horn. 

Er habe kein Interesse an einem Konflikt. Er habe ein gemeinsames Gespräch mit dem Vorstand und der Initiative gewünscht, diesem Wunsch habe sich der Vorstand „bislang konsequent verweigert“. Mitten in den Dialog habe die Familienheim dann Mitte Februar an ihn und gleichzeitig auch an alle Fraktionen geschrieben, dass sie sich nicht mit Vertretern der Initiative an einen Tisch setzen werde, um eine soziale Vereinbarung auszuarbeiten. „Unser Ansprechpartner ist die Stadtverwaltung und nicht eine Initiative“, sagt Ehrlacher. 

Er und Dziolloß hatten im Juni 2017 erstmals die Mieter in den 300 Wohnungen im Quartier zwischen Türkenlouisstraße und Adalbert-Stifter-Straße darüber informiert, dass der Bestand auf seine Zukunftsfähigkeit untersucht wird. „Wir machen dort nichts anderes, als wir in den anderen Stadtteilen auch gemacht haben“, erzählt Dziolloß. 

»Unüblich hartes Vorgehen«

Im August stand nach einem Gutachten fest, dass bei der schlechten Substanz der Anfang der 50er-Jahre gebauten Häuser Quäkerstraße 1 bis 9 eine wirtschaftlich vertretbare Sanierung nicht darstellbar ist. Am 9. November informierten Dziolloß und Ehrlacher alle Mieter in dem Gebiet in der eigens angemieteten Katholischen Akademie über die Pläne. Eine Woche später waren alle Fraktionen aus dem Gemeinderat zu Gast am Sitz der Genossenschaft. Tags drauf wurden die Pläne der Initiative vorgestellt. Der Gestaltungsbeirat, in den die Genossen auf Wunsch des Rathauses gegangen waren, plädierte Ende November für den Erhalt. Ohne sich über den konkreten Zustand der Gebäude groß Gedanken zu machen. Die Sache eskalierte. Es kursierten Falschbehauptungen, auch in überregionalen Medien. Die Stimmung wurde immer schlechter. Im OB-Wahlkampf schlug sich Horn auf die Seite der Initiative. Und wiederholte das auch in Amt und Würden Anfang des Jahres auf einem Neujahrsempfang des Bürgervereins Mittel- und Unterwiehre. 

Im vergangenen Mai beschloss der Gemeinderat, das Rathaus solle die Möglichkeiten einer sozialen Erhaltungssatzung prüfen – und auch einer baulichen, was bis dahin kein Thema war. Damit zückte die Politik ein scharfes Schwert gegen die Genossen. Die Initiative jubelte, in den Amtsstuben war man weniger begeistert, weil das viele Kapazitäten erfordert – in einer ohnehin schon angespannten Personallage im Baudezernat. Ob das Schwert auch rechtlich Wirkung zeigt, muss sich indes erst noch erweisen. „Wir müssen nun schauen, was in der sozialen Erhaltungssatzung drinsteht und ob das nicht ohnehin schon durch unser Sozialpaket abgedeckt ist“, sagt Dziolloß. Natürlich werde man das rechtlich prüfen. Wie es weitergeht, steht derzeit in den Sternen.  

Und weil es in der Wiehre nicht vorangeht, setzen die Genossen nun vermehrt aufs Umland. In Emmendingen werden demnächst sechs Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus bezugsfertig, das in Ziegelbauweise erstellt wurde und also ohne Wärmedämmverbundsystem auskommt. In Kirchzarten am Kurhaus sollen ab Herbst für 3,2 Millionen Euro zehn Wohnungen gebaut werden, 18 Wohnungen sind an der Colmarer Straße in Breisach geplant. 

In der Wiehre bleibe man „grundsätzlich gesprächsbereit“, auch wenn die Resonanz der Gegenseite „gleich null“ sei, sagte Dziolloß bei der Bilanzpressekonferenz. Horn sieht es genau andersherum. Man suche ständig den Kontakt, komme aber nicht an -einen Tisch. 

Auswirkungen auf den Bau des geplanten Stadtteils Dietenbach solle der Disput laut Dziolloß nicht haben: „Wir gehen nicht davon aus, dass wir dadurch Nachteile davontragen. Die Stadt will alle Genossenschaften am Tisch.“

Nach Informationen des business im Breisgau hatte die Stadtverwaltung übrigens zwischenzeitlich eine Familie mit einem Kleinkind in dem Gebäuderiegel Quäkerstraße untergebracht. Bewohner schalteten wegen des damit verbundenen Lärms im schlecht schallgeschützten Gebäude den Mieterbund ein. Die Familie musste wieder ausziehen. Die Bewohner-Initiative nennt sich „Wiehre für alle“. 

 

Fotos: © Familienheim Freiburg