Mit Liebe gequält: Käptn Peng auf dem ZMF STADTGEPLAUDER | 01.08.2019 | Philine Sauvageot

Der Käptn & Die Tentakel von Delphi stehen im Dunkeln. Nur provisorisch an die Stirn geklebte Lampen werfen grelles Licht auf die fünf Gesichter im ZMF-Zirkuszelt. Die etwas andere HipHop-Band hat ganz offenbar ihr eigenes Team für das Licht mitgebracht. Und die Spannung steigt. Ein paar Glühbirnen springen an, dann die wuchtigen Scheinwerfer.

Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi sind unvergleichbar. Irgendwas zwischen Poetry Slam, Rap, Rock und Folk. Auch an diesem Abend geben sich die fünf Berliner an Kontrabass, Gitarre, den Percussions und Mikrofonen eigenwillig. Frontmann und Sänger Robert Gwisdek sagt: „Wir wollen euch nicht mit Freiburg ansprechen. Wie wollt ihr heißen?“ Er hält das Mikrofon in die erste Reihe, eine Frau antwortet: „Edeltraut“. Hallo, Edeltraut. Und so passen Peng, die Tentakel und Freiburg bestens zusammen – im Wunsch, anders zu sein. So eigenwillig sind auch die Instrumente: Aus den Percussions wachsen Sonnenblumen aus Plastik und eine fleischige Hand. Hier und da hängen Kuchenbleche. Die Hi-Hat 2.0.

Der Käptn ist wirklich einer: Feder im Hut, geflochtene Zöpfe, eine ständig wechselnde Stimme, mal brecheisern, dann koboldhaft und fast nasal wie Jan Delay. Robert Gwisdek spricht uns zwischen den Songs immer direkt an. Nimmt einen Schluck („Erstmal ’n Tee!“) und hat es auf die Kleinigkeiten unseres Alltags abgesehen: wie unaufmerksam wir uns tagtäglich begrüßen oder wie schlecht uns die Schule auf das Leben vorbereitet, auf die verklausulierten Anträge beim Arbeitsamt etwa. Robert spricht aus Erfahrung.

Begeistert vom Käptn: Das Publikum, genannt „Edeltraut“, feiert die im Rampenlicht stehenden Querköpfe.

Musikalisch ist das höchst eingespielt und immer überraschend: Mal steppen alle wie in der Disko zu dunklen Bässen, etwa zum Song „Wobwobwob“. Dann spielt Robert mit seinem Vocoder herum und pitcht seine Stimme: „Heute habe ich entdeckt, dass ich ein Ufo aus den 50ern nachmachen kann.“ Es flirrt und summt. Seine Botschaft: „Ich will euch mit Liebe quälen.“ Mit derselben Liebe ist auch das Publikum gekommen: Extrem textsicher wippt und singt man hier mit. Ein Fan hat sogar einen Strauß Zitronenmelisse mitgebracht, in Zeitungspapier gehüllt. Den würde er der Band gerne später überreichen, sagt er.

Weniger stark: Wenn Robert und sein Bruder Johannes, eigentlich am Schlagzeug, gemeinsam rappen. Eine Zeitreise in die 90er Jahre und den HipHop von damals. Abgehackt und monoton, immer in einer Tonlage. Das erinnert die Einlage an den Sprechgesang der Fanta 4. Nur was für Nostalgiker. Die Tentakel sind dann stark, wenn sie die Antithese zum deutschen Rap geben. Mal sinnig, weil philosophisch, mal völlig sinnfrei und eher neurotisch. Jedenfalls ohne dicke Hose.

Was da sonst auf der Bühne passiert, ist wie ein Hörspiel, das ungemein unterhält: Unverhofft hält das Quintett mitten im Stück inne, kein Ton mehr, keine Bewegung, das Publikum pfeift. Minutenlang geht das so, dann kommen zwei Männer auf die Bühne. Sie spielen zwei undefinierbare Instrumente, die an Klarinette und Sitar erinnern und tropische Klänge wie aus dem Urwald erzeugen. Sie setzen ab, stecken Robert das Mikro zurück in die Hand und der Bann ist gebrochen. Das Orakel macht weiter wie gehabt. Man wünscht sich, ab heute jeden Tag so euphorisiert in See zu stechen.

Fotos: © Philine Sauvageot