Die Extrovertierte und der Expressionist: Scherer in Freiburg, Monroe in Riegel STADTGEPLAUDER | 11.10.2019 | Lars Bargmann

Marilyn Monroe_

Mögen Sie’s ein bisschen direkter, roher, emotionaler? Dann sind Sie bei der gleichnamigen Ausstellung des Expressionisten Hermann Scherer im Museum für Neue Kunst (MNK) im Herzen von Freiburg gut aufgehoben. Interessieren Sie neben dem Sexappeal von Marylin Monroe auch die anderen Seiten der wohl meistfotografierten Frau der Welt? Dann lohnt ein Besuch der Kunsthalle Messmer in Riegel.

Es ist schon ein kleiner Coup, der der MNK-Leiterin Christine Litz und ihrem Team gelungen ist. Hermann wer?, werden sich viele Kunstinteressierte gedacht haben. Scherer, Hermann, geboren 1893 bei Lörrach, mit 17 in die Schweiz rübergemacht. Und mit 34 schon gestorben, an einer Streptokokken-Infektion.

Scherer, von Edvard Munch inspiriert, zählt zu den wichtigsten Expressionisten der Schweiz. Albert Müller zählt auch dazu. Oder Paul Camenisch. Die drei hatten in der Silvesternacht 1924/25 die Künstlervereinigung „Rot-Blau“ gegründet. Und natürlich ist Ernst Ludwig Kirchner, geboren 1880 in Aschaffenburg, zu nennen, in dessen Kernschatten viele Scherer kaum wahrgenommen haben.

Kirchner hatte mit Gleichgesinnten die Künstlergruppe „Brücke“ gegründet. Die Nazis hatten seine Kunst 1937 als „entartet“ gebrandmarkt, mehr als 600 Werke wurden zerstört, ein Jahr später nahm er sich das Leben. Scherer hatte 1923, 1924 häufiger bei Kirchner in den Bergen um Davos gelebt, aus Freundschaft erwuchs schließlich Feindschaft, weil Kirchner seinem Gast Epigonentum ankreidete. Vielleicht war er auch einfach nur ein bisschen neidisch auf die Arbeiten von Scherer, der Steinmetz gelernt hatte und im Ausdruck ein bisschen direkter, roher, emotionaler war.

Ausstellung Scherer

Museum für Neue Kunst – Städtische Museen Freiburg, Nachlass Hermann Scherer

Im Fokus der Ausstellung – die eigene Werke des Museums, aber auch Leihgaben zeigt – stehen vor allem die letzten drei – fast schon furchtbar fruchtbaren – Jahre im Leben Scherers: Skulpturen in Holz, von beiden Seiten bemalte Leinwände, Gemälde, Zeichnungen auf Papier, eine Gipsbüste. Die Fotografin Eva Rugel nimmt die Besucher mit einer Multimedia-Installation auf eine kleine Reise mit, verortet Scherers Werke in heutigen Landschaften und Szenen. Viele Werke Scheres haben etwas Bedrohliches, Lauerndes, Hintergründiges, Abgründiges.

In Abgründe geschaut hat auch Marylin Monroe, die schon einmal in der Kunsthalle von Jürgen Messmer zu sehen war, vor ein paar Jahren, als Andy Warhol in Riegel gastierte und Monroe in zehn Motiven die Blicke auf sich zog. Der Blick auf den Megastar ist es, den die Ausstellung mit mehr als 100 Fotografien zum Thema macht. Monroe als Sexsymbol, als Kunstfigur, privat, gespielt schüchtern, nachdenklich, zweifelnd.

Es sind Fotografien von Tom Kelley, der 1949 die Reize der jungen Marilyn festhält und es mit einem Bild vier Jahre später ins Herz der ersten Playboy-Ausgabe schafft. Werke von Milton H. Greene, der in den 50ern und 60ern die Größen der Kunst-, Film- und Musikbranche vor die Linse brachte. Natürlich von Bert Stern und Andy Warhol, von James Francis Gill (1934), der mit seinen Monroe-Bildern erstmals internationale Anerkennung erfuhr – sein „Marilyn Triptych“ nahm das New Yorker Museum of Modern Art 1962 in seine ständige Sammlung auf – oder auch von Leif-Eric Nygård, der  fünf Wochen vor ihrem medikamentenvergifteten Tod im Sommer 1962 die letzten professionellen Fotos von Monroe schoss.

Kirchner warf einen Kernschatten auf Scherer

Ein Leben in Bildern oder besser: in Blicken auf eine Frau, die aus ärmlichsten Verhältnissen stammte, als zweiwöchiger Säugling in eine erste Pflegefamilie kam, die 15 Jahre zwischen fünf Familien und dem Waisenhaus hin- und hergereicht wird, die dann in ihrer Not den Nachbarsjungen Jim Dougherty heiratet, mit 18 vom Militärfotografen David Conover entdeckt wird und schon ein Jahr später ein begehrtes Model ist.

Und die 1954 in der Männerdomäne Filmemacher mit ihrem Freund Milton H. Greene ihre eigene Produktionsfirma, die Marilyn Monroe Productions Inc., in New York gründete. Mit 51 Prozent der Anteile. Acht Jahre später, mit 36, stirbt sie in ihrem Bett. Sicher ist, dass sie ständig in psychoanalytischer Behandlung war und Psychopharmaka nahm. Unklar ist aber, ob sie den tödlichen Cocktail absichtlich genommen hat – oder ob sie ermordet wurde. „Leben und Legende“ ist die Schau betitelt. Eine gute Wahl. 

 

Museum für Neue Kunst Freiburg:
Die Scherer-Ausstellung läuft bis zum 15. März.
Offen: dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.
Eintritt: 7 Euro.

Kunsthalle Messmer:
Die Monroe-Ausstellung läuft bis zum 2. Februar.
Offen: dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.
Eintritt: 13,50 Euro.

Fotos: © Bert Stern, Bernhard Strauss