Zoe heißt Leben: Einsatz für Flüchtlinge im Mittelmeer STADTGEPLAUDER | 11.03.2020 | Stella Schewe

Zoe Katharina

Im Sommer 2017 retteten sie Hunderten von Flüchtlingen im Mittelmeer das Leben: Zoe Katharina aus Freiburg und die Helfer von „Jugend Rettet“. Dafür werden sie im April mit dem Menschenrechtspreis von Amnesty International ausgezeichnet.

Dafür drohen ihnen aber auch bis zu 20 Jahre Haft. Über ihre Erfahrungen hat die 23-Jährige ein Buch geschrieben: „Zoe heißt Leben“. REGIO-Redakteurin Stella Schewe hat sie getroffen.

Zoe-Katharina

Zoe Katharina erzählt von einer Rettungsaktion der Iuventa.

Lust auf REGIO: Wie kommt eine junge Frau aus Freiburg auf ein Rettungsschiff vor der libyschen Küste?

Zoe Katharina: Ich habe im Fernsehen die Bilder von Menschen gesehen, die im Wasser sterben. Das hat mir keine Ruhe gelassen. Da ich als Jugend-liche am Schluchsee Motorboot fahren gelernt habe, wusste ich, ich kann helfen, und habe mich bei „Jugend Rettet“ gemeldet.

Lust auf REGIO: Hatten Sie keine Angst?

Z. Katharina: Klar wusste ich um die sogenannte „Libysche Küstenwache“ – ich würde sie eher Milizen nennen. Aber ich wusste auch: Wenn wir die Menschen nicht retten, sterben sie. Deswegen waren diese Gefahren für mich nicht relevant.

Lust auf REGIO: Und wie lief der Einsatz ab?

Z. Katharina: In meinem „Sommerurlaub“ flog ich nach Malta, und dort ging es auf die Iuventa. Nach einer Nacht auf See kamen wir in der Such- und Rettungszone vor der libyschen Küste an, und da ging auch schon ein Notruf von der Seenotrettungsleitstelle MRCC in Rom ein. Oft lauten ja die Vorwürfe, dass wir einfach unser Ding machen würden, aber das stimmt gar nicht, das ist alles geregelt.

Lust auf REGIO: Was war Ihre Aufgabe?

Z. Katharina: Wir sind auf die Motorboote. Meines war klein, ein sogenanntes Sicherungsboot. Das größere hat die Menschen von ihrem Boot zur Iuventa gebracht. Ich habe geschaut, ob jemand ins Wasser rutscht und ob sich Unruhe ausbreitet. Das größte Problem ist eine Massenpanik, auf den Schlauchbooten sind ja bis zu 180 Menschen.

Lust auf REGIO: Wie viele Menschen hat Ihre Crew gerettet?

Z. Katharina: Offiziell waren auf der Iuventa 1312 Menschen. Aber es waren sicher noch viel mehr. Unser Job war die Erstversorgung. Danach haben wir sie zu größeren Schiffen gebracht.

Lust auf REGIO: Mit was für Situationen wurden Sie konfrontiert?

Z. Katharina: Eigentlich mit allem: Damit, dass die sogenannte Libysche Küstenwache Boote zurück an Land drücken wollte, dass wir zwei Wasserleichen gefunden haben oder damit, dass vor unseren Augen Boote sanken und Menschen ertranken. In der Situation selbst funktioniert man, aber hinterher habe ich mich gefragt: Wie kann so etwas passieren?

Lust auf REGIO: Gab es auch gute Momente?

Z. Katharina: Ja, und zwar ausgerechnet nach einer ziemlich tragischen Rettung. Als die Geretteten dann bei uns an Bord waren, spielte einer aus unserer Crew Gitarre – und plötzlich fingen sie an, ihren ganzen Schmerz wegzutanzen und zu singen. Das hat mir Hoffnung gegeben.

Lust auf REGIO: Gegen Sie und neun weitere Crew-Mitglieder, die sogenannten Iuventa10, wird in Italien ermittelt. Was wird Ihnen vorgeworfen?

Z. Katharina: Beihilfe zu illegaler Einwanderung, und darauf stehen bis zu 20 Jahre Haft. Aber das Internationale Seerecht sagt: Menschen in Seenot muss man retten und zu einem sicheren Hafen bringen.

Lust auf REGIO: Was sagen Sie zu Vorwürfen, dass die Rettungsaktionen den Schleppern quasi in die Hände spielen?

Z. Katharina: Die Leute verlassen ihr Zuhause ja nicht ohne Grund. Und es gibt nur diesen Weg raus aus Libyen. Was den Schleppern wirklich in die Hände spielt, ist, dass es keine legalen Fluchtwege gibt.

Lust auf REGIO: Was bedeutet Ihnen der Menschenrechtspreis von Amnesty International?

Z. Katharina: Ich sehe es so, dass wir ihn stellvertretend bekommen: für alle, die sich solidarisch zeigen mit Menschen auf der Flucht und dafür kriminalisiert werden. Es sind so viele Verfahren anhängig. Der Preis ist Unterstützung und Bestätigung, dass wir das Richtige tun. Denn darum geht es: um die Menschenrechte.

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Buchtipp

Zoe heißt Leben
von Zoe Katharina
Erscheint am 12. März
im Patmos Verlag.
www.iuventa10.org

 

Foto: © Iuventa10, Kai von Kotze