bib-Interview mit Sparkassen-Chef Marcel Thimm und Volksbank-Vorstand Uwe Barth business im Breisgau | 19.03.2020 | Lars Bargmann

Sie betreuen nach ihren jüngst vorgelegten Bilanzen mittlerweile fast 19 Milliarden Euro Kundenvolumen. Und trotz des Niedrigzinszustands haben Sparkasse und Volksbank in Freiburg ihre Erträge – noch – stabil gehalten. Die Sparkasse sogar leicht verbessert (siehe Info­boxen), die Volksbank nur leicht verschlechtert. Im Gespräch mit Chefredakteur Lars Bargmann blicken Marcel Thimm und Uwe Barth aber auch weit über die aktuelle Geschäfts­lage hinaus. Sprechen über Angriffe auf ihr Geschäftsmodell, den Druck auf Fusionen, Strafzinsen und das ­Erobern neuer Geschäftsfelder.

business im breisgau: Sehr geehrter­ Herr Barth, sehr geehrter Herr Thimm,­ ein Privatkunde kommt zu Ihnen und will auf einem Girokonto­ 250.000 Euro einzahlen. Was machen­ Sie?

Barth: Auch in diesen Tagen freuen wir uns über einen solchen Kunden. Die Frage ist, wie können wir den Kunden in seinen Zielen und Wünschen so beraten, dass das Geld nicht auf dem Girokonto liegenbleibt …

bib: Wo er dann Strafzinsen – oder wie es die Banken gerne nennen: Verwahr­entgelte – dafür bezahlen müsste …

Barth: Für eine Einzelperson ab 225.000 Euro oder 450.000 für Ehepaare. Firmenkunden zahlen ab 250.000 Euro.

Thimm: Wir freuen uns auch über jeden neuen Kunden. Heute muss er bei uns noch keine Entgelte bezahlen, aber auch wir werden da nicht drum herumkommen.

bib: Sie führen noch in diesem Jahr welche ein?

Thimm: Ja, aber 99 Prozent unserer Kunden werden verschont bleiben. Über 90 Prozent haben Geldanlagen unter 50.000 Euro.

Barth: Es ist nicht unsere und ich denke auch nicht Absicht der Sparkasse, Privatkunden zu belasten. Wir wollen da kein Geld verdienen.

bib: Sie geben das, was sie selbst an Strafzinsen bezahlen müssen, nur teilweise an die Kundschaft weiter, machen also Verluste …

Thimm: Betriebswirtschaftlich ist das­ so. Aber nicht nur, weil wir an die EZB Strafzinsen bezahlen müssen. Wir sind Einzelhändler von Geld und kalkulieren über die Großhandelspreise. Der Großhandelspreis für kurzfristiges Geld liegt aktuell bei - 0,5 Prozent. Wir berechnen unseren Kunden derzeit 0 Prozent, machen also 0,5 % Verlust. Dabei sind die anderen Kosten, die die Einlagen bei uns verursachen, noch gar nicht berücksichtigt. Und das ist das eigentliche Problem.

Barth: Lange Jahre haben die Regionalbanken von den hohen Kundeneinlagen profitiert, weil wir uns nicht, wie viele andere Banken, am Geld- und Kapitalmarkt refinanzieren mussten, um Kredite zu vergeben. Das war ein wesentlicher Stabilitätsfaktor. Jetzt hat sich das gedreht, jetzt ist der Geld- und Kapitalmarkt günstiger als das angelegte Geld unserer Kunden. Das ist ein Problem.

bib: Sie wollen Ihre Leistungen mehr und mehr bepreisen. Zahlen die Kunden bald Eintritt, wenn sie in die Bank wollen?

Thimm: Nein. Aber wenn es heute Baufinanzierungskredite für 0,75 Prozent gibt, dann kosten die in fünf Jahren vielleicht 1,25 Prozent. Das wäre auch nicht der Untergang des Abendlandes. Eine Volkswirtschaft braucht eine funktionierende Bankeninfrastruktur. Und wir brauchen kostendeckende Preise.

bib: Wie lange federt das Kreditwachstum noch die fallenden Margen ab?

Barth: Wir planen vier Jahre voraus. Mit verschiedenen Szenarien. In diesem Zeitrahmen wird unser Geschäftsmodell noch tragen. Wir müssen aber Gewinne und Eigenkapital generieren, um Wachstum zu ermöglichen. Und wir müssen uns an niedrigere Ergebnisse gewöhnen. Wenn die Zinsen aber auf sehr lange Sicht so bleiben, wird der Druck immer größer. Ein Zinsniveau von nur einem Prozent mehr würde schon ganz schön helfen. Und dann wären die Zinsen immer noch niedrig.

Thimm: Das sind sehr langfristige und Gott sei Dank auch langsame Entwicklungen. Wir arbeiten jedes Jahr mit weniger Mitarbeitern mehr Volumen mit niedrigeren Margen ab und müssen ein immer größeres Rad drehen. Aber erstens gibt uns die Konjunktur noch Rückenwind und zweitens brauchen wir unsere kalkulierten Risikokosten so gut wie nicht. Solange das so anhält, wird man immer noch einigermaßen leben können, auch wenn es jedes Jahr weniger wird.

bib: Der Druck auf die Fusionsbereitschaft wird sich angesichts des Zinsumfelds mehr und mehr erhöhen.

Thimm: Sicher. Größere Häuser werden es ein bisschen leichter als kleinere haben und solche in Gebieten mit wachsender Wirtschaft leichter als andere, bei denen es stagniert oder sogar zurückgeht.

bib: Werden in Freiburg Volksbank und Sparkasse in zehn Jahren noch so heißen wie heute?

Barth: Die Konsolidierung der Bankenlandschaft wird weitergehen. Vor zehn Jahren gab es noch 1500 Volks- und Raiffeisenbanken, jetzt 840. Das Tempo nimmt zu, je schwieriger die Rahmenbedingungen werden. Eigenkapital ist da ein Schlüsselwort. Eine Bank kann nur wachsen, wenn sie genug Eigenkapital und Risikotragfähigkeit hat. Eigenkapital zu generieren, wird für Sparkassen und Volksbanken aber immer schwieriger. Fusionen können diesen Kreislauf durchbrechen.

bib: Der beste Fusionspartner ist einer, der eine super Eigenkapitalquote, aber ein zu kleines Geschäftsgebiet hat?

Barth: Das sind gute Voraussetzungen. Aber es geht um vieles mehr: werden Kunden und Mitglieder profitieren, werden sie eine bessere Beratung, bessere Produkte haben, gibt es Doppelstrukturen, wie ist die Risikotragfähigkeit beider Bilanzen? Da muss man sehr scharf drauf schauen.

bib: Sie führen keine solchen Gespräche?

Thimm und Barth: Nein.

bib: Wann schreiben wir drüber?

Barth: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in diesem Jahrzehnt drüber schreiben, ist relativ hoch.

Thimm: Wir beide haben die vergangenen Jahre genutzt, um uns ein Polster zuzulegen. Wir haben von der Größe her eine gute Kostenstruktur, da wird es durch eine Fusion wohl kaum nennenswerte Vorteile geben. Aber der Kollege hat Recht, das Eigenkapital ist das A und O. Wird es durch eine Fusion gestärkt oder geschwächt? Wenn die Quote durch eine Fusion schlechter wird, kannst du das nicht mehr aufholen.

Marcel Thimm: „Das wäre auch nicht der Untergang des Abendlandes.“

bib: Christine Lagarde setzt die EZB-Politik von Mario Draghi – frei nach dem Motto „Alles aufkaufen, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist“ – nahezu eins zu eins fort. Das ist ein fortwährender Angriff auf Ihre Geschäftsmodelle. Ist der Instrumentenkoffer der Notenbanker nicht mittlerweile nur noch ein Koffer ohne Instrumente? Billiges Geld könnte in einer Krise ein probates Mittel sein, aber wenn jetzt eine käme, ist dieses Werkzeug nicht mehr greifbar?

Barth: Die Politik der EZB wird kritisch diskutiert, da laufen auch viele Gespräche mit der Politik, aber das Beharrungsvermögen ist groß. Jens Weidmann (Bundesbank-Präsident, d. Red.) konnte sich als Kandidat für den EZB-Chefposten nicht durchsetzen, Sabine Lautenschläger ist nicht mehr im Direktorium. Die deutsche Geldpolitik ist da nicht so erfolgreich. Die Medizin des billigen Geldes mag die richtige sein, nur die Dosis ist sehr hoch, so hoch, dass das Pulver der EZB verschossen ist, wenn wir mal richtige Konjunkturprobleme bekämen.

Thimm: Dafür ist es schon jetzt zu spät. Märkte und Länder sind süchtig nach der Dosis, nach dem Negativzins. Das Ziel aber, die Arbeitslosigkeit zu drücken oder die lähmende Wirtschaft nach oben zu bringen, ist nicht erreicht. Jetzt ist die Politik gefragt und das wird dauern. Wir glauben, dass die Situation lange Zeit so bleiben wird.
bib: Sie sind da nur Zuschauer. Was können Sie selbst beeinflussen?

Barth: Wir müssen unsere Zinsmargen verteidigen, noch mehr Provisionsgeschäft machen, die gute Konjunktur nutzen.

Thimm: Wir haben vier Optionen: Kosten senken, Digitalisierung nutzen, Vertrieb optimieren, und ich sehe Preisgestaltungsspielräume. Auch bei den Krediten. Heute kalkulieren wir beispielsweise mit 1,2 Prozent, morgen mit 1,8. Wir haben im vergangenen Jahr 1,2 Milliarden an neuen Krediten ausgegeben, das ist auf Rekordhöhe. Um das zu halten, brauchen wir mehr Eigenkapital. Wir müssen uns auch für noch schärfere Regeln bei der Kreditvergabe rüsten.

bib: Ein Firmenkunde kommt und fragt, wie viel Zinsen er von Ihnen bekommt, wenn er fünf Millionen Kredit nimmt. Was machen Sie?

Thimm und Barth (lächeln)

Barth: Zu uns kommen tatsächlich auch Kunden mit Check-24-Wissen. In der Beratung kommt dann das Aha-Erlebnis. Jeder Kunde zahlt gern ein Zehntel Prozent mehr, wenn er dafür eine gut strukturierte Finanzierung hat. Und nicht nur den optischen Erstpreis.

Uwe Barth: „Es gibt wie immer Licht und Schatten.“

bib: Ihre Bilanzen sind ein Spiegel der regionalen Wirtschaft. Wie geht es der?

Thimm: Überraschend gut, überraschend, weil es ja viele Nachrichten gibt, die Probleme machen. Die baden-württembergischen Paradebranchen Automobil und Maschinenbauer schwächeln. Wir haben aber in Freiburg vor allem Dienstleistungen, Handel, Medizintechnik und anderes. Da ist die Lage stabil. Wir haben nur sehr wenig Automobilzulieferer, aber denen geht es nicht gut.

Barth: Wir sind kein Industriestandort, sondern einer, der auch stark geprägt von der Baukonjunktur ist. Wir haben keine Sorgen mit einzelnen Branchen. Unser Kreditbuch ist gut diversifiziert.

bib: Schätzen Sie sich glücklich, dass Sie in einer attraktiven Zuzugsgegend arbeiten?

Thimm: Eindeutig. Es ist für Banken immer einfacher, in wachsenden Märkten zu arbeiten, wo die Wirtschaft, die Bevölkerung wächst. Und die Bauwirtschaft ist ja nicht nur Wohnungsmarkt, auch der Gewerbebau ist interessant.

Barth: Es gibt wie immer Licht und Schatten. Grundsätzlich sind wir darüber glücklich, es gibt Regionen, wo ich kein Bankvorstand sein möchte. Aber es gibt auch andere, auf die ich neidisch bin, wo etwa der Kostendruck geringer ist. Das hat hier mit der Nähe zur gut zahlenden Schweiz zu tun, mit dem hochpreisigen Wohnungsmarkt, wir zahlen ordentliche Gehälter, haben aber auch gute Leute.

bib: Die Bauwirtschaft brummt, wer weiß, wie lange noch. Welche Hoffnungen knüpfen Sie an den neuen Stadtteil Dietenbach?

Thimm: Der ist ein Paradebeispiel für alles, was wir besprochen haben. Dietenbach ist überfällig. Als ich 1994 nach Freiburg kam, ist gerade das Rieselfeld eröffnet worden, damals hatten von unseren 36 Trägerkommunen mehr als die Hälfte neue Baugebiete. Heute zwei oder drei. Das Angebot ist seither dramatisch verengt, das Wachstum ist geblieben, wir müssen die Menschen versorgen.

Barth: Das sehe ich genauso. Wir begrüßen das sehr. Wir müssen mehr bauen, auch mal mit einem gewissen Mut höher bauen.

bib: Die Volksbank baut gerade, auch für Dritte als Renditeobjekt. Ein neuer Geschäftszweig?

Barth: Immobilienanlagen sind bei uns ein Thema. Wir haben in der Vergangenheit, um Zinsänderungsrisiken zu steuern, vorwiegend in die Wertpapiermärkte investiert. Jetzt investieren wir verstärkt in Immobilien, nicht nur in der Region. Wir investieren gemeinsam mit anderen in andere Märkte, auch in Fonds, europaweit.

Thimm: Wir machen uns intensiv Gedanken über neue Geschäftsfelder. Wir bauen jetzt ein Bürohaus an der Messe, zusammen mit der Stadt Freiburg …

bib: … den Kopfbau II …

Thimm: … ja, als Geldanlage. Warum sollen wir als Immobilieninvestor nicht selber was machen? Ohne aber unserer Kundschaft Konkurrenz zu machen.

bib: Baut die Sparkasse selbst im Dietenbach?

Thimm: Uns werden am Ende 50 Prozent der bebaubaren Flächen gehören, wir müssen dort natürlich die politischen Ziele des Rathauses erfüllen, aber das ist auf jeden Fall eine Option.

bib: Wird es weitere Filialschließungen geben?

Barth: Bei uns in den nächsten zwei Jahren nicht. Wir haben den Schrumpfungsprozess hinter uns, aber wenn Mietverträge sich verändern oder auslaufen, schauen wir uns das an.

Thimm: Wir haben heute 47 Standorte, vor 20 Jahren waren es doppelt so viel. Wir werden in vier Jahren noch einmal deutlich weniger haben.

bib: Jobmotorpreise werden Sie auch nicht gewinnen?

Thimm: Wir schrumpfen seit 20 Jahren. Seit 2015 wollen wir so viel schrumpfen wie die Tarife steigen, damit die Personalkosten gleich bleiben. Das Ziel haben wir auch die nächsten vier Jahre.

Barth: Momentan passt unser Personalschlüssel und es gibt keine Pläne. Aber in vier Jahren werden es tendenziell weniger sein.

bib: Wie bewerten Sie Ihre Bilanzen, gab es Besonderheiten?

Barth: Wir sind sehr zufrieden, unseren Plan zu erfüllen, war harte Arbeit. Große Besonderheiten gab es bei uns nicht.

Thimm: Ich würde das Einlagenwachstum als besonders bezeichnen. Wir hatten erneut 8,2 Prozent. Früher hätten wir uns darüber gefreut, dieses Jahr nicht, weil wir nur 4,7 Prozent Kreditwachstum haben. Wir (schaut Barth an) haben eigentlich zu viel Geld. Barth (nickt)

bib: Sehr geehrte Herren, vielen Dank für dieses Gespräch.

 

Bilanz Volksbank Freiburg 2019 (2018)

Bilanzsumme 3,35 Mrd. € (+ 150 Mio.)
Betr. Kundenvolumen 6,52 Mrd. € (+ 210 Mio.)
– in Krediten 2,61 Mrd. € (+ 216 Mio.)
– in Einlagen / Wertpapieren 3,91 Mrd. € (+ 221 Mio.)
Ertrag 78,8 Mio. € (- 1,9 Mio.)
– aus Zinsen 54,5 Mio. € (- 2,34 Mio.)
– aus Provisionen 24,3 Mio. € (+ 0,4 Mio.)
Personal- & Sachkosten 49,6 Mio. € (- 0,31 Mio.)
Teilbetriebsergebnis 29,3 Mio. € (- 1,59 Mio.)
Ergebnis vor Steuern* 10,2 Mio. € (- 0,3 Mio.)
Steuern 8,2 Mio. € (- 0,29 Mio.)
Überschuss 4,1 Mio. € (unverändert)
CIR** 64
Eigenkapital 338 Mio. € (+ 4 Mio.)
Geschäftsstellen 35 (mit SB, unverändert)
Mitarbeiter 412 (- 11)

Bilanz Sparkasse Freiburg 2019 (2018)

Bilanzsumme 6,835 Mrd. € (+ 348 Mio.)
Betr. Kundenvolumen 12,24 Mrd. € (+ 807 Mio.)
– in Krediten 5,128 Mrd. € (+ 242 Mio.)
– in Einlagen / Wertpapieren 7,113 Mrd. € (+ 566 Mio.)
Ertrag 164 Mio. € (+ 1 Mio.)
– aus Zinsen 109 Mio. € (- 2 Mio.)
– aus Provisionen 55 Mio. € (+ 3 Mio.)
Personal- & Sachkosten 99 Mio. € (+ 1 Mio.)
Operatives Ergebnis 65 Mio. € (unverändert)
Ergebnis vor Steuern* 24 Mio. € (+ 2 Mio.)
Steuern 17 Mio. € (+ 2 Mio.)
Überschuss 7 Mio. € (unverändert)
CIR** 59,7 (+ 0,5%-Punkte)
Eigenkapital/Risikorücklage 335 Mio. € (+ 7 Mio.)
Geschäftsstellen 47 (unverändert)
Mitarbeiter 1051 (- 9)

* nach Reservenbildung und Bewertungen / ** So viel Cent gibt die Bank für 1 Euro Ertrag aus

Fotos: © Christoph Duepper Photography