Nachgewürzt! – Fake news zu Corona Gesundheit | 09.04.2020 | Florian Schroeder

Florian Schroeder

Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als wir uns über 107 Lungenärzte aufgeregt haben, die behaupteten, das mit dem Stickoxid sei nur halb so schlimm? Das war lustig. Jetzt, in der Corona-Krise, haben wir es mit dem leibhaftigen Nachfolger zu tun: Dr. Wolfgang Wodarg, Ex-Chef des Gesunheitsamtes Flensburg und Ex-SPD-Bundestagsabgeordneter. Er behauptet Sachen wie: „Wenn man nicht testen würde, würden wir gar nicht merken, dass es eine Krise gibt.“

Das hat etwa den Erkenntnisgewinn von „Wenn man die Bettdecke über den Kopf zieht, merkt man gar nicht, dass die Küche brennt.“ Stimmt irgendwie, steigert aber nicht die Lebenserwartung. Dafür hat er nun gute Chancen, bald als Infektionsschutz-Berater ins Weiße Haus einzuziehen. Seine Argumentation besteht hauptsächlich darin, Argumente zu ignorieren. Er kann nicht erklären, welche Ursache die tausenden Toten haben, die jetzt täglich dazu kommen – die können ja nicht alle jeden Lebenswillen verloren haben, nur weil sie Videos von Xavier Naidoo gesehen haben.

Die Süddeutsche riet gegen Fake News: „Durchatmen“. Ob das im Zusammenhang mit einer Lungenkrankheit der beste Tipp ist? Vielleicht lieber „Luft anhalten“ – also für die Verbreiter von Fake News. Es ist hingegen kein simples Mittel, um herauszufinden, ob man selbst infiziert ist. So steht es in einem Kettenbrief, der per Whatsapp und bei Facebook herumgeht: Wer zehn Sekunden die Luft anhalten könne, sei nicht infiziert. Das hieße ja, dass alle Morning-Show-Radiomoderatoren infiziert wären!

Luft anhalten gilt auch für „Geistheiler“, die verbreiten, die Menschen in Wuhan seien nicht Covid-19 zum Opfer gefallen, sondern den 30.000 Funkmasten, die das 5G-Internet mit Mikrowellen verbreiten. Interessanterweise werden hierzulande solche Verschwörungstheorien genau dort am meisten geglaubt, wo absolut keine Gefahr besteht, durch mobiles Internet zu sterben: auf dem Land in Ost-Westfalen. Einmal musste sogar das Bundesgesundheitsministerium seine eigenen News zurücknehmen: Am 12. März hatte es vor Fake News gewarnt, die davor warnten, dass weitgehende Einschränkungen des öffentlichen Lebens bevorstünden. Zwei Tage später musste es sich von der eigenen Distanzierung distanzieren, weil genau das beschlossen wurde. Mein Vorschlag: In Zukunft sollen Fake News und Distanzierungen vom Bundes-Troll-Ministerium koordiniert werden. Dann haben wir auch einen neuen Job für Andi Scheuer!

Florian Schroeder, Kabarettist,
studierte in Freiburg, lebt in Berlin und vergibt die chilli-Schote am goldenen Band.

 

Foto: © Frank Eidel