Wenn Einsamkeit krank macht Gesund & Fit | 28.01.2021 | Tanja Senn

Zuhause Einsam

Sie erhöht das Risiko früh zu sterben mehr als Alkohol, Rauchen oder Übergewicht: Einsamkeit. Und sie ist weit verbreitet. Bereits vor den Kontaktbeschränkungen der Corona-Krise fühlte sich jeder zehnte in Baden-Württemberg häufig einsam.

Wie eine Forsa-Umfrage zeigt, kennt fast jeder Anflüge von Einsamkeit: In Baden-Württemberg hatten in den vergangenen fünf Jahren 80 Prozent der 18- bis 69-Jährigen schon einmal dieses Gefühl. Ab und an einsam zu sein, ist sicherlich nicht schlimm. Doch was, wenn das quälende Alleinsein zum Dauerzustand wird?

Eine Metaanalyse aus den USA hat 148 Studien untersucht und kommt zu dem Schluss: Bei Menschen, die unter Einsamkeit leiden, steigt die Sterbewahrscheinlichkeit um 50 Prozent. Vereinfacht gesagt: Einsamkeit ist tödlich. Das kann auch Markus Heinrichs, Leiter der psychotherapeutischen Ambulanz für stressbedingte Erkrankungen der Uni Freiburg, bestätigen: „Einsamkeit ist ein Risikofaktor, der alle anderen übertrifft“, weiß er, „die Konsequenzen sind enorm.“ Er beobachtet bei seinen Patienten vor allem Symptome wie Depressionen oder Angststörungen.

Was weniger bekannt ist: Einsamkeit schlägt nicht nur auf die Psyche, sondern wirkt sich auch auf die körperliche Gesundheit aus. Menschen, die sich dauerhaft einsam fühlen, schütten mehr Stresshormone aus. Diese lassen den Blutdruck und -zucker steigen, schwächen das Immunsystem. So steigt das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte.

Dabei ist Einsamkeit etwas komplett Subjektives, erklärt Heinrichs. Zu folgern, dass die Kontaktbeschränkungen in der Krise daher per se zu gesundheitlichen Schäden führen, sei zu kurz gegriffen. „Personen, die schon vorher darunter gelitten haben, haben nun ein höheres Risiko, dass ihnen weitere soziale Kontakte wegbrechen“, so der Psychotherapeut. „Andererseits gibt es auch Menschen, die es gerade genießen, nicht auf jede Party und zu jedem Meeting zu müssen. Manche schnaufen durch, anderen geht es noch schlechter – das gibt es beides.“

Einsamkeit kann zur Pandemie werden

Was erstaunt: Einsamkeit ist tatsächlich ansteckend. Wer lange einsam ist, verhält sich anderen Menschen gegenüber oft unbewusst abweisend. Freunde lassen sich davon teilweise beeinflussen, behandeln andere ebenfalls weniger gut und verlieren so soziale Kontakte.

Portrait Prof. Heinrichs

Einsamkeit ist ein gefährlicher Risikofaktor, weiß Psychologe und Neurowissenschaftler Markus Heinrichs.

Einsamkeit kann sich also auch zu einer Art Pandemie entwickeln. Welchen gesellschaftlichen und auch volkswirtschaftlichen Schaden eine solche Entwicklung mit sich bringen kann, hat man in Großbritannien erkannt und 2018 ein eigenes Einsamkeitsministerium gegründet. Das will durch Kampagnen vor allem das Stigma beseitigen, das das Alleinsein mit sich bringt, und verhindern, dass sich betroffene Menschen immer weiter in die Isolation zurückziehen.

Ein Ziel, bei dem die Corona-Krise tatsächlich hilfreich ist: Während der Lockdowns haben viele Menschen die Erfahrung gemacht, was es heißt, allein zu sein. Das Thema ist auch medial angekommen. Was dennoch oft untergeht: Betroffen sind nicht nur alte und kranke Menschen – Einsamkeit geht weit über die Krankenbetten, Seniorenheime und die heimische Quarantäne hinaus. Zahlreiche Studien zeigen, dass neben den Älteren vor allem unter 40-Jährige darunter leiden.

Einer Umfrage des Magazins Focus zufolge hatten junge Menschen während des zweiten Lockdowns im Winter ebenso große Angst vor der Einsamkeit wie vor einer Corona-Ansteckung. Ein Gutachten des Sozialverbands Deutschland zeigt sogar, dass die Isolation durch die Pandemie schon viel früher beginnt. Demnach fühlt sich bereits ein Drittel der Kindergartenkinder einsam. Und das schlägt auf die Gesundheit – so sind die negativen Effekte bei einsamen Jugendlichen sogar noch größer als bei Erwachsenen.

Was also tun, wenn man doch gerade keine sozialen Kontakte haben soll und will? „Vernetzt euch!“, ist Heinrichs Rat. Telefonate oder der Kontakt über soziale Medien seien zwar kein Ersatz für Berührungen oder direkten Blickkontakt – sie könnten die Einsamkeitsgefühle aber lindern und die Zeit überbrücken, bis Umarmungen wieder möglich sind. Jetzt in der dunklen Jahreszeit empfiehlt er zudem eine ganz einfache, kostenlose „Lichttherapie“, um depressiven Stimmungen vorzubeugen. Heißt: Sich um die Mittagszeit eine halbe bis ganze Stunde draußen bewegen und einfach mal Sonne tanken.

Fotos: © iStock/chameleonseye, Jürgen Gocke/Universität Freiburg