Dramatische Entwicklung: Warum Baustoffe aktuell so kostspielig sind STADTGEPLAUDER | 14.05.2021 | Liliane Herzberg

Baustelle: Haus der Jugend

Baumaterialien sind in Deutschland derzeit knapp. Das beutelt die eigentlich boomende Branche. Denn die Lieferzeiten sind lang, die Preise hoch und sicheres Planen erschwert. Freiburger Bauunternehmen und -stoffhändler halten dennoch zusammen und hoffen auf bessere Zeiten.

„Eigentlich machen wir wöchentlich unsere Montageeinsatzplanung. Aktuell ist sie aber täglich notwendig, manchmal sogar zwei Mal pro Tag“, erklärt Jakob Gerber, geschäftsführender Gesellschafter der Dachdeckerei Peter Gerber GmbH. Hintergrund für die Planungsunsicherheit ist die Pandemie, zu der sich bei den einzelnen Stoffen weitere Faktoren gesellen. So wurden im vergangenen Jahr die Produktionskapazitäten vieler Baustoffhersteller heruntergefahren. Als die Konjunktur wieder Fahrt aufnahm, wuchs die Nachfrage schneller, als die Werke hochgefahren werden konnten. Daraus resultieren heute lange Lieferzeiten sowie hohe Kosten. Das betrifft vor allem mineralölbasierte Dämmstoffe, Stahl, Kupfer und allen voran: Holz.

Laut statistischem Bundesamt war das forstliche Gut im gesägten oder gehobelten Zustand im März rund 14 Prozent teurer als im Vorjahresmonat und kostet rund fünf Prozent mehr als noch im Februar. Drastischer sind die regionalen Zahlen: „Rückmeldungen unserer Mitgliedsbetriebe haben bei Holz Preissteigerungen um bis zu 100 Prozent im Vergleich zum vergangenen Winterquartal ergeben“, weiß Johannes Ullrich, Präsident der Handwerkskammer Freiburg.

Gründe dafür seien der starke Export von deutschen Hölzern in die USA, erklärt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V. Denn das Land führt vermehrt Holz aus der Bundesrepublik ein, da der Import aus Kanada derzeit wegen Handelsstreitigkeiten eingeschränkt sei. „Zudem kam es in den Vereinigten Staaten aufgrund von Borkenkäferbefall sowie einem heftigen Wintereinbruch, der den Frischholzeinschlag gestoppt hat, zu einer Holzverknappung.“ Außerdem ist auch hierzulande die Nachfrage hoch, da seit Beginn der Pandemie viele Privatleute ihr Zuhause renovieren. „Rundholz wird unserem heimischen Markt darüber hinaus durch langfristige Lieferverträge mit China entzogen“, sagt Möller.

Baupreisexplosion attackiert auch bezahlbares Wohnen

Handwerkliche Betriebe oder Großhändler müssen deshalb häufig auf Sicht fahren oder präventiv einkaufen: Für ein Projekt benötige Jakob Gerber beispielsweise 800 Quadratmeter Grobspanplatten. „Ich habe meine Hauptlieferanten angefragt, einer sagte, er könne im August liefern, wisse aber nicht, zu welchem Preis. Der andere sagte, er könne von Mai bis Juli monatlich nur 300 Quadratmeter liefern, zu einem Preis jenseits von Gut und Böse.“ 

Auch beim Stahl ist die Lage angespannt. So schildert etwa Timo Fritza, Prokurist des Veeser Bauzentrums Freiburg GmbH & Co. KG: „Der Preis hat sich seit dem letzten Quartal 2020 mehr als verdoppelt, weitere erhebliche Preissteigerungen sind angekündigt.“ Auch die Lieferzeiten seien dramatisch: „Sonst waren die Produkte innerhalb von drei Tagen da, jetzt dauert es bis zu zwei Monate.“ Grund für den teuren Stahlpreis sei vor allem die hohe Nachfrage aus China sowie der Bedarf der Automobilbranche und des Maschinenbaus, so Möller. Auch die Amerikaner kauften viel, erklärt Fritza, da diese die Leichtbauweise – also mit Metall-Trockenbauprofilen – bevorzugen.

Bei Dämmstoffen sieht es kaum besser aus: „Styropor und Styrodur haben aktuell Lieferzeiten von sechs Wochen, statt keine oder längstens drei bis vier Tage. Und das ist verbunden mit einer Preiserhöhung von zehn Prozent“, klagt Fritza. Der Grund sei unter anderem der Ausfall mehrerer Werke in den USA wegen des Wintereinbruchs im Februar, so Möller. Kupfer lässt ebenso klagen: „Das Edelmetall unterliegt immer großen Schwankungen. Jetzt sind die aber außerordentlich hoch“, so Carmen Kopfmann-Gerwig, Geschäftsführerin des Elektrotechnikunternehmens Kopfmann.

Auch auf Seiten der Auftraggeber hinterlässt der Mangel an Materialien Spuren. Die Dauer der Problematik ließe sich schwer abschätzen, so Marc Ullrich, Vorstandsvorsitzender des Bauvereins Breisgau: „Wir gehen fest davon aus, dass die Baukosten weiter steigen und dadurch den Neubau von Wohnungen verteuern werden.“

Nach einer Umfrage des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) unter 1600 Mitgliedern schlagen Bauträger und Projektentwickler Alarm: Wegen des Materialmangels drohten Verzögerungen oder gar Stillstand auf den Baustellen. Auch BFW-Präsident Andreas Ibel sieht darin eine weitere Gefahr für bezahlbares Wohnen. Mehrere Unternehmen wollen sich zur Anfrage des business im Breisgau  nicht äußern: etwa aus Angst, Kunden zu verlieren.

Zumindest bei Kies, Sand, Zement und Beton gibt es positive Nachrichten: Laut Möller weisen die regional erzeugten Produkte keine außergewöhnliche Preissteigerung auf. Außerdem hält die Branche zusammen, faire Preise werden ausgehandelt, Margen fallen weg: „Wir wägen zwischen der Kundschaft ab“, so Gerber. „Wir gehen transparent mit unseren Zahlen um und finden gemeinsam eine Lösung.“ Ähnlich handhabt es auch Fritza: „Wir reden mit unseren Kunden. Es kommen auch wieder andere Zeiten, dafür müssen wir sie uns halten.“

Foto: © Patrick Seeger