„Wollen was anstoßen“: Female-Rap-Duo Palas macht „Witch Trap“ STADTGEPLAUDER | 05.07.2021 | Till Neumann

Tina Turnup und Babylit Sind „giftig“ und „bossy“: Tina Turnup und Babylit.

Provokante Texte, wuchtige Beats und einen Plattenvertrag bei Europas erstem Female-HipHop-Label. Das Rap-Duo Palas aus Freiburg und Berlin will 2021 durchstarten. Mit ihrer ersten Single „Giftig“ haben die Rapperinnen Tina Turnup und Babylit Fans gewonnen – und Hater. Ihre Musik soll auch für ein Umdenken sorgen: Sie fordern weniger Diskriminierung und Sexismus, dafür mehr Individualität.

„Bossy, bossy, wir sind bossy.“ Die Hookline der zweiten, noch unveröffentlichten Single klingt mehr als selbstbewusst. Dabei sind Palas erst seit einigen Monaten am Start. Im April kam ihr erstes Video „Giftig“: „Dieses Zeug ist giftig, meine Zunge giftig“, rappen die beiden da im schrillen Trap-Style und tanzen im Flackerlicht. Viele englische Begriffe schallen durch die Boxen. Auch wenn nicht jedes Wort zu verstehen ist, die Message ist klar: Achtung, jetzt wird’s gefährlich. 

Die Nerven liegen beim Texten auch mal blank

Sarah alias Tina Turnup lebt in Freiburg, Gianna alias Babylit in Berlin. Ihre vollen Namen und das Alter wollen sie beim Zoom-Interview nicht preisgeben. Von ihrem einstigen Jazz-Studium an der Freiburger Macromedia-Hochschule berichten sie aber gerne. Schon damals schrieben sie einen Song. Dann brachen sie das Studium ab.

Immer wieder trafen sie sich in Berlin – und begannen, an Songs zu arbeiten. Über Freunde erfuhren sie vom neuen Label 365xx. Dem nach eigenen Angaben „ersten all fe:male Hip Hop Label Europas“, gegründet von der Leipziger Musikpromoterin Lina Burghausen. Sie schickten ein Demo hin – und bekamen einen Vertrag. „Ihr klingt anders“, sagte die Plattenfirma zu Palas.

Rund 6000 YouTube-Klicks hat „Giftig“ bisher. Fast 100.000 Plays sind es auf Spotify. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Sarah. Den Erfolg führen sie auch auf das Label zurück. Eine Ehre sei es, dort unter Vertrag zu stehen. „Lina hat eine krasse Expertise“, schwärmt Sarah.

Ihre Stimmen oszillieren zwischen hingehaucht und aggressiv. Ein Mix aus Sexyness und Wut. Die User·innen auf YouTube sind gespalten: „Wie soll ich darauf klarkommen? Nur krass“, schreibt eine. „Ich kann gar nicht so viel kotzen wie ich will. Sorry Mädels, aber das ist wirklich echt nicht gut“, schreibt ein anderer. Palas polarisieren. Man könnte sagen, ein ziemlich guter Indikator für erfolgreiche Rapmusik.

Ihre Musik nennen Lit und Turnup „Witch Trap“. Klingt das nicht böse? „Wir finden das nicht negativ, es heißt für uns, unser Leben selbst zu gestalten“, sagt Gianna. Hexen hätten eine gewisse Macht und Magie. Die wollen sie sich über ihre Musik selbst erobern. Immer wieder würden sie zweifeln, ob eine Strophe gut genug sei. Die Rap-Partnerin sage aber: Genau so ist es cool. So provokativ sie in den Tracks rüberkommen, hinter den Kulissen geht’s bescheidener zu: Beim Songwriting seien sie regelmäßig kurz vorm Nervenzusammenbruch, erzählen sie im Interview.

Ihre Musik in der Macho-Domäne Rap sehen sie auch als Selbstermächtigung. „Das hat viel mit Befreiung zu tun“, sagt Sarah. Es gehe darum, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Wichtig ist ihnen, anders zu klingen als der Rest. „Bist du Kopie von Kopie von Kopie? Oder willst du lieber aufhören, dich und die Welt zu langweilen und uns deine eigene Uniqueness zu schenken?“ So lautet einer ihrer Posts auf Facebook. Um das unter Beweis zu stellen, wollen sie noch dieses Jahr eine EP veröffentlichen. Dann soll auch live mehr gehen. Bisher haben sie nur drei Mal auf einer Bühne gemeinsam gejammt. „Wir wollen was anstoßen“, sagt Gianna zur ihrer Musik. Ihr Wunsch für die Rapszene: weniger Diskriminierung, mehr Individualität und Kreativität.  

Label 365xx

Das Musiklabel 365xx nennt sich das „erste all fe:male Hip Hop Label Europas“. Gegründet hat es die preisgekrönte Musikpromoterin und Autorin Lina Burghausen. Sie möchte „visionären Artists aus dem deutschsprachigen Raum“ ein Zuhause geben. Entstanden ist die Idee aus einem Blog von ihr, auf dem ein Team 365 Tage lang täglich eine Rapperin porträtierte. 

Foto: © albi.rich