Das Ende der Querelen um die Quäkererstraße – Familienheim und OB einigen sich auf Moratorium in der Wiehre STADTGEPLAUDER | 19.06.2021 | Lars Bargmann

Markierung des Streitortes in der Quäkerstrasse Einstürzende Altbauten? An diesem Gebäuderiegel (rote Markierung) entzündete sich der Streit im Quartier.

Nach bemerkenswert öffentlichen Streitereien zwischen Oberbürgermeister Martin Horn und dem Vorstand der Baugenossenschaft Familienheim Freiburg über die Entwicklung des Quartiers zwischen den beiden Wiehre-Bahnhöfen, haben sich die Parteien nun zu einer Vereinbarung durchgerungen und diese vor Journalisten präsentiert. „Ich freue mich überaus, dass wir gemeinsam eine faire und zukunftsorientierte Lösung gefunden haben“, formulierte Horn.

Die Genossenschaft wollte die in die Jahre gekommenen Häuser an der Quäkerstraße 1 bis 9 abreißen und neuen Wohnraum schaffen. Im Herbst 2017 hatten Anja Dziolloß und Alexander Ehrlacher den Bauantrag abgegeben. Danach geriet das Projekt in den OB-Wahlkampf (wir berichteten), die Initiative „Wiehre für alle“ gründete sich, die Debatte war fortan eher politisch denn sachlich dominiert. Nachkriegsgebäude mit schlechter Bausubstanz waren in jüngerer Zeit in anderen Stadtteilen – etwa durch die Freiburger Stadtbau GmbH oder auch den Bauverein Breisgau – deutlich geräuschloser durch nachhaltigere ersetzt worden.

Die Vereinbarung sieht nun vor, dass – bis 2029 so gut wie gar nichts passiert. Es wird in diesen acht Jahren auf der Fläche mit den geräumigen grünen Innenhöfen nicht eine neue Wohnung gebaut. Das ist in Freiburg kein Grund zum Feiern. Auf der anderen Seite verschwinden die vom Rathaus angedrohten sozialen und städtebaulichen Erhaltungssatzungen in der Schublade. „Die Ziele und Zwecke der Satzungen sollen nun auf andere Weise bei der Entwicklung berücksichtigt werden“, sagte Baubürgermeister Martin Haag. „Wir müssen dieses Quartier mit bezahlbarem Wohnraum weiterentwickeln und ich bin sehr dankbar für diese Vereinbarung, weil diese genau das ermöglicht“, kommentierte Sabine Recker, die das städtische Referat für bezahlbares Wohnen leitet. „Der Berg kreißte und gebar eine Maus“, schrieb indes einst der römische Satiriker und Dichter Horaz.

Acht Jahre Stillstand bedeuten aber auch acht Jahre keinen Abriss. Das wäre durchaus ein Grund zum Feiern für „Wiehre für alle“. Aber dort regt sich stattdessen Kritik an „nicht nachprüfbaren Absichtserklärungen“. In der Vereinbarung müsse der dauerhafte Erhalt der Gebäude als wesentliches Ziel aufgenommen werden. Andernfalls bleibe bei den Bewohnern die Angst, im hohen Alter ausziehen zu müssen. Auch maximale Mietpreissteigerungen müssten genannt werden. Derzeit hat die Familienheim in dem Viertel rund 300 Wohnungen.

„Wir werden das Quartier nun fünf Jahre ruhen lassen und haben unsere Kapazitäten woanders gebunden“, sagte Dziolloß. Ein wirtschaftlicher Schaden sei der Baugenossenschaft nicht entstanden, so Ehrlacher. Von 2026 bis 2029 soll mit dem Rathaus, Mietern und Genossen ein Entwicklungskonzept erarbeitet werden. Bis dahin wird in dem Bestand aus den 30er- und 50er-Jahren nur das gesetzlich Vorgeschriebene, das Nötigste gemacht.

Laut Haag müsse das neue Konzept auf der einen Seite Nachverdichtungspotenziale aufzeigen, auf der anderen aber auch Bestände sichern. Horn sprach ebenfalls von „zusätzlichem Wohnraum“. Über die Vereinbarung entscheidet am 29. Juni der Gemeinderat. Der Streit zwischen Stadtspitze und der Genossenschaft ist zwar beigelegt. Einer der Verlierer auf dem Spielfeld ist die jährliche Statistik, in der die Stadt die Baugenehmigungen für neue Wohnungen auflistet. Hätte nicht die Familienheim, sondern ein renditefokussierter Bauträger das Quartier in der Hand, würden die Mieter tief in der Gewinnerhälfte stehen. So bleibt einfach nur alles beim buchstäblich Alten.

Zum Streit in der Wiehre lesen Sie auch: bit.ly/2RUkLSV

Quälende Querelen um die Quäkerstraße: Familienheim im Zwist mit OB Horn

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